Metatags: Dieser Eintrag wurde bei medium.com gemacht und hier zur Sicherung ins eigene Blog “gerettet”. Keine Weiteren Bearbeitungen.
TL;DR: NEUE MEDIEN ermöglichen der GESELLSCHAFT DER GESELLSCHAFT eine nächste Antwort auf DIE SOZIALE FRAGE.
[ Textsorte: Traum ] Am 24. Mai 2019 soll — mittels Video zugeschaltet — einer Gruppe von an Hochschulen für Soziale Arbeit tätigen Lehrpersonen, in 10 Minuten ein “geschichtlichen Abriss Sozialer Arbeit und Digitalisierung” gemacht werden. Offizieller Hashtag der Tagung: #sozialdigital.
Der aufreisserische Titel ist nicht von mir.
Ich bin hingerissen.
Und so werde ich es anreissen:
(Der Text wird nicht publiziert. Darm auch keine weiteren (recht- und richtigschreib Korrekturen. Es bleibt bei diesem Live-Blogging und dem mündlichen Vortrag — Es gilt das gesprochene Wort.)
Lieben Dank nach Luzern, Verehrte An- und Abwesende,
In 10 Minuten “Soziale Arbeit und Digitalisierung”: Es muss also nicht nur rasch gehen. Ich vermute ja, dass Alois Huber — typisch für ein Lösungsfokussiertes Setting — die zwei gemeinsamen Arbeitstage in einem Ressourcenzustand eröffnen will…
In WikiDienstag.ch erzähle ich immer wieder die Geschichte der Sozialen Arbeit als ”die Nachtseite” der “Vier Industriellen Revolutionen”. Die Erzählung der Industriellen Revolution ist ein aktuell sehr erfolgreiches Narrativ. Jedes Kind versteht seit hunderten von Jahren “das Märchen von der mechanischen Ente”. Und was die Kinder verstehen, das interessiert auch mich. Ich mag Theoriegedichte.
Der vorgetragene Text ist mit vielen Links im Tagungspadlet von Florian Zahorka verlinkt. Es geht los:
Spoiler — oder um es vorweg zu nehmen:
Der Vorschlag wird sein, die Zeichenkette Digitalisierung lediglich als Titel für die aktuelle, vierte Industrielle Revolution zu akzeptieren.
Die Zeichenkette Digital— unterschieden von der Zeichenkette Analog — haben wir von Paul Watzlawick definiert bekommen — im 4. Axiom. 1967. Digital bezeichnet dabei die Unterscheidung Entweder — Oder:
Ein bisschen schwanger geht nicht.
Und Analog ist — naja! — eben alles andere.
Diese Unterscheidung Digital:Analog hat in der Bio-Psycho-Sozialen Denkfigur — wie wir diese auch bei Silvia Staub-Bernasconi nutzen — einen festen Platz und macht dort einen praktischen Unterschied, einen Unterschied, welcher einen Unterschied macht. Darauf kann ich hier nicht eingehen. Aber — und darum geht es mir — ich brauche die Zeichenkette Digital. Aber eben: Für etwas ganz Anderes.
Um es kurz durchzuspielen — und damit vom Tisch zu haben:
- Soziale Arbeit kritisiert an “Digitalisierung” nicht, dass ganz viele Menschen mit ganz vielen Menschen in Austausch treten können.
Weltgesellschaft ist unser Ausgangspunkt. - Soziale Arbeit kritisiert an “Digitalisierung” nicht, dass Menschen und Gruppen von Menschen mit eigensinniger körperlicher und/oder psychischer und/oder sozialer Ausstattung gesellschaftlich inkludiert werden können. “Computervermittelte Kommunikation” bedeutet für Millionen von Menschen zunächst vor allem und insbesondere Inklusion. Menschen mit Neurodiversität bilden dabei ja bloss das Aushängeschild.
Inklusion ist zentralstes Anliegen professioneller Sozialer Arbeit. - Soziale Arbeit kritisiert an “Digitalisierung” nicht, dass Menschen und Gruppen von Menschen nicht mehr abhängig von Massen leitenden Medien sind und ihre ganz andere Sicht auf ihre ganz andere Lebenswelt selbstbestimmt darstellen können.
Die Herstellung von Gegenöffentlichkeit ist traditionelleste Praxis sozialräumlicher Interventionen, fragt Marianne Meinhold.
Und schliesslich: - Soziale Arbeit kritisiert an Digitalisierung nicht, dass jetzt Töne, Bilder, Dateien digital — und nicht mehr analog — durch Berge, Meere und Lüfte geweht werden. Das mag einen Unterschied machen für den Hauselektriker.
Das Kommunikationsmodell der Bio-Psycho-Sozialen Denkfigur unterscheidet zunächst nicht, wer oder was kommunziert.
Soziale Arbeit beobachtet Austauschprozesse von Menschen und Gruppen von Menschen und interveniert auf Grund bestimmter Kriterien in der Leitunterscheidung von Behinderungs- und Begrenzungmacht.
Digitalisierung
scheint aber ein durchaus möglicher Titel für die “Vierte Industrielle Revolution” zu sein.
Die zwei ersten industriellen Revolutionen wollen wir Mechanisierung und Maschinisierung nennen.
Die zwei letzten industriellen Revolutionen wollen wir Automatisierung und Digitalisierung nennen.
Es ist aber völlig egal, wie die “Industrielle Revolution” phasiert, bezeichnet und terminiert wird. Die Gemeinsamkeit aller wie auch immer modellierter Modelle besteht darin, dass es sich um einen Wandel handelt, welche vom Einfachen zum Schwierigen, vom Mechanischen zum Dynamischen, vom Kausalen zum Unprognostizierbaren, vom Deterministischen zum Systemischen, vom Beobachtbaren zum Vernetzen geht, oder wie auch immer es genannt werden will. Allgemeiner und spezifischer:
Es geht um den digitalen Unterschied von Kompliziertheit und Komplexität.
1738 zeichnete ein Spinner, Bastler und Tüftler das Bild einer mechanische Ente. Jedes Kind wusste damals — heute ist dass möglicherweise anders! — , dass eine Ente keine Bot, keine Maschine, ist.
Die Zeichnung aber wirkte als ganz konkretes Vor-Bild, wie gedacht, geplant, gehandelt werden muss. Und tatsächlich schaukelten schon bald motorisierte Geräte über die Strassen, tuckern bis heute eiserne Schiffe durch die Meere, grandiose Flugzeuge schweben durch die Lüfte. — Es hat funktioniert. Und wie!
Wenn wir heute — in der Vierten Industriellen Revolution — mit Softwareingenieuren reden und den Workflow — etwa jener der sozialräumlichen Intervention von #WikiDienstag — abgleichen, erzählen sie uns von ihrem Ententest. Und das tönt dann so, als würden Sozialarbeitende lösungsfokussierte Best-Practice austauschen:
- Repariere nicht, was funktioniert.
- Wenns funktioniert, mach mehr davon.
- Wenns nicht repariert werden kann, probier etwas anderes.
- Was hilft hilft.
- Der Lösung ist es egal, wie das Problem entstanden ist.
- Lösungen erkennst du am Verschwinden des Problems.
Und immer so weiter.
Wer heute Digitalisierung sagt, meint nur — und das ist nicht gerade wenig! — , dass der Ausgangspunkt von Unterscheiden, Beobachten und Handeln zwingend die Annahme von Komplexität ist. Und nicht Kompliziertheit.
Wenn letzte Woche die professionellen Informationsdistributöre berichteten, der amerikanische Präsident Trump hätte getwittert und jetzt drohe Krieg im Iran: Dann ärgern wir uns über dieses dramatische Komplexitätsdefizit und zappen weg.
“Unterkomplexität” ist zu einem breit akzeptiertes Schimpfwort geworden.
Kein Mensch, keine Organsiation, keine Institution kann diesen Vorwurf auf sich sitzen lassen.
So wie früher Technologiedefizit ein Schimpfwort war und uns Sozialarbeitende in schlaflose Nächte getrieben hat. Noch 2004 hat Hiltrud von Spiegel das Technologiedefizit Sozialer Arbeit beschrieben und im sensationellen Kapitel 1.2.3 auch gleich — 1, 2, 3 — erklärt, was der Unterschied ist, wenn Soziale Arbeit die eigenen Konstruktionen expliziert:
Soziale Arbeit beschreibt nicht was ist.
Bloss weil auch wir Soziale Verhältnisse beschreiben, beschreiben wir diese nicht wie die Ingenieure eine mechanische Dampfmaschine in ihrem Schnauben und Stampfen. Wenn wir Wirklichkeit, Realität, Wahrheit beobachten, tun wir es, im Prozess der Explizierung des Impliziten. Damit stellen wir Transparenz her:
- So wirkt dieses Wir in meinem Ich.
- So beobachte ich, was Realisiert wird.
- Das ist meine Für Wahr Nehmung.
Das ermöglicht Kritik, Feedbacks, methodische und berufsethische Reflexionen. Das erfüllt durchaus wissenschaftliche Ansprüche. Und das machen wir nicht erst seit diesem Weh!Weh!Weh! so. Sondern seit 500 und ganz locker zeigbar, seit 200 Jahren. Wir gestalten Prozesse:
“Social work is a practice-based profession and an academic discipline that promotes social change and development, social cohesion, and the empowerment and liberation of people”,
sagt die Internationale Definition von Sozialarbeit.
Der Charme dieser Erzählung liegt nun also darin, dass wir mit der Erzählung der “Vier industriellen Revolutionen” eine gegenläufige Position zeigen können:
- Es waren Ingenieure — meist Männer! — welche sich die Welt als eine grosse Maschine vorgestellt haben.
- Es waren Arbeitende am Sozialen — meist Frauen! — welche sich die Welt als eine prozessual-systemisches Geflecht in Austauschverhältnissen vorgestellt haben.
Nicht nur Silvia Staub-Bernasconi hat uns viele Biografien theoriemachender Frauen aufgearbeitet. Unter der Schirmfrauschaft von Ilse Arlt stehen wir ja auch gewissermassen in dieser Tagung. Jane Addams. Die Hervorragend von aktuellster Managementtheorie referenzierte Mary Parker Follett. Ich hätte auch noch gerne Ada Lovelance dazugenommen. Und immer so weiter.
Wir in Zürich wollen mindestens noch die viel frühre Katharina von Zimmern erwähnt haben. Sie darf als die Begründerin Professioneller Sozialer Arbeit in unserer Stadt gesehen werden. Am 8. Dezember 1524 — vor genau 495 Jahren — wohl nach einer Messe zu Mariä Empfängnis.
Wer Digitalisierung sagt, meint: Wir gehen ab jetzt von Komplexität aus.
Das tut Beruf, Profession, Disziplin Sozialer Arbeit, seit es Beruf, Profession, Disziplin Sozialer Arbeit gibt. Und es haben sich dazu auch Konzepte bewährt:
Es geht darum, Abschied von der Bescheidenheit zu nehmen.
Soziale Arbeit ist Arbeit am Sozialen.
- Und nicht an Körpern.
- Und nicht an Psychen.
Und was ist das Soziale, wenn also nicht Körper und nicht Psyche?
— Ja! Eben: Kommunikation. Genau das meinte Paul Watzlawick, wie er 1967 in seinem 1. Axiom verlangte:
“Du kannst nicht nicht kommunizieren.”
Zusammen mit Tina Piazzi haben wir im Sammelband von Alois Huber und Roland Fürst die drei ersten Axiome von Paul Watzlawick 50 Jahre später als seinen radikalen Ausgangspunkt von Komplexität mit den Axiomen der Bio-Psycho-Sozialen Denkfigur abgeglichen und reformuliert:
- Axiom: Du kannst nicht nicht unterscheiden.
- Axiom: Du kannst nicht nicht beobachten.
- Axiom: Du kannst nicht nicht handeln.
Jetzt kann auffallen, dass dieser Wandel des dominanten Weltzugangs von Kompliziertheit, zum dominanten Weltzugang von Komplexität mit einem Medienwechsel zusammenfällt:
Wir akzeptieren in dieser Vorstellung vier Medien: Sprache, Schrift, Buchdruck und Computer und identifizieren die “Vierte Industrielle Revolution” mit dem Abschluss des Medienwechsels “vom Buchdruck zum Computer”. Jetzt geht es anders weiter.
NEUE MEDIEN ermöglichten vor 500 Jahren der Gesellschaft der Gesellschaft eine nächste Antwort auf “Die Soziale Frage”.
#ZwingliFilm erzählt es aktuell in den Schweizer Kinos. Welche Antworten heute erfunden werden, das entscheidet sich in diesen Tagen.
Die Sozialarbeiterin Katharina von Zimmern spielte damals eine sehr entscheidende Rolle in der Stadt Zürich.
Und was hat Soziale Arbeit — verstanden als eine Gerechtigkeits- & Fürsorglichkeitspraxis — aus dem Fundes der theoriemachenden Frauen für die Bewältigung der aktuellen, globalen Krisen
- der Ökologischen Krise
- der Ökonomischen Krise
- der Kommunikativen Krise
teilzugeben?
In der sozialräumlichen Intervention WikiDienstag.ch nutzen wir die Erfahrungen und Praxis von Wikipedia (2001–2008) und Wikidata (seit 2012) und beschreiben dort, wie Millionen von Menschen seit 18 Jahren — über 300 Sprachkulturen hinweg — für sich selbst eine gänzliche andere Art und Weise der Kollaboration und Kooperation in Anspruch nehmen.
Wir gehen dabei — das thematisiert der erste von vier Polsprüngen — gänzlich anders mit “Zeit&Raum” um:
Für Wikipedia ist das “Hier&Jetzt” nur eine Variante. Wichtig, zentral, dominant ist das “Immer&Überall”.
Die theoriemachenden Frauen haben für die dualen Ausbildungslehrgänge Sozialer Arbeit schon immer das volle Spektrum von “Hier&Irgendwo” und “Jetzt&Irgendwann” ausgenutzt haben. Vielleicht kann dazu später Tina Piazzi — mir ihr zusammen haben wir ja die zwei Bände “Die Form der Unruhe” 2009/2010 entwickelt— noch anderes teilgeben…
Alois, zurück nach Luzern: War es das, was ich habe erzählen sollen? Ist das ein Ansatz, an welchem angesetzt werden kann?
/sms ;-)
#dfdu AG — Konstellatorische Kommunikation| WikiDienstag.ch
Das Tagungsprogramm:
Während der Tagung:
Die erste Tagung in dieser Serie:
Lernen und Lehren auf der Höhe der Zeit:
Ausgewählte Notizen aus dem mit Bots kollaborativ gepflegten Zettelkasten, aus welchem sich der weitere Text oben am generieren ist…
(…)
https://twitter.com/metamythos/status/1198874427737411584?s=19 enten zeichnen
Stefan m. Seydel/sms ;-)
(*1965), M.A., Studium der Sozialen Arbeit in St. Gallen und Berlin. Unternehmer, Autor, Künstler.
Ausstellungen und Performances in der Royal Academy of Arts in London (Frieze/Swiss Cultural Fund UK), im Deutsches Historisches Museum Berlin (Kuration Bazon Brock), in der Crypta Cabaret Voltaire Zürich (Kuration Philipp Meier) uam. Gewinner Migros Jubilée Award, Kategorie Wissensvermittlung. Diverse Ehrungen mit rocketboom.com durch Webby Award (2006–2009). Jury-Mitglied “Next Idea” Prix Ars Electronica 2010. Bis 2010 Macher von rebell.tv. Co-Autor von “Die Form der Unruhe“, Umgang mit Information auf der Höhe der Zeit, Band 1 und 2, Junius Verlag Hamburg. Mitglied im P.E.N.-Club Liechtenstein. Er war drei Jahre Mitglied der Schulleitung Gymnasium Kloster Disentis. Seit Sommer 2014 lebt und arbeitet er in Zürich: #dfdu.org AG, Konstellatorische Kommunikation. (Entwicklung von Pilot und Impulsprojekten, gegründet 1997 mit Tina Piazzi)
0 Kommentare für “In 500 Jahren von der mechanischen Ente zum Ententest — #Digitalisierung: Die Definition. #SozialDigital”
Comments are closed.