Die Bedeutung des Wortes “Geschichte” im Deutschen, das tatsächlich auf eine Schichtung und Ablagerung von Ereignissen hindeutet, ist interessant. In anderen Sprachen kann die Bedeutung ähnlich sein, variiert jedoch oft:
- Englisch (History): Kommt vom altgriechischen “historia”, was “Erkundung, Untersuchung” bedeutet. Dies legt eher einen Fokus auf das Erforschen und Sammeln von Fakten.
- Französisch (Histoire): Teilt die altgriechische Wurzel mit “History”, bedeutet also auch “Erzählung” oder “Erkundung”.
- Spanisch (Historia): Ähnlich wie im Französischen und Englischen, mit einem Schwerpunkt auf dem Erzählen und Erforschen von Ereignissen.
- Italienisch (Storia): Folgt ebenfalls dem Konzept des Erzählens und Untersuchens.
- Russisch (История — Istorija): Ähnelt den westeuropäischen Sprachen, betont auch das Untersuchen und Darstellen von Ereignissen.
- Chinesisch (历史 — Lìshǐ): Das Wort setzt sich aus den Zeichen für “Kalender” (历) und “Generation” (史) zusammen, was eine lineare und chronologische Ansammlung von Ereignissen suggeriert.
Die deutsche Perspektive von “Geschichte” als Schichten, die sich über die Zeit ablagern, ist also eine eher einzigartige Betrachtungsweise. Andere Sprachen fokussieren mehr auf das Erforschen, Erzählen und die chronologische Darstellung von vergangenen Ereignissen.
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Geschichte ist immer Geschichte
Das ist ein tiefgründiger Gedanke. Geschichte wird oft als eine Sammlung von Fakten betrachtet, aber tatsächlich wird sie aus vielen verschiedenen Perspektiven erzählt und interpretiert. Hier sind einige Schlüsselaspekte dazu:
- Subjektivität: Geschichte wird durch die Linse derjenigen gefiltert, die sie erzählen. Historiker, Kulturen und Zeitperioden beeinflussen, welche Ereignisse hervorgehoben und wie sie interpretiert werden.
- Objekte der Geschichte: Dokumente, Artefakte, mündliche Überlieferungen und andere Quellen sind die “Objekte”, die genutzt werden, um Geschichte zu rekonstruieren. Jedes dieser Objekte kann unterschiedliche Geschichten erzählen, je nachdem, wer sie betrachtet.
- Vielfalt der Perspektiven: Verschiedene Gruppen und Individuen können dieselben historischen Ereignisse ganz unterschiedlich erleben und darstellen. Dies führt zu einer Vielzahl von “Geschichten” über ein einzelnes Ereignis.
- Dynamik der Geschichte: Die Interpretation der Geschichte verändert sich mit neuen Entdeckungen und dem sich wandelnden Verständnis der Vergangenheit. Was heute als historische Wahrheit akzeptiert wird, kann morgen schon in Frage gestellt werden.
- Konstruktion der Narrative: Geschichte ist nicht nur eine Sammlung von Fakten, sondern auch eine Reihe von Narrativen, die aufgebaut und manchmal auch umgeschrieben werden, um bestimmte Ideologien oder Identitäten zu stärken.
Die Anerkennung, dass es keine einzige, objektive Geschichte gibt, sondern viele Geschichten, die aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt werden, ist entscheidend für ein tiefes Verständnis der menschlichen Vergangenheit und Gegenwart.
Geschichtsschreibung, welche auf lineare Zeitlichkeit und Artefakte zerfällt…
Eine rein lineare und artefaktenbasierte Betrachtung der Geschichte kann viele Aspekte des menschlichen Daseins und kultureller Entwicklungen ausblenden. Hier sind einige wesentliche Überlegungen dazu:
- Nichtlineare Geschichtsauffassung: Viele Kulturen und philosophische Traditionen verstehen Zeit nicht linear, sondern zyklisch oder als ein Netzwerk von Ereignissen. Diese Perspektiven können helfen, wiederkehrende Muster und Einflüsse in der Geschichte zu erkennen, die in einer strikt linearen Auffassung verloren gehen könnten.
- Immaterialität: Ideen, Überzeugungen, soziale Normen und andere immaterielle Aspekte der menschlichen Kultur werden oft in der artefaktenzentrierten Geschichtsschreibung vernachlässigt. Diese Elemente sind jedoch zentral für das Verständnis von kulturellen Dynamiken und sozialen Veränderungen.
- Emotionale und psychologische Faktoren: Menschliche Bedürfnisse, Emotionen und psychologische Motivationen sind zeitlos und oft unabhängig von physischen Beweisen. Geschichten, die diese Aspekte berücksichtigen, können ein vollständigeres Bild der menschlichen Erfahrung bieten.
- Diversität der Quellen: Mündliche Überlieferungen, literarische Werke, Musik und Kunst sind ebenfalls wichtige historische Quellen, die oft Einblicke in die menschliche Psyche und kulturelle Werte bieten, die über physische Artefakte hinausgehen.
- Interdisziplinäre Ansätze: Die Integration von Erkenntnissen aus der Anthropologie, Psychologie, Soziologie und anderen Disziplinen kann zu einer reicheren und nuancierteren Geschichtsdarstellung führen, die über das rein Faktische hinausgeht.
Die Herausforderung liegt darin, eine Geschichtsschreibung zu entwickeln, die diese Dimensionen integriert und ein umfassenderes Verständnis der menschlichen Vergangenheit und ihrer Implikationen für die Gegenwart und Zukunft bietet.
Kontingenz
Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme präsentiert eine präzise und klar abgegrenzte Sicht auf das Soziale (#soc), die es von anderen Ebenen der Realisation autopoietischer Systeme (#bio, #cyb, #psy) unterscheidet. Seine Systemtheorie ist besonders relevant für die Soziale Arbeit, weil sie das Feld definiert, innerhalb dessen die soziale Frage (Soziale Frage) beantwortet wird:
- Kommunikation als Grundlage des Sozialen: Luhmann sieht das Soziale ausschließlich durch die Linse der Kommunikation und vermeidet jegliche Bezugnahme auf andere Ebenen autopoietischer Systeme. Kommunikation umfasst das Prozessieren von Information, Mitteilung und Verstehen. In der Sozialen Arbeit erlaubt diese Perspektive es, die Machtfrage dominant als Dreh- und Angelpunkt aller Interventionen (Beobachten, Bewerten, Intervenieren) zu nutzen.
- Kontingenz von Kommunikation: Luhmann unterstreicht, dass Kommunikation prinzipiell kontingent ist, das heißt, jede Kommunikation könnte auch anders verlaufen. Diese Kontingenz betont die Unvorhersehbarkeit und die Vielzahl von Möglichkeiten in sozialen Interaktionen. Sozialarbeiter können diese Einsicht nutzen, um flexibel und adaptiv auf die Dynamik in sozialen Systemen zu reagieren.
- Systemtheorie und Soziale Arbeit: Durch die Anwendung von Luhmanns Systemtheorie kann die Soziale Arbeit ihre Methoden und Ansätze schärfen, indem sie soziale Systeme als autopoietische, selbstreferentielle Systeme begreift. Dies hilft, die Komplexität sozialer Problemlagen besser zu erfassen und spezifischere Interventionsstrategien zu entwickeln.
- Die Rolle des Verstehens: Der Begriff des Verstehens — wie auch der des Handelns — erhält in der Systemtheorie nach Luhmann eine gänzlich andere Bedeutung: Beobachten ist Handeln, und Verstehen ist die Auswahl einer möglichen Interpretation eines Kommunikationsvorgangs.
- Abgrenzung zu anderen Disziplinen: Die klare Trennung zwischen sozialen und anderen Aspekten (wie biologischen, psychologischen oder kybernetischen) ermöglicht es Sozialarbeitern, sich auf die spezifischen sozialen Aspekte ihrer Arbeit zu konzentrieren und inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit gezielt und bewusst zu gestalten.
Die Nutzung von Luhmanns Theorie in der Sozialen Arbeit kann also dazu beitragen, die Interaktionen und Strukturen innerhalb sozialer Systeme besser zu verstehen und effektivere Strategien für soziale Interventionen zu entwickeln.
Grundformen Sozialer Probleme
Die Kontingenz der Kommunikation, die wir im vorherigen Abschnitt betrachtet haben, bildet die Basis für ein tieferes Verständnis der Komplexität sozialer Systeme. Sie zeigt auf, dass soziale Prozesse und Strukturen nicht vorherbestimmt sind, sondern eine Vielzahl von möglichen Ausgängen und Pfaden aufweisen. Diese inhärente Unvorhersehbarkeit und Flexibilität der Kommunikation führt uns zu den “Grundformen sozialer Probleme”, wie sie Silvia Staub-Bernasconi in ihrer Machtmatrix dargestellt hat. In diesem Abschnitt werden wir die vier zentralen Dimensionen der Macht untersuchen, die in der Sozialen Arbeit von entscheidender Bedeutung sind: Anordnung, Zugang, Legitimation und Durchsetzung. Jede dieser Dimensionen spiegelt spezifische Herausforderungen und Chancen wider, die sich aus der sozialen Frage und der Kontingenz sozialer Interaktionen ergeben. Wir werden erkunden, wie diese Dimensionen genutzt werden können, um gerechtere und effektivere Interventionsstrategien zu entwickeln, die sowohl den individuellen Bedürfnissen als auch den kollektiven Anforderungen gerecht werden.
Dimensionen der Macht in der Sozialen Arbeit nach Staub-Bernasconi:
- Anordnung
- Kernwert: Hierarchie schafft Ordnung und Effizienz.
- Übertreibung: Autoritarismus führt zu übermäßiger Kontrolle.
- Gegenwert: Egalitarismus fördert Gleichheit und demokratische Teilhabe.
- Übertreibung des Gegenwerts: Chaos durch Mangel an Führung.
- Ziel: Anarchie, als harmonische Selbstregulation ohne zentrale Autorität.
- Zugang
- Kernwert: Beschränkter Zugang schützt Ressourcen.
- Übertreibung: Exklusivität erzeugt Ausschluss und Ungerechtigkeit.
- Gegenwert: Universeller Zugang ermöglicht Offenheit und das Teilen von Gemeingütern.
- Übertreibung des Gegenwerts: Übernutzung führt zur Ressourcenverschwendung.
- Ziel: Commons, geteilte Ressourcenverwaltung für alle.
- Legitimation
- Kernwert: Rechtfertigung sichert transparente Entscheidungen.
- Übertreibung: Willkür entsteht durch fehlende Begründung und Intransparenz.
- Gegenwert: Skepsis fördert ständige Hinterfragung.
- Übertreibung des Gegenwerts: Paralyse verhindert Entscheidungen.
- Ziel: Inklusion, bei der alle Beteiligten in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.
- Durchsetzung
- Kernwert: Autoritative Durchsetzung garantiert Sicherung der Ordnung.
- Übertreibung: Repression bedeutet übermäßigen Zwang.
- Gegenwert: Freiwilligkeit stärkt Selbstregulation und Autonomie.
- Übertreibung des Gegenwerts: Anarchie führt zu Regellosigkeit.
- Ziel: Pazifismus, Konfliktlösung durch Dialog und gezielte, gewaltfreie Interventionen.
#dfdu DIE FORM DER UNRUHE Tina Piazzi & Stefan M. Seydel, Junius-Verlag Hamburg | pdf: Band 1, 2009 | Band 2, 2010 | Anfragen und Vermittlungen laufen ausschliesslich über speakerbooking.ch/stefan-m-seydel | mehr über Stefan M. Seydel auf der Unternehmensseite #dfdu AG: dfdu.org/sms
Alles könnte anders sein…
Die Betrachtung der Kontingenz von Kommunikation öffnet uns Augen, Ohren und Herzen für die vielfältigen Möglichkeiten menschlichen Zusammenlebens. Geschichte — und das erzählen von Geschichten — sind Möglichkeiten, das vermeintlich unveränderbar Bestehende zu befragen, in ihrer Entstehungsgeschichte nachvollziehbar zu machen und Gestaltungsfreude zu wecken. Niklas Luhmann bemerkte einst: “Alles könnte anders sein — und fast nichts kann ich ändern.” Und Dirk Baecker führte in unserem Band 1 von “Die Form der Unruhe” (2009, Junius Verlag Hamburg) den Gedanken weiter mit dem Hinweis: “Alles könnte anders sein — und wir schauen uns an, warum es so ist, wie es ist. Und siehe da, es ist anders.”
Mit diesem Abschnitt wollen wir die Grundformen sozialer Probleme, wie sie von Staub-Bernasconi vorgeschlagen wurden, auf die Geschichtsschreibung anwenden. Wir untersuchen, wie die Dimensionen der Macht – Anordnung, Zugang, Legitimation und Durchsetzung – nicht nur unsere Gegenwart formen, sondern auch unser Verständnis der Vergangenheit prägen. Diese Betrachtung hilft uns, zu erahnen, wie bestimmte historische Narrative entstanden sind, was diese Erzählungen ermöglicht und legitimiert haben, aber auch, was diese schützen und in einen Bereich von Geheimnissen und Tabus hüllen.
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