Klosterarbeiten — wenn arbeitende Hände beten.
sms. Seit 30 Jahren pflegt Letizia Berther für das Kloster Disentis und das eigene Museum all das, was unter dem Titel Klosterarbeiten zusammengefasst werden könnte. Das beginnt mit der Restauration der Objekte im grossen Lager und der Ausstellungen. Geht weiter zu den Fahnen und den Kleidern der verschiedenen Statuen für die Prozessionen. Bis in die Details von Gewändern und Decken, welche genäht, gestickt, geklöppelt sind. Sie beschäftigt sich aber auch mit den eigentlichen «Klosterarbeiten», jenen winzigsten – manchmal sogar unter der Lupe hergestellten! – Kunstwerken, welche barocke Altäre und Reliquien schmücken oder Heiligenbilder einrahmen. Oftmals dienen bescheidenste Mittel – Drähte, Papiere, Glaskügelchen, Pailletten, Stoffe, Krüll – zur Gestaltung aussergewöhnlicher, ent- und vielleicht sogar verzückender Kompositionen. Zusammen mit anderen Expertinnen dieser sogenannten «Klosterarbeiten» konnten kürzlich die Reliquien von St. Sigisbert und St. Placidus in der Krypta erneuert werden. Eine nächste grössere Arbeit steht am Petrus-Altar in der Klosterkirche an.
Klosterarbeiten? — Wer googelt, der findet!
Seit einigen Monaten führt Letizia Berther die stellvertretende Leiterin des Internates, Tina Piazzi, in diese Welt ein. Zusammen haben sie eine Weiterbildung im Kloster organisiert oder geben interessierten Mädchen und jungen Frauen aus dem Internat Einblick. Sogar eine Ausstellung im Rahmen der Arbeiten von Philipp Meier als «Learnscape Gardener in Residence» #lgir (DISENTIS, 1/2012, S. 14) konnte realisiert werden. Während ihrem stundenlangen werken an diesen filigranen, winzigsten Arbeiten entwickeln die Beiden grosse Ideen für die weitere Pflege dieser seit hunderten von Jahren geübte Tätigkeit: Auf Weihnachten sollen spezielle Eigenentwicklungen an der Klosterpforte zugänglich sein.Was wir vom Barock lernen können
Aufgabe und Funktion der «Klosterarbeiten» an der mit quirligem Leben gefüllten barocken Klosteranlage ist leicht erzählbar: Der Klang der Glocken durchs weite Tal, spricht selbst entfernt lebende Menschen sinnlich an und zieht dieses förmlich – über die tonnenschweren Glocken in den mächtigen Doppeltürmen – in den Kirchenraum hinein. Dort angekommen, wird mit einer doppelten Türe der Übergang «von Natur zu Kultur» inszeniert. Die Berührung mit dem Weihwasser. Die tiefe Verbeugung auf den schroffen, harten, unerbittlichen Boden. Der sich hebende Blick in eine Flut von Licht, Bildern, Verzierungen und Verschnörkelungen. Die statischen Probleme eines so riesigen Raumes sind entschwunden. Zugegeben: auch der Weihrauch tut das Seinige dazu. Dennoch: Ohne die «Klosterarbeiten» der stundenlang vor sich hin spielenden Finger dieser vielseitigst begabten Frauen, würde der eben noch vom rauhen Wind weit draussen abgeholte Mensch, nicht so mühelos in beschauliche, sinnliche, geistige Übungen wechseln können. Das ist ihr Anteil an diesem «Gesamtkunstwerk» der besonderen Art.Ora et labora
Genau darum ging es den auch den Klosterfrauen mit ihrem Tun: Selbst aus einfachsten, alltäglichsten, vermeintlich wertlosesten Materialien, durch sorgfältiges, erfindungsreiches, geduldiges Arbeiten, etwas weit über seine eigenen Möglichkeiten hinaus wachsendes ermöglichen. Ein Wunder, wie es sich ergeben kann, nach einem Gebet.
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