#FaktenFasten | “Fakten ist das neue Fasten” | @nzz

Textsorte: (1) Traum
Arbeits­form: Work in Progress | 10. juni 2021 | nach­trag am 7. juni 2021
Anlass: Pro­duk­tion 2. Serie von 3 Ele­mente ein­er Näch­sten #Kul­tur­form im Carl Auer Ver­lag, Hei­del­berg | Thread
TL;DR: (…)
Bildquelle: (…)
URL/Hashtag: dissent.is/FaktenFasten / #Fak­ten­Fas­ten

“Fakten ist das neue Fasten”

(unredigierte Abschrift ein­er Ton­spur)

Jeanne van Eiken Das ist typ­isch für eine Skan­da­likone…
Ste­fan M. Sey­del … Ich bin keine Skan­da­likone…

JvE … Das behauptet aber das Mag­a­zin Arch+
sms …auch das stimmt nicht ganz.…

…Was ich fra­gen wollte: Sie propagieren in einem zweit­en Text für die Neue Zürcher Zeitung #Fak­ten­Fas­ten. Das sehen Sie selb­st aber schon auch als ein Ver­such, einen Skan­dal vom Zaun zu reis­sen. Ja?
“Vom Zaun reis­sen” ist gut.” Das passt auch zu Arch+ (zitiert feier­lich:)

Es war ein­mal ein Lat­ten­za­un,
mit Zwis­chen­raum, hin­durchzuschaun.

Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plöt­zlich da —

und nahm den Zwis­chen­raum her­aus
und baute draus ein großes Haus.

Der Zaun indessen stand ganz dumm,
mit Lat­ten ohne was herum.

Ein Anblick gräßlich und gemein.
Drum zog ihn der Sen­at auch ein.

Der Architekt jedoch ent­floh
nach Afri — od — Ameriko.

- Sie stellen sich also mein #Fak­ten­Fas­ten so vor? Wie es sich Chris­t­ian Mor­gen­stern 1905 vorgestellt hat? (so?)

WORK IN PROGRESS

Darf ein glühen­der Fan von Rudold Stein­er heute noch zitiert wer­den? Sie sind ein “Gefährder” (lacht)
Das ist nicht zum lachen. Am Woch­enende wird das Stim­mvolk der Schweiz… ach… Was ist Ihre Frage?

Wie sind sie jet­zt auf dieses Gedicht gekom­men?
Ihr Sprach­bild: “Einen Skan­dal vom Zaun reis­sen.” Den Zwis­chen­raum — die Luft drum herum, den Kon­text — zu nutzen, um daraus etwas Sta­biles, Gross­es, Wirkungsmächtiges zu bauen…

Ich ver­ste­he. Fak­ten sehen Sie als “die Zwis­chen­räume vom Lat­ten­za­un”?
Klar.

Aber was wäre dann in diesem Sprach­bild der Zaun?
(verärg­ert) Das ist doch keine Break­ing News! Hal­lo? Natür­lich der Work­flow, der Prozess, das Ver­fahren, wie Men­schen Wis­sen schaf­fen…

Das sähe Wis­senschft anders…
Sie (stot­ternd) veR­w­er­ch­seLn (lacht) — dieses Spiel funk­tion­iert nur in ver­schriftlichter Sprache, wo war ich? Ahja: — Sie ver­wech­seln Wis­senschaft mit boule­vardesker Wis­senschaftsver­mit­tlung. (so?)

Sie bestre­it­en, dass es Fak­ten gibt?
#OMG. Gle­ich fra­gen Sie mich, ob ich bestre­ite, dass es Viren gibt…

Soll ich das Fra­gen?
Das dür­fen Sie gerne. Aber lassen Sie sich dabei bitte anmerken, dass Sie wis­sen, dass “Sollen” und “Dür­fen” Moral-Ver­ben sind.

Gibt es Viren?
Ufff.… (pause) Im Ernst jet­zt?

Klar.
Keine Ahnung. Ich bin Sozialar­beit­er. Ich arbeite am Sozialen. Nicht an Viren. Son­st hiesse mein Beruf ja Vire­nar­beit­er. (lacht)

Aber ich habe mit­bekom­men, dass wenn die Exper­tenden jenes Fachs in ihrer #Fil­ter­bub­ble miteinan­der sprechen, dann stellen sich diese ihren eige­nen Prob­lemge­gen­stand nicht als “kleine rote Mon­ster” vor, mit arro­gan­ten Krönchen auf dem Kopf, welche aggres­siv grin­send durch die Gegend ren­nen und hin­ter­hältig mor­den…

Will sagen: Wenn #Viren­Lügn­er gefun­den wer­den woll­ten, dann wären diese in der vor­mals als “harten Wis­senschaften” benan­nten Blasen, Sphären, Schäu­men unschw­er zu find­en: In den “Asozialen Medi­en” der uni­ver­sitären Bib­lio­thek. Aber es wird ja in den “Sozialen Medi­en” herumge­fis­cht und dort find­est du bekan­ntlich leicht, was du suchst. (lacht lange und laut)

Meine Beruf, meine Pro­fes­sion, meine Diszi­plin der Sozialen Arbeit, muss die Frage ob es Viren gibt oder nicht gibt, in keinem Moment dig­i­tal beant­worten. Die Frage taucht nicht ein­mal als Frage in meinem Fachge­bi­et auf. Null. Nix. Nie.

dig­i­tal?
Ein­deutig. Entwed­er — Oder. #PaulWat­zlaw­ick. 4. Axiom. 1967. Ein EarlyAdopter der Verän­derung “Men­schlich­er Kom­mu­nika­tion” unter den Bedin­gun­gen von mitkom­mun­zieren­den Com­put­er. Aber das wäre ein anderes The­ma. (lacht)

Die Frage ob es Viren gibt — ja/nein: Hosen­runter! Gib laut! Sei kein feiger Auswe­ich­ler! — ist inhaltlich­er Bull­shit:
- Jene, welche es auf Grund ihres Fach­wis­sens beant­worten kön­nen, geben eine extrem dif­feren­zierte Antwort, im Sinne von: “Es kommt darauf an…”
- Jene, welche es auf Grund ihres Fach­wis­sens nicht beant­worten kön­nen, gehe ich gar nicht erst fra­gen. Aus Grün­den.

Aber dass mit dieser Frage ein “Glaubens­beken­nt­nis” erzwun­gen wer­den kann und wer die falsche Antwort gibt — oder bloss schon zögert, die gewün­scht Antwort auszukotzen — DAS ist für mich als Sozialar­beit­er höchst rel­e­vant und macht mich — wie sie merken — unge­hal­ten wütend.

Was gelingt dieser Moral­isierung?
Eine tolle Frage. Irri­tieren­der scheint mir vorgängig, dass dieser sim­ple Umstand, dass — wie ein Hase aus einem Zauber­hut — eine spezial­isierte Spaziald­iszi­plin aus den Zwis­chen­räu­men von Biolo­gie, Physik und Chemie — aus Mikro­bi­olo­gie, Virolo­gie und Infek­tion­sepi­demi­olo­gie — urplöt­zlich unhin­ter­frag­bar in die Posi­tion gestellt wird, als wäre diese Diszi­plin die einzige, welche wis­senschaftliche, harte, trans­par­ent und nachvol­lziehbare, über­prüf­bare Fak­ten zu schaf­fen ver­mag, welche Men­schen zu diszi­plin­ieren ver­mö­gen.

Wie meinen Sie das?
Am 8. Juni wurde ich von einem Sozial­wis­senschafter, welch­er sich selb­st als Skep­tik­er ver­ste­ht, in einem Feed­log von WikiDienstag.ch moralisch gezwun­gen die Frage dig­i­tal zu beant­worten, ob Masken wirken?

Was haben Sie geant­wortet?
Keine Frage: Masken wirken. Abso­lut drama­tisch wirken die. Na klar!

Ich erzählte ihm von meinem 90-jähri­gen Müt­terchen, welche seit 1,5 Jahren von einem hin­ter Masken ver­steck­ten Pflegeper­son­al als Insassin inhaftiert wird. Meine hörgeschwächte Mut­ter ist aber auf Mimik und Gestik des Gesichts angewiesen, um sich ver­ständi­gen zu kön­nen. Die Wirkung von Masken? Sen­sa­tionell.

Der Sozial­wis­senschafter akzep­tierte diese Antwort nicht.
Er hat­te den Ein­druck, dass ich auswe­iche, wie ich ihm weit­ere Beispiele von Kinder erzählte. Ein Kind hin­ter ein­er Maske hat ja ganz offen sicht­bar akzep­tiert, dass es selb­st dieses fiese rote Mon­ster ist, welch­es seine Grossel­tern mordet, wenn es sich nicht die Hände wäscht nach dem Spiel im Sand­kas­ten…

Aber das sagt so ja auch nie­mand…
Sie ver­bre­it­en #Fak­e­News. Selb­stver­ständlich wird das gesagt. Ganz genau so. Das Bun­desmin­is­teri­um in Berlin BMI ver­linkt dieses “Strate­gie-Papi­er” um Coro­na unter Kon­trolle zu brin­gen bis zum heuti­gen Tag auf ihrer Home­page. Seit April 2020. Apro­pos Skan­dal. Arch+ sieht mich als Skan­da­likone? Da hätte ich andere Ideen. (lacht und intoniert:) «you don’t need a #weath­er­men to know which way the wind blowsBob Dylan. im Jahr mein­er Geburt. 1965.

Der Sozial­wis­senschafter akzep­tierte jeden­falls ihre Antwort nicht…
Das ist der Punkt: “Die Fak­ten” der Diszi­plin Soziale Arbeit, bedeuten nichts. Die Fak­ten von gewis­sen Virolo­gen alles. Das ist nicht nur Quatsch. Das ist viel, viel mehr… (Pause) Das ist eine ganz andere Qual­ität von Verquir­rlung… (Pause) Und dies dann noch immer unter der Keule der Fak­tiz­ität “ver­mit­telt”… Das ärg­ert mich. Was soll ich anderes sagen? Es ärg­ert mich.

Wie gelingt diese Verquir­rlung?
Ja. Genau… Eben: Durch Moral­isierung, ja?

Ich weisse es nicht. Ich frage Sie.
(sin­niert) Ich habe keine Ahnung. (Pause)

Fak­ten ref­eren­zieren auf Ratio­nal­ität…
Noch so ein Nar­ra­tiv, was die Nar­ren der Mod­er­nen Gesellschaft so erfol­gre­ich genar­rt haben. Ja. Das kön­nte ein Über­gang sein…

Ein Über­gang? Was ist auf der anderen Seite unser depres­siv­en Ver­stim­mung in diesem Gesprächsver­lauf? (lacht)
Die Beobach­tung, wie ein heiliges Ver­sprechen, was schon immer höchst prekär war und aus unter­schiedlich­sten Per­spek­tiv­en kri­tisiert wurde, zum Ver­schwinden gebracht wer­den kon­nte.

Woran denken Sie?
An das unter Trä­nen in ein­er Ewigkeit­sklausel ver­siegelte Ver­sprechen: “Die Würde des Men­schen ist unan­tas­bar.” Zum Beispiel. An Grun­drechte. An Men­schen­rechte. An Natur­recht. An…

... ich ver­ste­he…
…ich ver­ste­he es nicht… (pause)

Sie ver­suchen zu skan­dal­isieren, dass geset­zlich ver­ankerte moralis­che, ethis­che, human­is­tis­che, demokratis­che — oder wie auch immer diese höch­sten oder tra­gen­sten Werte aufgerufen wer­den, plöt­zlich gän­zlich anders inter­pretiert wer­den, plöt­zlich über­haupt inter­pretiert wer­den müssen und, dass diese drama­tis­che Verän­derung nicht mehr the­ma­tisier­bar scheint, nicht ein­mal mehr bei jene, welche vor 2 Jahren noch inbrün­stig diese Werte Gebetsmüh­le­nar­tig repetierten…
Wow. — Ok… Ja. — Danke.

Es ging ja dann die Rede — im Mai 2021 ging das los? — von der “Rück­gabe der Priv­iliegen” an die gene­se­nen, die getesteten, die geimpften.

Die 5G-Men­schen…
…und selb­st jene, welche sich über solch­es nervten, kop­pel­ten die Grun­drechte an Bedin­gun­gen und nan­nten es “irgend­was mit lib­er­al”…

Aber in realen Gefahren­si­t­u­a­tio­nen, sind vorüberge­hende Ein­schränkun­gen von Grun­drecht­en ja nicht grund­sät­zlich ein Prob­lem. Oder?
Mit Last­wa­gen kann in eine Men­schen­menge gefahren wer­den. Ob dieser Möglichkeit, wird das Fahren von Last­wa­gen aber nicht ver­boten.

Es wird offen­bar eine Ein­schätzung des Risikos gemacht. Zugänge zu dieser poten­tiellen Waffe, wer­den regle­men­tiert. Und immer so weit­er…

Im Übri­gen wird seit vie­len Jahrzehn­ten an biol­o­gis­ch­er Kriegs­führung gear­beit­et. Die stüm­per­hafte Ver­wen­dung von Gas auf dem Schlacht­feld hat sich längst pro­fes­sionell pro­fes­sion­al­isiert. Dass in dieser Forschungstätigkeit, in welch­er lib­erale, freie, human­is­tis­che, tral­lal­la-Regierun­gen aggres­siv beteiligt sind, ist keine Ver­schwöhrungs­the­o­rie. Dass dabei Unfälle in Forschungslabors passieren, soll auch pri­ma doku­men­tiert sein. Kurzum: Dass ein Killervirus unter­wegs sein kön­nte, das scheint dur­chaus real­is­tisch zu sein. Es liesse sich das Feld der Gen-Forschung erwäh­nen. Seit 20-Jahren ist das Men­schliche Genom bekan­nt. Das hier ein “Return-On-Invest­ment” kom­men muss, scheint unauswe­ich­lich… Aber lassen wir diesen Strang. Zurück zum Last­wa­gen:

Falls es zu dieser Katas­tro­phe kom­men sollte, dass ein Lenker — welch­er dabei fotografiert, gefilmt und ganz ein­deutig iden­ti­fiziert, dieses Ver­brechen began­gen hat, dass er sein Fahrzeug in eine Men­schen­menge jagte und viele Men­schen und ihre Ange­höri­gen in tief­ste Verzwei­flung gestürtzt hat, muss diesem Men­schen “das Grun­drecht” nicht zurück gegeben. Er hat es. (Auch wenn es eine Frau wäre.) Und diese Per­son wird nach rechtsstaatlichen Prinzip­i­en vor ein Gericht gestellt. Vielle­icht sog­ar wegen Unzurech­nungs­fähigkeit… Ich will sagen…

Kom­men jet­zt die 5G-Men­schen?
Ja. Warum nicht… rede ich zu lange?

Die Zusam­men­stel­lung habe ich auf Twit­ter gese­hen. Inter­es­sant aber, dass sie die Möglichkeit sehen, dass auch Com­put­er ein Grun­drecht zuge­sprochen wer­den kön­nte…
Das Grun­drecht im Inter­netz einge­bun­den zu sein. Ja. (lacht)

Sollen wir die Liste kurz durchge­hen?
Das ist ja leicht polemisch und lustig gemeint. Aber dur­chaus beobacht­bar und aus­ge­sprochen:

DAS GRUNDRECHT ZUR TEILHABE AN GESELLSCHAFT von Men­schen wird gebun­den an die 5 Punk­te:
1 glauben
2 gehorchen
3 gene­sen
4 getestet
5 geimpft

DAS GRUNDRECHT ZUR TEILHABE AN CYBERSPACE für Com­put­er wird gebun­den an die 5 Punk­te:
1 con­nect­ed
2 com­mit­ted
3 cer­tifi­cat­ed
4 clean
5 con­trolled

5G, 5C…
Sie kom­men jet­zt sich­er gle­ich wieder mit der Skan­da­likone… Es sind für mich Spiele. Gedanken­räume spielerisch zu ver­spun­den.…

Nein. Das finde toll… Das ist nicht die Frage
Welche Fra­gen stellen sich Ihnen dann?

Viele. Zum Beispiel was das alles mit Fas­ten zu tun haben soll. Das mit den Fak­ten bin ich am erah­nen. Aber das mit dem Fas­ten erschliesst sich mir noch gar nicht…
Wer Fak­ten! Fak­ten! Fak­ten! ruft, stellt sich in die gle­iche Posi­tion, wie jene, welche rufen: “Es ste­ht geschrieben…”, “Gott will es so & so…”, “Du darf­st jet­zt keine Würste verkaufen, denn jet­zt ist Fas­ten­zeit.”

Der Bezug zum #Zwingli­Film mag ja kreativ sein, aber…
Sie belei­di­gen char­mant… Mein Punkt ist aber härter: Es geht um die uralte Frage, was Men­schen von dem Wis­sen kön­nen, was sie als für Wahr wahrnehmen.

So wird es banal...
Keineswegs. Es wird erzählt, dass ein­er behauptet habe, die Erde stünde gar nicht im Mit­telpunkt und die Sonne kreise gar nicht um die Erde. Das brachte dem Mann manchen Ärg­er ein. Die Katholis­che Kirche reha­bil­i­tierte Galileo erst 1992. Und vielle­icht hat Gior­dano Bruno den Satz gar noch auf dem Scheit­er­haufen wieder­holt. So banal scheint die Geschichte als nicht zu sein. (lacht)

Heute gibt es Men­schen, welche behaupten, die Welt sei flach…
Jet­zt wird es flach. Was sich Massen lei­t­ende Medi­en, Wis­senschaftsver­mit­tlung, promi­nent auftre­tende Wis­senschafter in den let­zten Jahren an Dif­famierun­gen, Abw­er­tun­gen, Her­ab­würdi­gun­gen geleis­tet haben, ist abso­lut unterirdisch. Dumm bloss, dass dies im #Inter­netz so leicht aufzufind­en ist. Da wer­den einige Kol­legin­nen und Kol­le­gen bit­tere Rehal­i­bi­ta­tion­skuren absolvieren müssen. Ganz zu schweigen von jene, welche aggres­siv und/oder führnehm geschwiegen haben…

Es geht Ihnen also darum, dass mit den Fak­ten gebrochen wird, wie vor 500 Jahren mit dem Fas­ten?
Genau. Fas­ten ist bis heute eine ganz wun­der­bare Sache. Es geht nicht gegen das Fas­ten. Es geht auch nicht gegen die Fak­ten. Ganz im Gegen­teil.

Es geht um den Miss­brauch…
Fas­ten — wie 500 Jahre später Fak­ten — sind zu ein­er Keule gewor­den…

Eine Keule des Guten…
Die Beto­nung von Fak­ten, eignete sich als Instru­ment der Befreiung:
- Dreht sich die Sonne umd die Erde oder dreht sich die Erde um die Sonne. Das ist eine etwas abge­fahrene Frage, weil das all­t­agsprak­tisch für mich völ­lig irrel­e­vant scheint. Jeden­falls sehe ich, dass die Sonne am Mor­gen aufge­ht und am Abend unter. Das legt Nahe, dass sich die Sonne um die Erde dreht.

Aber andere woll­ten es genauer objek­tiv­er wis­sen…
Sie guck­ten durch ihre Objek­tive und beobachteten Phänome…

Zum Beispiel?
Keine Ahnung. Dass sich gewisse Sterne eher im Kreis zu drehen schienen, als dass sie um die Erde kreis­ten. Zum Beispiel. Ich bin Sozialar­beit­er. Ich arbeite am Sozialen und nicht an Ster­nen. Son­st hiesse mein Beruf ja Him­mel­sar­beit­er. Was ich noch schön fände.

Heute kön­nen Kam­eras von Satel­liten her fil­men, dass die Sonne…
Ja. Eben. Lassen sie uns Fak­ten fas­ten…

Wenn Ihnen die Fak­ten egal sind…
Was? Nein… Wie kom­men sie auf den Quatsch?

Wenn wir uns nicht auf Fak­ten berufen sollen
Was? Nein… Wie kom­men sie auf den Quatsch?

Wenn Fak­ten nicht Dreh- und Angelpunkt sind…
Ufff… Nein. Bitte. Noch ein­mal: Noch ein­mal Anders. Fak­ten sind wie Mei­n­un­gen auf der anderen Seite des Pols im schaf­fen von Wis­sen: Teil von Auf­gabe, nicht Teil von Lösung.

Wie meinen Sie das?
Damit ich eine Frage stellen kann, muss ich mich zunächst ori­en­tieren. Ich muss nach Osten schauen, rich­tung Ori­ent und Fixsterne bes­tim­men und (lacht)

Nicht zu viele Sprach­bilder, bitte…
Mei­n­un­gen sind kein Prob­lem. Sie sind Teil der Vor­bere­itung auf eine klare Fragestel­lung. Solche Fra­gen kann ich dann abar­beit­en und beant­worten. Fak­ten schaf­fen.

Fak­ten sind Antworten auf Fra­gen?
Klar. Wohin fällt ein Apfel, wenn Sie ihn loslassen?

Auf den Boden.
Fakt! Kön­nen Sie nach­prüfen. Kön­nen Sie end­los wieder­holen. Funk­tion­iert auch dann, wenn ich weg bin und dem Apfel nicht per­sön­liche befehle, dass er auf den Boden zu fall­en hat, wenn Sie ihn loslassen wer­den.

Das ist doch aber toll, solche Fak­ten. Wozu als Fas­ten?
Ich finde es natür­lich auch toll, dass ich nicht jeden Tage neu testen muss, ob ich es mit genü­gend Anlauf doch durch das Glas­fen­ster schaffe, ohne es vorher geöffnet zu haben. Es kön­nte ja sein, dass ich es bish­er bloss ein­fach zu wenig exper­i­men­tier­freudig aus­pro­biert habe.

Ich ver­ste­he…
Wenn ich merke, dass Coro­na Virus dem Kind nichts anhab­en kann und mein 90-jähriges Müt­terchen darunter lei­det, dass sie ihre Urenkel nicht mehr sehen darf, weil sie ster­ben kön­nte, dann werde ich exper­i­men­tier­freudi­ger. Ja. Aber das gilt heute als ego­is­tisch und unsol­i­darisch. Moralisch wertvoll ist heute, dass Kind und Gross­mut­ter trau­ma­tisiere und ihnen pro­fes­sionell Angst mache, sie impfe und ihnen danach das Priv­i­leg der Teil­habe an Gesellschaft pater­nal­is­tisch zurück gebe.

Ja. Das ist schon eine ein­drück­liche Wen­dung…
Und die Ver­ant­wortlichen der wis­senschaftlichen Task­force geben auch ganz freimütig zu, dass sie sich vorstellen kön­nte, was ein näch­ster Aus­nah­men­zu­s­tand sein kön­nte.

Der glob­ale Cyberkrieg?
Mein­er Gen­er­a­tion fällt dann auf, dass 9/11 — mit der Angst vor Ter­ror­is­mus — tiefe ein­griffe in die Grun­drechte gemacht wor­den sind. Der Gen­ra­tion mein­er Eltern steckt die Erfahrung des Viet­nam-Krieges in den Knochen. Unseren Grossel­tern die soge­nan­nten Weltkriege. Jenen davor die grässlichen Massen­er­werblosigkeit­en. Jenen davor…

Man­age­ment by Fear?
Giogrio Agam­ben reiste mit dem Begriff #Aus­nah­mezu­s­tand — Michel Fou­cault mit #BioPoli­tik — durch die Geschichte. Und plöt­zlich zer­fall­en diese Nar­ra­tive, wer­den Schal und leer. Wie lange geht die Rede von Nach­haltigkeit?

Heute eher Per­makul­tur…
Par­a­dig­men­wech­sel, Wen­dezeit…

Sie denken, dass die Nar­ra­tive sich ändern?
Jeden­falls wan­deln sich die Erzäh­lun­gen darüber, wie sich Men­schen sich selb­st erk­lären, was sie hier und jet­zt erleben.

Das nen­nen sie Kul­tur­wech­sel. Warum nicht Kul­tur­wan­del.
Weil ich damit auf die Denk­fig­ur ver­weisen mit jenen vier Sym­bol­en…

Minus, Plus, Ungle­ich, Hash­tag?
Ja. Genau. Kul­tur­wan­del ist sehr, sehr, sehr schw­er zu beobacht­en. Vor zwei Jahren ver­langten viele Men­schen von ihren Vorge­set­zten mehr Home­Of­fice machen zu dür­fen, weil es ihnen keinen Sinn machte zu pen­deln, bloss um dort an einem Rech­n­er zu hock­en, welch­er auf die Cloud zuge­grifft. Jet­zt ist es ganz nor­mal gewor­den, von Zuhause arbeit­en und die Men­schen freuen sich, wenig­sten einen Tag in der Woche in ein Büro in der Stadt zu reisen. Es stellen sich Ver­hal­tensweisen um. Aber ich merke das nicht immer gle­ich inten­siv, wie sich diese “Kul­tur” verän­dert.

Kul­tur ist das, was mir als Nor­mal erscheint?
Und von Aussen, von Frem­den, von Anderen ganz leicht beschrieben wer­den kann. Ja. Oder eben: über grosse, sehr grosse Zeiträume hin­weg. Darum spreche ich von Kul­tur­wech­sel.

Sie beschreiben also fremde, ver­gan­gene Kul­tur­for­men und ver­gle­ichen diese dann mit der Aktuellen?
Ich nutzte den Umstand, dass — ganz ohne sich verdächtig machen zu müssen — eigene, frührere Kul­tur­for­men bekan­nt und akzep­tiert sind: “Die Höh­len­be­wohn­er”, “die Men­schen im dun­klen Mit­te­lal­ter”, “der mutig, aufgek­lärte Men­sch in der Neuzeit” (lacht) … Die Kör­p­er der Men­schen haben sich kaum verän­dert. Wir müssen alle paar Sekun­den atmenen, alle paar Minuten trinken, alle paar Stun­den essen, ein­mal am Tag lange schlafen und immer so weit­er. Diese kör­per­lichen Bedin­gun­gen haben ganz viele Imp­lika­tio­nen, welche — je nach Schöp­fungs­geschichte — schon über tausende von Jahren genau gle­ich geblieben sind. Aber die Organ­i­sa­tion, der Umgang, die tech­nis­chen Möglichkeit­en etc. ändern sich. So beobachte ich also dann meine Beobach­tung, wie ich eine ganz andere Nor­mal­ität fotografieren kann, welche sich nicht mehr zu erk­lären ver­mag, durch das, worauf ver­bal noch Bezug genom­men wird…

Die Vorstel­lung von diesen anderen Kul­turen erlaubt ihnen, vom Kul­tur­wan­del das abzuziehen, was auf einen Kul­tur­wech­sel ver­weist?
Dass Men­schen im let­zten Som­mern die Farbe Pink ganz toll gefun­den haben und jet­zt eine näch­ste: Ja. Das kann ich abziehen. Ein hier passender Aus­druck. (lacht)

Das wäre also ein Beispiel für einen Kul­tur­wech­sel. Und ein Beispiel für einen Kul­tur­wech­sel?
Dass ich es toll finde, dass meine Uhr mir in jedem Moment meinen Blutzuck­er­w­ert anzeigt. Diesen abgle­icht mit der Daten­bank mein­er Ärtzin und des gesamten Wis­sens von Blutzuck­er­w­erten. Dass ich empfehlun­gen bekom­men, wie ich mein Essensver­hal­ten verän­dern kann. Dass ich bei allem Wis­sen über die Risiken dieser Daten­samm­lun­gen, diese Möglichkeit sen­sa­tionell finde und mir mehr davon wün­sche. Dass ich also die Unter­schei­dung Öffentlich:Privat völ­lig neu set­ze. Der Umgang mit dem Copy­right. Dass ein Kind es als Recht zu kopieren ver­ste­ht und mit den Bildern auf dem Smart­phone ganz selb­stver­ständlich weit­er arbeit­et, es nutzt, verän­dert, mit anderen teilt. Dass die Unter­schei­dung Produzieren:Konsumieren keinen prak­tis­chen Unter­schied mehr zu machen ver­mag. Und immer so weit­er.

Span­nend. Und wo kann ich Ihre Beobach­tun­gen beobacht­en?
Im Mag­a­zin von Carl Auer Ver­lag, Hei­del­berg unter Medi­en­wech­sel. Ich schicke Ihnen den Link: carl-auer.de/magazin/kulturwechsel

Autsch. Jet­zt merke ich grad: Meine Akku ist alle…
gar kein Prob­lem…
- zack.
- wech ist sie…
- okheeee ;-)


Magazin Carl Auer Verlag, Heidelberg

Ste­fan M. Sey­del, aka sms, aka sms2sms in «Zürcher Fest­spiel 1901″ (2019, Foto­cre­d­it: Charles Schny­der): Twit­terWikipediaYoutube (aktuell), Sound­cloudInsta­gramSnapchatTik­TokTwitch

Stefan M. Seydel/sms ;-)

(*1965), M.A., Studi­um der Sozialen Arbeit in St. Gallen und Berlin. Unternehmer, Sozialar­beit­er, Kün­stler.

Ausstel­lun­gen und Per­for­mances in der Roy­al Acad­e­my of Arts in Lon­don (Frieze/Swiss Cul­tur­al Fund UK), im Deutsches His­torisches Muse­um Berlin (Kura­tion Bazon Brock), in der Cryp­ta Cabaret Voltaire Zürich (Kura­tion Philipp Meier) uam. Gewin­ner Migros Jubilée Award, Kat­e­gorie Wis­sensver­mit­tlung. Diverse Ehrun­gen mit rocketboom.com durch Web­by Award (2006–2009). Jury-Mit­glied “Next Idea” Prix Ars Elec­tron­i­ca 2010. Pen­delte bis 2010 als Mach­er von rebell.tv zwölf Jahre zwis­chen Bodensee und Berlin. Co-Autor von “Die Form der Unruhe“, Umgang mit Infor­ma­tion auf der Höhe der Zeit, Band 1 und 2, Junius Ver­lag Ham­burg. Ruhen­des Mit­glied im P.E.N.-Club Liecht­en­stein. Er war drei Jahre Mit­glied der Schulleitung Gym­na­si­um Kloster Dis­en­tis. Seit Ende 2018 entwick­elte er in Zürich-Hot­tin­gen in vie­len Live-Streams – u.a. in Zusam­me­nar­beit mit Sta­tis­tik Stadt Zürich und Wiki­me­dia Schweiz – den Work­flow WikiDienstag.ch, pub­lizierte während der Coro­na-Krise in der NZZ einen Text über Wikipedia, ini­ti­ierte das #PaulWat­zlaw­ick-Fes­ti­val 2020 mit und sam­melt im Blog von Carl Auer Ver­lag, Hei­del­berg, «Ele­mente ein­er näch­sten Kul­tur­form». Im Juli 2020 kehrt er mit seinem 1997 gegrün­de­ten Unternehmen (Spin-Off mit Aufträ­gen der FH St. Gallen, Gesund­heits­di­rek­tion Kan­ton St. Gallen, Bun­de­samt für Gesund­heit (BAG) und der EU aus ein­er Anstel­lung als Leit­er Impuls- und Pilot­in­ter­ven­tio­nen für die Aids-Hil­fe St. Gallen/Appenzell) zurück nach Dissent.is/Muster, mit­ten in die Schweiz­er Alpen.


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