WOZU SOZIALARBEIT?

Textsorte: (1) Traum
Arbeits­form: Doku­men­ta­tion, Lis­ten­bil­dung, Work in Progress
Anlass: Dieser Beruf, diese Pro­fes­sion, diese Diszi­plin ärg­ert mich. Und es bleibt mir doch immer wieder die auf- und anre­gen­ste Ref­erenz in meinem Denken.
TL;DR: (…)
Bildquelle: (…)
URL/Hashtag: #Tripel­man­dat

Aus aktuellem Anlass, arbeite ich in diesem Ein­trag am The­ma weit­er:


Seit 30 Jahren — 1990 habe ich das abgeschlossen, was wir heute eine Bach­e­lor-Aus­bil­dung nen­nen wür­den — beschäftige ich mich mit dieser Frage. Kann ich sie beant­worten? — Ein Freis­chrieb, zwei Tage nach dieser Begeg­nung:

44 Per­spek­tiv­en auf das Feld Sozialer Arbeit. Ein zweit­er Band ist in Arbeit. beltz.de | Ich bezeiehe mich gerne auf C. Wolf­gang Müller: Wie Helfen zum Beruf wurde. Im gle­ichen Ver­lag. Vor 20 Jahren habe ich dem Ver­lag einen Nach­fol­ge­band vorgeschla­gen: “Wie Helfen zum Kom­merz wurde.” Dieser ist freilich nie erschienen und der Schweiz­erische Berufsver­band hat mich damals… Ach… und heute… ufff… Kurzum: Das wäre eine andere Geschichte ;-)

WORK IN PROGRESS


WOZU SOZIALARBEIT?

Soziale Arbeit ist Arbeit am Sozialen.
Nicht an Kör­pern.
Nicht an Psy­chen.
- Auch nicht an Cyber. (Aber das wäre ein anderes The­ma.)

Das attrak­tive an der fach­lichen Per­spek­tive von Sozialar­beit ist, dass aus Grün­den des Prob­lemge­gen­standes — “Irgen­det­was mit Grup­pen von Men­schen” — von ein­er prozes­su­al-sys­temisch-dynamis­chen Annahme aus­ge­gan­gen wer­den muss. MUSS. Weil:

- Men­schen sind nicht bieg­bar wie Eisen.
- Nicht so flach mach­bar wie Glas.
- Nicht so wider­stand­los giess­bar wie Beton.

Diese ganz andere Herange­hensweise an Her­aus­forderun­gen von Sozialer Arbeit ist dom­i­nant gewor­den. Sie nen­nt sich beispiel­sweise “Agil” und macht sich lächer­lich über tech­noide “Wasser­fall­pro­jek­te”. (Das ist lächer­lich, aber nachvol­lziehbar.)

Unsere #Kul­tur­form — die west­liche, die demokratis­che, die mod­erne; mir sind die Namen in diesem Moment ein­er­lei — kommt aus ein­er Jahrhun­derte alten Dom­i­nanz drama­tisch erfol­gre­ich­er lin­ear-kausal-deter­min­is­tis­ch­er Prax­is. Wer sich aus ein­er Dom­i­nanz lösen will, reagiert über. (Das ist lächer­lich, aber nachvol­lziehbar.)

Die seit 500 Jahren mass­ge­blich von Frauen geprägte Soziale Arbeit — für uns in der Schweiz ist die mächtige Äbtissin Katha­ri­na von Zim­mern die entschei­dende Ref­erenz. Der 8. Dezem­ber 1524, um genau zu sein. Sie hat zum Hochfest Mar­iä Empfäng­nis, ihre Macht in die Hände der Stadtver­wal­tung von Zürich gelegt. Mit der Auflage, es sei ab jet­zt staatlich zwangs­fi­nanzierte Soziale Arbeit zu leis­ten. (So?)

Seit­ens der Män­ner kon­nte diesen mildtäti­gen Frauen stets ein stolzes “Tech­nolo­giede­fiz­it” unter­stellt wer­den: Die Män­ner schossen Raketen auf den Mond, durch­bohrten die Berge bis diese im Ausse­hen Schweiz­er Käse glichen, waren in der Lage die ganze Welt in ihren atom­aren Teilchen zu zer­legen oder — um die Gegen­wart zu eilen — das men­schliche Genom nach Lust und Busi­ness­plan zu manip­ulieren. Und die eige­nen Frauen dieser gross­er Mach­er? Sie waren den ganzen Tag um die Kinder, Waisen, Krüp­pel und Säufer und doch kaum in der Lage eine zuver­läs­sige Prog­nose zu stellen, wie sich diese meist stören­den, nut­zlosen, ten­den­ziell über­flüs­si­gen Objek­te am näch­sten Tage ver­hal­ten wür­den. (So?)

Allerd­ings: Je weit­er “Die Indus­trielle Rev­o­lu­tion” voran­schritt — über Mech­a­nisierung, Mas­chin­isierung, Automa­tisierung, Dig­i­tal­isierung — wurde deut­lich, dass stur mech­a­nis­che Analy­sen von Prob­lem­si­t­u­a­tio­nen drastis­ch­er Abnahme von “Effizienz & Effek­tiv­ität” lei­dete. Heute ist für Flip-Flop und hippe Bärte tra­gen­den Soft­ware pro­gram­mierende zum All­t­ag gewor­den, was für jede Land­frau selb­stver­ständlich ist:

“Wenn Gemüse oder Früchte eingeweckt wer­den, ist es sin­nvoll, zu arbeit­en wie die Inge­nieure: Zuerst Einzu­machen­des ins Glas schüt­ten. Dann Deck­el zuschrauben. Nicht umgekehrt. Keine Exper­i­mente. Null Kreativ­ität in diesem Moment. Wenn es aber darum geht, inner­halb der “göt­tlichen Ord­nung” ihrem Kuh­melk­er und Geis­senhirten beizubrin­gen, wofür er sich an der näch­sten Lands­ge­meinde (der direk­ten Demokratie) schön her­aus­geputzt und frisch gewaschen einzuset­zen hat, wen­det sie ganz agil fan­tasievollere Meth­o­d­en an.” (dissent.is/nzz-wikidata)

Mit anderen Worten: Die von Frauen geprägte, The­o­rie und Prax­is eng ver­schränk­ende, hand­lungswis­senschaftliche Per­spek­tive Soziale Arbeit erscheint nun plöt­zlich als “Ear­ly Adopter” in der Art und Weise der Bewäl­ti­gung aktueller Her­aus­forderun­gen.

Mit anderen Worten: In der His­to­rie von Sozialar­beit kann unschw­er gezeigt wer­den, dass Helfen schon immer die Zer­falls­form von Sozialer Arbeit war. Und: Die Zukun­ft von Sozialer Arbeit ist ganz sich­er nicht helfen.

- Helfen kon­nte zu einem Beruf wer­den.
- Helfen kon­nte zu Kom­merz wer­den.
- Die Pro­fes­sion­al­isierunggeschichte Sozialer Arbeit wie es C. Wolf­gang Müller nachze­ich­nete, bringt das Grauen dieser Entwick­lung zur Darstel­lung.

Unter totalk­a­p­i­tal­is­tis­chen Bedin­gun­gen wäre es nahe­liegend, dass einem jeden einzel­nen Kör­p­er Geld zuge­sprochen würde. So, dass eingekauft wer­den kön­nte, was den Einzel­nen als sin­nvoll, angemessen, angepasst erschiene. Ob die Abge­hen­den von Hochschulen der Sozialen Arbeit dann noch die eingekauften Dien­stleis­ten­den wäre, sei dahingestellt.

Aktuell ist es umgekehrt: Pro­fes­sionelle Soziale Arbeit ermöglicht, dass DIE WÜRDE DES MENSCHEN ver­let­zt wird. Kinder wer­den einges­per­rt. Alte wer­den ihren Lieb­sten in ihren let­zten Wochen ihres Lebens beraubt. (Um bloss zwei Adres­saten­grup­pen zu benen­nen, welche poli­tisch unverdächtig skan­dal­isiert wer­den kön­nen.)

Die Kuhzunft der Sozialen Arbeit

Kein Berufsver­band, keine Fach­hochschule, keine Uni­ver­sität ste­ht auf der Bar­rikade und tut, was die Glob­ale Def­i­n­i­tion Sozialer Arbeit ver­spricht:

“Social work is a prac­tice-based pro­fes­sion and an aca­d­e­m­ic dis­ci­pline that pro­motes social change and devel­op­ment, social cohe­sion, and the empow­er­ment and lib­er­a­tion of peo­ple. Prin­ci­ples of social jus­tice, human rights, col­lec­tive respon­si­bil­i­ty and respect for diver­si­ties are cen­tral to social work.  Under­pinned by the­o­ries of social work, social sci­ences, human­i­ties and indige­nous knowl­edge, social worken­gages peo­ple and struc­tures to address life chal­lenges and enhance well­be­ing. The above def­i­n­i­tion may be ampli­fied at nation­al and/or region­al lev­els.”

Pro­fes­sionelle Soziale Arbeit hat HILFE ZUR SELBSTHILFE zum Ziel. Nicht Helfen. Kri­teri­um für gute Soziale Arbeit ist, dass diese nach ein­er Inter­ven­tion nicht mehr nötig ist. Wir nen­nen es #Empow­er­ment. Wenn diese Ide­ale hyper­ven­tiliert wer­den und dabei fotografiert wer­den kann, dass sich das Gegen­teil real­isiert, haben wir es mit klas­sis­ch­er #Sozialar­beit­sheuchelei zu schaf­fen.

Pro­fes­sionelle Soziale Arbeit wollte noch gar nie Men­schen helfen. Son­dern Grup­pen von Men­schen. Selb­st mut­tersee­len alleine vor Kriegen und Hunger­snöte fliehende Kinder sind nicht “allein”. Pro­fes­sionelle Sozialer Arbeit hil­ft solchen Kindern nicht “als einzelne Kör­p­er”. Ganz im Gegen­teil. Das sind fach­liche Banal­itäten. Allein, dass solch­es in Erin­nerung gerufen wer­den muss, zeigt: DIE GEDANKEN SIND BREI.

Pro­fes­sionelle Soziale Arbeit denkt tra­di­tionell “von unten her”, wie es Gilles Deleuze ein­prägsam über die Postal­is­che Adresse illus­tri­ert:

Pro­fes­sionelle Soziale Arbeit denkt tra­di­tionell aus der Kom­plex­ität von #Welt­ge­sellschaft her­aus: “Glob­al denken — Lokal han­deln.”


(…)

Es ist schw­er, einen Gedanken zu fassen…

weiss grad auch nicht, worauf hin ich den text aus­richt­en sol­ll… darum:

Im Namen des Ärg­ers, der Wut und des heili­gen Zorns — gehet hin in #Unruhe ;-)


(…)

(…)

Ganz egal, ob es im kollek­tiv­en Bewusst­sein der mod­er­nen Gesellschaft expliz­it ist: Offen­sichtlich han­delt es sich um eine Kom­ple­men­tar­ität von mech­a­nis­chen und dynamis­chen Prozessen. Der Beobach­t­ende entschei­det, was gese­hen wird: Teilchen oder Wellen. Mit Nullen und Ein­sen ist nach­baubar, was das elix­i­er der mod­er­nen Gesellschaft aus­machte. Daran gibt es auch kaum etwas Geheimnisvolles zu ent­deck­en. Die weni­gen men­schlichen Sinne “funk­tion­ieren” in dieser Beschrei­bung der mod­er­nen Gesellschaft alle gle­ich:

  1. Unter­schei­den
  2. Beobacht­en
  3. Han­deln

Ohne Unter­schei­dung ist nicht alles Gle­ich, son­dern umstand­los nicht. Egal ob das Auge oder das Ohr oder die Erin­nerung als Sin­nesor­gan Sinn macht. Wenn aber Unter­schieden wird, kommt dies einem Unter­schied gle­ich, welch­er ein Unter­schied macht und auf welchen nicht nicht reagiert wer­den kann.

Du kannst nicht nicht unter­schei­den.
Du kannst nicht nicht beobacht­en.
Du kannst nicht nicht han­deln.

Alles fliesst.

Die Leitun­ter­schei­dung der Mod­er­nen Gesellschaft, war die Frage nach dem Warum? Und die Analyse des gestell­ten Prob­lems, pro­duzierte Antworten: Fak­ten. Fak­ten. Fak­ten.

(…)

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(…)

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(…)


Wenn dich dieses Thema interessiert, interessiert dich auch…

Wenn du es bevorzugst, abgeschlossene Publikationen zu lesen und nicht beim denken zugucken magst, interessiert dich vielleicht:

Ste­fan M. Sey­del, aka sms, aka sms2sms in «Zürcher Fest­spiel 1901″ (2019, Foto­cre­d­it: Charles Schny­der): Twit­terWikipediaYoutube (aktuell), Sound­cloudInsta­gramSnapchatTik­TokTwitch

Stefan M. Seydel/sms ;-)

(*1965), M.A., Studi­um der Sozialen Arbeit in St. Gallen und Berlin. Unternehmer, Sozialar­beit­er, Kün­stler.

Ausstel­lun­gen und Per­for­mances in der Roy­al Acad­e­my of Arts in Lon­don (Frieze/Swiss Cul­tur­al Fund UK), im Deutsches His­torisches Muse­um Berlin (Kura­tion Bazon Brock), in der Cryp­ta Cabaret Voltaire Zürich (Kura­tion Philipp Meier) uam. Gewin­ner Migros Jubilée Award, Kat­e­gorie Wis­sensver­mit­tlung. Diverse Ehrun­gen mit rocketboom.com durch Web­by Award (2006–2009). Jury-Mit­glied “Next Idea” Prix Ars Elec­tron­i­ca 2010. Pen­delte bis 2010 als Mach­er von rebell.tv zwölf Jahre zwis­chen Bodensee und Berlin. Co-Autor von “Die Form der Unruhe“, Umgang mit Infor­ma­tion auf der Höhe der Zeit, Band 1 und 2, Junius Ver­lag Ham­burg. Ruhen­des Mit­glied im P.E.N.-Club Liecht­en­stein. Er war drei Jahre Mit­glied der Schulleitung Gym­na­si­um Kloster Dis­en­tis. Seit Ende 2018 entwick­elte er in Zürich-Hot­tin­gen in vie­len Live-Streams – u.a. in Zusam­me­nar­beit mit Sta­tis­tik Stadt Zürich und Wiki­me­dia Schweiz – den Work­flow WikiDienstag.ch, pub­lizierte während der Coro­na-Krise in der NZZ einen Text über Wikipedia, ini­ti­ierte das #PaulWat­zlaw­ick-Fes­ti­val 2020 mit und schreibt aktuell an: #DataL­it­er­a­cy – Ele­mente ein­er Kul­tur­form der Dig­i­tal­isierung im Carl Auer Ver­lag, Hei­del­berg. Im Juli 2020 kehrt er mit seinem 1997 gegrün­de­ten Unternehmen (Spin-Off mit Aufträ­gen der FH St. Gallen, Gesund­heits­di­rek­tion Kan­ton St. Gallen, Bun­de­samt für Gesund­heit (BAG) und der EU aus ein­er Anstel­lung als Leit­er Impuls- und Pilot­in­ter­ven­tio­nen für die Aids-Hil­fe St. Gallen/Appenzell) zurück nach Dissent.is/Muster, mit­ten in die Schweiz­er Alpen.


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