lernen von den ver-rückten der letzten verdrehungen (rainer maria rilke)

cliniquevalmont
http://www.cliniquevalmont.ch/en/home-cva-en/about-us/history

aus der selb­st­beschrei­bung der klinik: “It was found­ed by a doc­tor from Lau­sanne, Dr Hen­ri-Auguste Wid­mer, who stud­ied with Char­cot and devel­oped an inter­est in men­tal ill­ness in the first years of his career before devot­ing him­self exclu­sive­ly to diges­tive, nutri­tion­al and ner­vous dis­or­ders.” … “King Albert and Queen Elis­a­beth had stayed at Val­mont and forged a friend­ship with Dr Wid­mer and his wife. The clin­ic fre­quent­ly wel­comed illus­tri­ous guests, such as the poet Rein­er Maria Rilke, who was a reg­u­lar inmate from 1923 until his death in 1926, and the avi­a­tion pio­neer Alber­to San­tos Dumont.”

inter­es­san­ter “tipp-fehler”?
— oder ist er so in den “patienten“aktien der klinik verze­ich­net?
rené — rein­er — rain­er
rain. rein­er. rené
hygiene. rein­heit. wan­del…

Rain­er Maria Rilke
(1875 — 1926), eigentlich René Karl Wil­helm Johann Josef Maria, öster­re­ichis­ch­er Erzäh­ler und Lyrik­er

Im Jan­u­ar und Feb­ru­ar 1926 schrieb Rilke der Mus­soli­ni-Geg­ner­in Gal­larati Scot­ti drei Briefe nach Mai­land, in denen er die Herrschaft Ben­i­to Mus­soli­n­is lobte und den Faschis­mus als ein Heilmit­tel pries. Über die Rolle der Gewalt war Rilke sich dabei nicht im Unklaren. Er war bere­it, eine gewisse, vorüberge­hende Gewal­tan­wen­dung und Frei­heits­ber­aubung zu akzep­tieren. Es gelte, auch über Ungerechtigkeit­en hin­weg zur Aktion zu schre­it­en. Ital­ien sah er als das einzige Land, dem es gut gehe und das im Auf­stieg begrif­f­en sei. Mus­soli­ni sei zum Architek­ten des ital­ienis­chen Wil­lens gewor­den, zum Schmied eines neuen Bewusst­seins, dessen Flamme sich an einem alten Feuer entzünde. „Glück­lich­es Ital­ien!“ rief Rilke aus, während er den Ideen der Frei­heit, der Human­ität und der Inter­na­tionale eine scharfe Absage erteilte. Sie seien nichts als Abstrak­tio­nen, an denen Europa beina­he zusam­menge­brochen wäre.

XII. Sonett (Aus: Die Sonette an Orpheus, Zweit­er Teil)
(1922 “Was Wol­fram Grod­deck in seinem Nach­wort zur Reclam-Aus­gabe als „Dilem­ma ein­er kri­tis­chen Lek­türe“ beze­ich­net, resul­tiert aus der Wider­ständigkeit des Textes, der sich ein­er ein­fachen Deu­tung ver­schließt.”)

Wolle die Wand­lung. O sei für die Flamme begeis­tert,
drin sich ein Ding dir entzieht, das mit Ver­wand­lun­gen prunkt;
jen­er entwer­fende Geist, welch­er das Irdis­che meis­tert,
liebt in dem Schwung der Fig­ur nichts wie den wen­den­den Punkt.

Was sich ins Bleiben ver­schließt, schon ists das Erstar­rte;
wäh­nt es sich sich­er im Schutz des unschein­baren Grau’s?
Warte, ein Härtestes warnt aus der Ferne das Harte.
Wehe -: abwe­sender Ham­mer holt aus!

Wer sich als Quelle ergießt, den erken­nt die Erken­nung;
und sie fuhrt ihn entzückt durch das heit­er Geschaffne,
das mit Anfang oft schließt und mit Ende begin­nt.

Jed­er glück­liche Raum ist Kind oder Enkel von Tren­nung,
den sie staunend durchgehn. Und die ver­wan­delte Daphne
will, seit sie lor­beern fühlt, daß du dich wan­delst in Wind.

dieses ding ist ganz wun­der­voll ver­dreht… ver­mut­lich müsste man(n) es wie ein ein pen­del-gedicht lesen. von hin­ten… und ver­suche durchzuzählen, wie oft rilke es ver­dreht… und ver­mut­lich würde es sich nicht entschei­den lassen, ob er jet­zt für oder gegen wan­del plädiert. ich ver­suche es zu lesen:

Wolle die Wand­lung. O sei für die Flamme begeis­tert,
drin sich ein Ding dir entzieht, das mit Ver­wand­lun­gen prunkt;

1 | dass jenes ding, welch­es mit ver­wand­lung prunkt, in flamme ste­ht: lass es zu. und noch mehr: sei begeis­tert! bloss keine fake-ver­wand­lung.

wolle die wand­lung. aber keine fake-wand­lung. lass die dinge, welche mit ver­wand­lung prunk­en durchs feuer gehen. mal guck­en, was davon bleiben wird. (so?)

jen­er entwer­fende Geist, welch­er das Irdis­che meis­tert,
liebt in dem Schwung der Fig­ur nichts wie den wen­den­den Punkt.

2 | der entwer­fende geist. der wille zur macht. welch­er sich gewaltig und gewalt­bere­it das irdis­che unter­wirft. dieser hor­ror liebt nichts so sehr, wie der wan­del. den wen­den­den punkt. (auch hier: wan­del als pseu­do­fig­ur, als ele­gan­tisierung von macht und gewalt.) wolle die wand­lung. aber eben… nicht diesen! (so?)

Was sich ins Bleiben ver­schließt, schon ists das Erstar­rte;
wäh­nt es sich sich­er im Schutz des unschein­baren Grau’s?

3 | in zürich diese zeilen gele­sen, erin­nert es an das bullinger grau. das zwingli grau. als ref­or­ma­tion daherk­om­mend, den schutz im kon­servieren­den grau suchen. bloss nicht auf­fall­en. bloss sich nicht unter­schei­den. bloss beschei­den tun. die beloh­nung kommt dann im him­mel. hie­nieden des schutz im grau suchen. schein­heiliges under­state­ment. arro­gante mach­t­ent­fal­tung. und etablieren.

Warte, ein Härtestes warnt aus der Ferne das Harte.
Wehe -: abwe­sender Ham­mer holt aus!

4 | aber so ein­fach ist es nicht. weh!weh!weh! www. die erin­nerung an die stim­men aus dem OFF.

Wer sich als Quelle ergießt, den erken­nt die Erken­nung;
und sie fuhrt ihn entzückt durch das heit­er Geschaffne,
das mit Anfang oft schließt und mit Ende begin­nt.

5 | die selb­stin­sze­nierung als quelle. jene, die so tun als ob. ein leicht zu durch­schauen­des spiel. das heit­er geschaf­fene, wird zurück­ge­fuhrt. (grossar­tig.) sie tun so, als wärs ein anfang. aber es ist das ende. wolle die wand­lung. aber nicht jene, die sie dir anpreisen! (so?)

Jed­er glück­liche Raum ist Kind oder Enkel von Tren­nung,
den sie staunend durchgehn. Und die ver­wan­delte Daphne
will, seit sie lor­beern fühlt, daß du dich wan­delst in Wind.

6 | kind oder enkel (ich also nicht. ich werde es nicht erleben. aber mein kind? oder gar erst mein enkel?) von tren­nung. es ist ein glück­lich­er raum. aber kein­er zum ver­weilen. logo: ich muss #medi­en­lǝsɥɔǝʍ hören… eine daphne ist ein­er pries­terin der mut­ter erde. ste­ht also für mehr als nur “men­sch”. son­dern für “men­sch auf erde”. seit aber gilt: “erde hat men­sch”… also… seit sie lor­beern fühlt: der lor­beerkranz ist zeichen von siegern. das römis­che reich. das 1000-jährige reich. die priestierin der mut­ter erde hat sich in ein siegeswilliges mon­ster ver­wan­delt, welche will, dass du dich wan­delst. wolle den wan­del.

wow… über­raschung… ich würde es also also eine war­nung inter­pretieren. so wie ich heute die wand­lung von bürg­erIn­nen in eine “ich ag” mit “gas” inter­pretiert habe…

wolle die wandlung, meint: sauge am süsslichen gas… (so?)

über die ele­gan­tisierung des ter­rors. der text von rilke meint also präzis das gegen­teil. guck hin: guck genau hin: sie düdeln von wand­lung. aber sie meinen dein ein­ver­ständ­nis zum unter­gang. (so!)

Spazier­gang
(1924 in Muzot)

Schon ist mein Blick am Hügel, dem beson­nten,
dem Wege, den ich kaum begann, voran.
So faßt uns das, was wir nicht fassen kon­nten,
voller Erschei­n­ung, aus der Ferne an —

und wan­delt uns, auch wenn wirs nicht erre­ichen,
in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind;
ein Zeichen weht, erwidernd unserm Zeichen …
Wir aber spüren nur den Gegen­wind.


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