/talente | „Wer hat, dem wird gegeben.“

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Anlass zu diesem Eintrag:

Die Lesung vom 1. Sep­tem­ber (2025)

Summary

  1. Ich ver­ste­he „Wer hat, dem wird gegeben“ nicht als göt­tlich­es Gebot, son­dern als Beschrei­bung ein­er Macht­logik.
  2. Ich sehe darin die Dynamik sozialer Sys­teme, die Ungle­ich­heit ver­stärken.
  3. Für mich ist der Text eine War­nung, kein Ide­al.
  4. Meine Auf­gabe ist, Bedin­gun­gen zu gestal­ten, die diese Logik durch­brechen.
  5. Ich kann den „untäti­gen Knecht“ auch als Wider­ständi­gen lesen, der das ungerechte Sys­tem sicht­bar macht.

Die drei Fassungen

Die drei Fas­sun­gen ste­hen bei Matthäus (25,14–30), Markus (4,24–25, in Kürze) und Lukas (19,11–27). Hier eine Über­sicht:

Evan­geli­umKon­text / Gle­ich­nisKern­erzäh­lungPointeBeson­der­heit­en / Unter­schiede
Matthäus 25,14–30„Gle­ich­nis von den anver­traut­en Tal­en­ten“Ein Herr teilt 5, 2 und 1 Tal­ent an drei Diener aus. Zwei ver­dop­peln das Geld, der dritte ver­gräbt es.Wer hat, dem wird gegeben; der unnütze Diener wird hin­aus­ge­wor­fen.Beto­nung auf Ver­ant­wor­tung und Treue. Strafe: „in die Fin­ster­n­is hin­aus, da wird Heulen und Zäh­neknirschen sein.“
Markus 4,24–25Im Kon­text von „Maß und Messen“ (nicht eigenes Gle­ich­nis)Jesus spricht: „Mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen… Wer hat, dem wird gegeben.“Wer nicht hat, dem wird auch genom­men.Kürzeste Ver­sion. Kein Bild mit Geld, son­dern all­ge­meines Prinzip: Hören, Emp­fan­gen, Weit­ergeben.
Lukas 19,11–27„Gle­ich­nis von den Pfun­den“Ein Herr gibt zehn Knecht­en je ein Pfund. Einige erwirtschaften Gewinn, ein­er legt es ins Tuch.Wer hat, dem wird gegeben; der nut­zlose Diener ver­liert sein Pfund.Poli­tis­chere Farbe: Bürg­er has­sen den Her­rn, wollen ihn nicht als König. Am Ende: Feinde wer­den vor ihm hingeschlachtet. Härtere Kon­se­quenz als bei Matthäus.

Unter­schiede in Kürze:

  1. Matthäus = Tal­ente, drei Diener, Fokus auf indi­vidu­elle Ver­ant­wor­tung.
  2. Markus = kein Geld, all­ge­meine Weisheits­formel.
  3. Lukas = Pfunde, zehn Diener, poli­tis­che Dimen­sion („Wir wollen nicht, dass er über uns herrscht“), drastis­che Gewalt am Schluss.

(…)

(…)

(…)

Klassische Exegese

Hier eine struk­turi­erte Über­sicht, wie grosse the­ol­o­gis­che Tra­di­tio­nen bzw. Exegeten die Geschichte „Wer hat, dem wird gegeben“ (Tal­ente / Pfunde / Maß) ausle­gen:

  1. Kirchen­väter
    • Ori­genes: Tal­ente = geistige Gaben. Wer sie nutzt, wächst im Glauben; wer sie ver­gräbt, ver­liert sie.
    • Augusti­nus: Tal­ente = Gnaden­mit­tel (Wort, Sakra­mente). Der träge Knecht ste­ht für Men­schen, die Gottes Wort nicht frucht­bar wer­den lassen.
  2. Mit­te­lal­ter
    • Thomas von Aquin: Tal­ente = Tugen­den und göt­tliche Gaben. Die Ungle­ichverteilung zeigt: Gott gibt jedem nach Maß sein­er Fähigkeit. Ver­ant­wor­tung ist unter­schiedlich, aber gerecht.
  3. Ref­or­ma­tion
    • Mar­tin Luther: Beto­nung auf Ver­trauen. Der Knecht, der ver­gräbt, han­delt aus Unglauben und Angst. „Wer glaubt, dem wächst der Glaube; wer nicht glaubt, ver­liert auch das, was er meinte zu haben.“
    • Johannes Calvin: Tal­ente = Beru­fun­gen und Begabun­gen im Dienst der Gemeinde. Untätigkeit ist Sünde, weil sie Gottes Gaben ver­achtet.
  4. Neuzeitliche Exegese
    • Lib­erale The­olo­gie (19. Jh.): Tal­ente = Fähigkeit­en, die für den Fortschritt der Men­schheit einge­set­zt wer­den sollen.
    • Dialek­tis­che The­olo­gie (Karl Barth): Es geht nicht um men­schliche Leis­tung, son­dern um Treue im Auf­trag Gottes. Der „Herr“ im Gle­ich­nis ist nicht ein­fach ein Kap­i­tal­ist, son­dern Gott, der Rechen­schaft fordert.
    • Rudolf Bult­mann: Exis­ten­zieller Sinn – das Gle­ich­nis ruft zur Entschei­dung. Wer das Evan­geli­um annimmt, erfährt Zuwachs; wer ablehnt, ver­liert alles.
  5. Befreiungs­the­olo­gie (20. Jh.)
    • Kri­tis­che Lesart: Der Herr im Gle­ich­nis kann auch als Unter­drück­er ver­standen wer­den. Das Gle­ich­nis ent­larvt Machtver­hält­nisse, in denen „wer hat, dem wird gegeben“ als Sys­temge­setz wirkt.
    • Beto­nung: Evan­geli­um ruft zum Wider­stand gegen Aus­beu­tung.
  6. Aktuelle sozialethis­che Ausle­gun­gen
    • Sys­temkri­tis­che Exegese: Der Spruch benen­nt eine Real­ität ökonomis­ch­er Ungle­ich­heit – nicht als göt­tlichen Willen, son­dern als War­nung.
    • Pas­toralthe­olo­gie: Tal­ente = Ver­ant­wor­tung für Glaube, Liebe, Sol­i­dar­ität. Ver­graben = Ver­weigerung von Gemein­schaft.
    • Fem­i­nis­tis­che The­olo­gie: Fragt, ob die harsche Verurteilung struk­turell gewaltvolle Züge trägt und wie alter­na­tive Lesarten (z. B. der „unwillige Knecht“ als Wider­ständi­ger) möglich sind.

Du, #ChatGPT, für welche Variante werde ich votieren?

Ja, ich rate:

  1. Kirchen­väter → zu tra­di­tionell für dich.
  2. Mit­te­lal­ter → scholastisch, nicht dein Zugang.
  3. Ref­or­ma­tion → du schätzt Täufer, aber nicht Luther/Calvin.
  4. Neuzeit → Barth/Bultmann zu sehr in der Mod­erne (≠).
  5. Befreiungs­the­olo­gie → klingt nach deinem Inter­esse an Machtkri­tik.
  6. Aktuelle sozialethis­che Ausle­gun­gen → passt am besten: sys­temkri­tisch, macht­di­men­sion­iert, kom­mu­nika­tions- und struk­turbe­zo­gen (#TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix, #TheLuh­man­n­Map).

Ich tippe also auf Vari­ante 6 – mit offen­er Sym­pa­thie für Lesarten aus 5, die sich kri­tisch gegen Herrschaft und Ungle­ich­heit wen­den.

überredet ;-)))

Gut, hier eine präg­nante For­mulierung dein­er Posi­tion (Vari­ante 6, sozialethisch-sys­temkri­tisch), mit klar­er Abgren­zung:

  1. Nicht moralisch-indi­vidu­ell: Es geht nicht darum, ob einzelne Diener „fleis­sig“ oder „faul“ sind.
  2. Struk­turell gedacht: „Wer hat, dem wird gegeben“ benen­nt die Dynamik sozialer Sys­teme, die Macht und Ressourcen ungle­ich verteilen.
  3. War­nung, nicht Norm: Jesus beschreibt nicht, was Gott will, son­dern was in ungerecht­en Ord­nun­gen geschieht.
  4. Auf­gabe der Sozialen Arbeit / Ethik: Bedin­gun­gen schaf­fen, dass diese Logik durch­brochen wird – z. B. durch Com­mons, Inklu­sion, Gewalt­frei­heit, Anar­chie (#TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix).
  5. Alter­na­tive Lesart: Der „unwillige Knecht“ kann nicht nur als Ver­sager gele­sen wer­den, son­dern als jemand, der die ungerechte Logik ent­larvt – indem er sich ver­weigert.

So wird die Geschichte zu einem kri­tis­chen Spiegel: Sie zeigt, wie Macht funk­tion­iert – und ruft dazu auf, Gegen­struk­turen zu entwer­fen.

… und was sagt der Papst?

  1. Lesung heute (1. Sep­tem­ber, Mon­tag):
    • 1 Thess 4,13–18
    • Lk 4,16–30 (Jesu Auftreten in der Syn­a­goge von Nazareth, Lesung aus Jesa­ja, dann der Satz: „Heute hat sich das Schrift­wort erfüllt“)
  2. Gebet­san­liegen des Pap­stes (Sep­tem­ber):
    • „Beten wir, dass wir, inspiri­ert vom heili­gen Franziskus, unsere gegen­seit­ige Abhängigkeit von allen Geschöpfen erfahren, die von Gott geliebt sind und Liebe und Respekt ver­di­enen.“
  3. Gebet­san­liegen der Schweiz­er Benedik­tin­er:
    • Fokus auf Geflüchtete, Kriege, Hunger, Naturkatas­tro­phen.

Das passt auf­fal­l­end zusam­men:

  • Evan­geli­um: Jesus sagt, heute erfüllt sich die Schrift, die von Befreiung, Heilung, Frei­heit spricht.
  • Papst: spricht von ökol­o­gis­ch­er und geschöpflich­er Ver­bun­den­heit.
  • Bis­chöfe: beto­nen die Not der Geflüchteten.

Alle drei Ebe­nen (Schrift – Papst – Mönche) kreisen also um Befreiung, Schutz und Respekt.

QuelleText/AussageSchlüs­selthe­ma
Evan­geli­um (Lk 4,16–30)Jesus liest Jes 61: „Der Geist des Her­rn ruht auf mir… den Armen fro­he Botschaft, den Gefan­genen Befreiung, den Blind­en neues Sehen, den Zer­schla­ge­nen Frei­heit.“ Dann: „Heute hat sich dieses Schrift­wort erfüllt.“Befreiung, Heil, Erfül­lung in der Gegen­wart
Papst Franziskus (Sep­tem­ber)„Beten wir, dass wir, inspiri­ert vom hl. Franziskus, unsere gegen­seit­ige Abhängigkeit von allen Geschöpfen erfahren…“Ver­bun­den­heit, Ökolo­gie, Respekt vor allen Geschöpfen
Benedik­tinis­che Mönche (Schweiz)„Weltweit sind Unzäh­lige auf der Flucht… Schütze sie vor Gefahren… Stärke alle, die Flüchtlinge begleit­en…“Schutz, Sol­i­dar­ität, Begleitung, Gast­fre­und­schaft

Drei Per­spek­tiv­en – aber ein rot­er Faden:

  1. Schrift: Befreiung jet­zt.
  2. Papst: Ökol­o­gis­che Geschwis­ter­lichkeit.
  3. Benedik­tin­er: Konkrete Sorge um Geflüchtete.
  • Heute erfüllt sich die Schrift: Ich ste­he in der Tra­di­tion Jesu, der den Armen gute Nachricht bringt, den Gefan­genen Frei­heit und den Zer­schla­ge­nen Heilung.
  • Heute erkenne ich mit Papst Franziskus, dass ich in tiefer Ver­bun­den­heit mit allen Geschöpfen lebe, dass wir einan­der brauchen und Respekt ver­di­enen.
  • Heute höre ich mit den Benedik­tin­ern den Schrei der Flüch­t­en­den, der Hungern­den und der von Katas­tro­phen Bedro­ht­en, und ich weiss: Gast­fre­und­schaft, Schutz und Begleitung sind meine Auf­gabe.

(…)

(…)

(…)

LANGSAM 1: das beispiel ist sehr viel älter als die evangelien…

Ja, das stimmt. Es gibt deut­liche Hin­weise darauf, dass der Satz „Wer hat, dem wird gegeben“ bzw. das zugrunde liegende Gle­ich­nis älter ist als die Evan­gelien selb­st.

  1. Jüdis­ch­er Hin­ter­grund
    • Im rab­binis­chen Schrift­tum find­en sich ähn­liche Sprüche: „Wer die Tora hat, dem wird gegeben; wer sie nicht hat, dem wird genom­men.“
    • Damit ist gemeint: Ler­nen und Weisheit wach­sen nur, wenn man sie prak­tiziert.
  2. Griechis­che Tra­di­tion
    • Auch in der griechis­chen Philoso­phie gab es die Beobach­tung: „Zu dem, der übt, kommt mehr hinzu; wer nicht übt, ver­liert auch das wenige.“
    • Ein bekan­ntes Beispiel ist Aris­tote­les zur Bil­dung: Tugend wächst durch Übung, Untätigkeit führt zum Ver­lust.
  3. Volk­sweisheit / Sprich­wortcharak­ter
    • Schon vorchristlich kur­sierte das als eine Art zynis­che Beobach­tung: Reiche wer­den reich­er, Arme ver­lieren auch noch das wenige.
    • Jesus greift also ein Sprich­wort auf, das damals bekan­nt war, und füllt es mit ein­er eige­nen Pointe (Glaube, Ver­ant­wor­tung, Mut statt Angst).

Kurz: Das Gle­ich­nis hat tiefe Vor-Geschichte – es lebt in jüdis­ch­er Weisheit­stra­di­tion, griechis­ch­er Philoso­phie und All­t­ags-Sprich­wörtern. Die Evan­gelien haben es dann kon­tex­tu­al­isiert und unter­schiedlich zuge­spitzt.

Tra­di­tionFor­mulierung / GedankeSchw­er­punktUnter­schied zu Evan­gelien
Jüdis­che Weisheit (rab­binisch)„Wer die Tora hat, dem wird hinzuge­fügt; wer sie nicht hat, dem wird genom­men.“Ler­nen und Prax­is der Tora ver­mehren Weisheit; Untätigkeit führt zum Ver­lust.Fokus auf Schrift- und Leben­sprax­is, nicht auf Geld oder Tal­ente.
Griechis­che Philoso­phie (z. B. Aris­tote­les)„Übung ver­mehrt die Tugend; wer nicht übt, ver­liert auch das, was er meinte zu haben.“Bil­dung, Tugend, Charak­ter wer­den durch Prax­is gestärkt.Philosophis­ch­er Zugang, anthro­pol­o­gisch gedacht.
Volk­sweisheit / Sprich­wort„Die Reichen wer­den reich­er, die Armen ärmer.“Zynis­che Beobach­tung sozialer Real­ität.Gesellschaft­skri­tis­ch­er Ton, ohne religiöse Deu­tung.
Evan­gelien (Matthäus, Markus, Lukas)„Wer hat, dem wird gegeben; wer nicht hat, dem wird genom­men.“ (einge­bet­tet in Gle­ich­nisse oder Jesusrede)Mut zum Ver­trauen, Ver­ant­wor­tung, Treue; zugle­ich Beschrei­bung von Macht­logik.Religiöse Pointe: Es geht um Glauben, Reich Gottes, Entschei­dung – nicht bloss um Geld oder Zufall.

Damit sieht man:

  1. Ursprung = Weisheit­slogik (lernen/üben).
  2. Volksmund = soziale Real­ität.
  3. Evan­gelien = Deu­tung im Hor­i­zont des Reich­es Gottes.

Die Trans­for­ma­tions­kette in Kürze:

  1. In der jüdis­chen und griechis­chen Weisheit hieß es: Wer übt, lernt und lebt, dem wächst hinzu – wer nicht, ver­liert.
  2. Im Volksmund wurde daraus: Die Reichen wer­den reich­er, die Armen ärmer.
  3. In den Evan­gelien greift Jesus dieses Sprich­wort auf und ver­schiebt es ins Reich-Gottes-Hor­i­zont: Ver­ant­wor­tung, Ver­trauen, Mut.
  4. In mein­er Deu­tung wird es wieder les­bar als Spiegel der Macht­logik, die soziale Ungle­ich­heit ver­stärkt – und zugle­ich als Aufruf, Struk­turen zu schaf­fen, die diese Logik durch­brechen.

LANGSAM 2: gib dem kaiser, was dem kaiser…

Sehr guter Hin­weis – genau dieser Zusam­men­hang wird oft überse­hen.

  1. Par­al­lele Logik
    • Bei­de Sprüche („Wer hat, dem wird gegeben“ / „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“) arbeit­en mit ein­er dop­pel­ten Les­barkeit: vorder­gründig Anpas­sung an die herrschende Ord­nung, im Hin­ter­grund sub­ver­sive Ver­schiebung.
  2. Ober­fläche
    • „Gebt dem Kaiser…“ klingt wie Loy­al­ität gegenüber der poli­tis­chen Macht.
    • „Wer hat, dem wird gegeben…“ klingt wie Bestä­ti­gung der sozialen Ungerechtigkeit.
  3. Tiefe
    • Im Kon­text der Evan­gelien wird der Blick ver­schoben: Nicht der Kaiser ist entschei­dend, son­dern Gott.
    • Nicht die Geld­logik bes­timmt das Leben, son­dern die Frage nach Treue, Mut und Reich Gottes.
  4. Hin­ter­triebene Strate­gie
    • Bei­de Sätze tar­nen Kri­tik als Zus­tim­mung.
    • Wer „zwis­chen den Zeilen“ hört, erken­nt: Das Reich Gottes wider­spricht den Herrschaft­slogiken von Kaiser und Kap­i­tal.

Kurz: Jesus benutzt bekan­nte Sprich­wörter und Macht­parolen, dreht sie aber so, dass sie gle­ichzeit­ig als Anpas­sung gele­sen wer­den kön­nen und als radikale Kri­tik wirken.

Hier die Über­sicht:

SpruchOber­fläche (schein­bar)Tiefe (sub­ver­siv)Pointe
„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ (Mk 12,17)Loy­al­ität gegenüber der poli­tis­chen Ord­nung, Anerken­nung der Steuerpflicht.Alles gehört Gott – der Kaiser hat let­ztlich keinen absoluten Anspruch.Kri­tik am Kaiserkult, Rel­a­tivierung weltlich­er Macht.
„Wer hat, dem wird gegeben; wer nicht hat, dem wird genom­men“ (Mt 25,29 u.a.)Bestä­ti­gung ökonomis­ch­er Real­ität: Reiche wer­den reich­er, Arme ver­lieren.Ver­ant­wor­tung und Mut im Reich Gottes zählen; Macht­logik wird bloßgestellt.Ent­larvung sozialer Ungerechtigkeit, Ein­ladung zur Gegenord­nung.

Gemein­sam:

  1. Bei­de Sprüche funk­tion­ieren dop­peldeutig.
  2. Bei­de lassen sich ober­fläch­lich als Anpas­sung lesen.
  3. Bei­de drehen die Logik im Kern um: Sie leg­en die Brüchigkeit der Herrschaft offen und ver­weisen auf eine andere, göt­tliche Ord­nung.

Willst du, dass ich dir diese Logik der „dop­pel­ten Les­barkeit“ noch als Meth­ode in 3 Schrit­ten for­muliere, sodass du sie auch auf andere Texte anwen­den kannst?

Hier die Meth­ode in 3 Schrit­ten:

  1. Ober­flächen-Lek­türe
    • Frage: Wie klingt der Satz auf den ersten Blick?
    • Wirkung: Zus­tim­mung zu Macht, Ord­nung, Real­ität (z. B. Kaiser, Reich­tum).
  2. Kon­text-Ver­schiebung
    • Frage: In welchem erzäh­lerischen oder the­ol­o­gis­chen Rah­men ste­ht er?
    • Wirkung: Die schein­bare Bestä­ti­gung wird in eine andere Logik einge­bet­tet (Reich Gottes, Glaube, Befreiung).
  3. Sub­ver­sive Pointe
    • Frage: Was ent­larvt der Satz bei genauem Hin­hören?
    • Wirkung: Kri­tik an den Herrschaft­slogiken, Ein­ladung zur Gegen­prax­is (Com­mons, Anar­chie, Befreiung).

So wer­den bekan­nte Sprüche dop­pelt les­bar: vorder­gründig Anpas­sung, hin­ter­gründig Wider­stand.

Soll ich diese Meth­ode gle­ich mal auf ein drittes Beispiel aus den Evan­gelien anwen­den – etwa die Selig­preisun­gen („Selig, die Armen…“)?

Anwen­dung der 3‑Schritte-Meth­ode auf die Selig­preisun­gen (Mt 5, Lk 6):

  1. Ober­flächen-Lek­türe
    • „Selig, die Armen; selig, die Trauern­den; selig, die Ver­fol­gten.“
    • Klingt wie Vertrös­tung: Eure Armut und Trauer sind schon irgend­wie gut.
  2. Kon­text-Ver­schiebung
    • Jesus spricht im Rah­men sein­er Reich-Gottes-Botschaft.
    • Der Fokus ver­schiebt sich: Nicht die Armut an sich ist selig, son­dern weil sie im Hor­i­zont von Gottes Herrschaft eine neue Bedeu­tung bekommt.
  3. Sub­ver­sive Pointe
    • Die beste­hende Mach­tord­nung wird auf den Kopf gestellt: Die Let­zten sind die Ersten, die Aus­geschlosse­nen wer­den Träger der Ver­heis­sung.
    • Wider­stand gegen die herrschende Werteskala: nicht Reich­tum, Macht oder Erfolg sind entschei­dend, son­dern Bedürftigkeit, Sol­i­dar­ität, Gewalt­frei­heit.

Ergeb­nis: Auch hier dieselbe Dop­pel­be­we­gung – auf der Ober­fläche klingt es wie Pas­siv­ität und Hin­nehmen, in der Tiefe ist es radikale Umw­er­tung und Ein­ladung zur Gegenkul­tur.

Hier die kurze Formel:

„Ober­fläche = Anpas­sung, Tiefe = Umkehr.“

  1. Ober­fläche: Zus­tim­mung zur beste­hen­den Ord­nung (Kaiser, Reich­tum, Armut).
  2. Tiefe: Ver­schiebung in den Hor­i­zont des Reich­es Gottes.
  3. Pointe: Die Ord­nung wird nicht bestätigt, son­dern unter­laufen und ver­wan­delt.

Damit kannst du jeden Spruch prüfen: Klingt er wie Anpas­sung? → dann genau hin­schauen, welche Umkehr darin ver­bor­gen ist.

unauflöslicher antagonistischer widerstand

Sehr starkes Stich­wort. Das passt genau:

  1. Formel in Span­nung
    • Ober­fläche = Anpas­sung → wirkt kon­formistisch.
    • Tiefe = Umkehr → wirkt wider­ständig.
    • Bei­des bleibt nebeneinan­der beste­hen, ohne dass es aufgelöst wird.
  2. Unau­flös­lich­er antag­o­nis­tis­ch­er Wider­stand
    • Die Texte funk­tion­ieren nur in dieser Span­nung: Sie kön­nen gle­ichzeit­ig als Anpas­sung (unge­fährlich) und als Kri­tik (gefährlich) gehört wer­den.
    • Das macht sie über­lebens­fähig in Machtkon­tex­ten (römis­ches Reich, kirch­liche Insti­tu­tion, heutige Gesellschaft).
  3. Bib­lis­che Meth­ode
    • Jesus’ Sprüche sind so gebaut, dass sie im Raum der Macht beste­hen kön­nen – und zugle­ich sub­ver­siv wirken.
    • Der Wider­stand bleibt antag­o­nis­tis­ch­er Natur: nicht har­mon­isier­bar, nicht auflös­bar in „ein biss­chen bei­des“.

Kurz: Die Dop­pelles­barkeit ist kein Missver­ständ­nis, son­dern das eigentliche Ver­fahren – ein Schutz­man­tel für den Wider­stand.

So ver­ste­he ich es:

  1. Ich lese diese Texte als dop­pelt gebaut – auf der Ober­fläche anpassend, in der Tiefe wider­ständig.
  2. Ich erkenne darin einen unau­flös­lichen, antag­o­nis­tis­ch­er Wider­stand gegen die herrschen­den Ord­nun­gen.
  3. Für mich ist ger­ade diese Dop­pelles­barkeit das Ver­fahren, mit dem Jesu Botschaft über­leben und zugle­ich sub­ver­siv wirken kon­nte.

Nächster Titel

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Wie ich mit den Möglichkeiten von @openAI arbeite?

Links, Threads, zu verarbeitende Hinweise…

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Textsorte: (1) Traum, (2) Blitz, (3) Beken­nt­nis, (4) Memo, (5) Märchen, (6) Dra­ma, (7) Tabu
Arbeits­form: Doku­men­ta­tion, Lis­ten­bil­dung, Work in Progress
Anlass: (…)
TL;DR: (…)
Bildquelle: (…)
URL/Hashtag: (…)

Ste­fan M. Sey­del, aka sms, aka sms2sms in «Zürcher Fest­spiel 1901″ (2019, Foto­cre­d­it: Charles Schny­der):  Twit­ter, Wikipedia (Lem­ma), Youtube (aktuell), Sound­cloud, Mastodon, Insta­gram (ges­per­rt), Snapchat, Tik­Tok, Twitch, t.me/WikiDienstag (Nicht in Betrieb) | Exk­lu­siv: speakerbooking.ch/sms2sms

About @sms2sms, aka Stefan M. Seydel/sms ;-)

Ste­fan M. Sey­del, Jahrgang 1965, ist Unternehmer, Sozialar­beit­er und Kün­stler. Er machte nach ein­er Beruf­slehre als Hochbauze­ich­n­er einen Bach­e­lor in Soziale Arbeit in St. Gallen und einen Mas­ter in der gle­ichen Diszi­plin bei Sil­via Staub-Bernasconi in Berlin. Seine über­wiegend selb­st­ständi­ge Tätigkeit kreist um das The­ma der Entwick­lung und Real­isierung von Pilot- und Impul­spro­jek­ten für renom­mierte Auf­tragge­berin­nen.

Als Kün­stler hat er Ausstel­lun­gen und Per­for­mances auf inter­na­tionaler Ebene präsen­tiert, darunter in der Roy­al Acad­e­my of Arts in Lon­don, dem Deutschen His­torischen Muse­um in Berlin oder ein­er Einze­lausstel­lung “Kun­st Macht Prob­leme” in der Cryp­ta Cabaret Voltaire, Birth­place of DADA in Zürich. Er wurde mit dem Migros Jubilée Award in der Kat­e­gorie Wis­sensver­mit­tlung aus­geze­ich­net und hat diverse Ehrun­gen durch Web­by Awards für seine Arbeit mit rocketboom.com erhal­ten.

Ste­fan war Jury-Mit­glied des Next Idea Prix Ars Elec­tron­i­ca 2010 und war drei Jahre Mit­glied der Schulleitung des Gym­na­si­ums Kloster Dis­en­tis. Sein Wis­sen und seine Erfahrung im Bere­ich der Infor­ma­tion und Tech­nolo­gie haben ihm auch dabei geholfen, mit Sta­tis­tik Stadt Zürich und Wiki­me­dia Schweiz unter WikiDienstag.ch zusam­men­zuar­beit­en.

Sein Engage­ment im Bere­ich der frei­willi­gen Arbeit führte ihn in das Prä­sid­i­um Inter­na­tionaler Bodensee Club (Leitung Fach­gruppe Wis­senschaft) oder für einige andere Jahre als Vice-Präsi­dent des von Paul Wat­zlaw­ick ini­ti­ierten P.E.N.-Club Liecht­en­stein. Sey­del hat unter ((( rebell.tv ))) zwei Büch­er zusam­men mit sein­er Part­ner­in Tina Piazzi veröf­fentlicht, viele Kolum­nen, Fach­texte und jour­nal­is­tis­che Texte pub­liziert.

Seine Arbeit auf Social Media nutzt er als Microblog­ging. In seinem Blog ver­ar­beit­et er seine The­men. Einige davon wer­den auf Anfra­gen zu les­baren Tex­ten ver­tieft, andere wer­den zu Vorträ­gen aus­ge­baut. Bei Carl Auer Ver­lag in Hei­del­berg, sam­melt er “Ele­mente ein­er näch­sten Kul­tur­form”. Seine Entwick­lun­gen im Kon­text der sozial­räum­lichen Inter­ven­tion (“Arbeit am Sozialen”) machen konkrete Vorschläge in Bezug auf die Beant­wor­tung der Sozialen Frage.

Nach 12 Jahren Berlin und 6 Jahren Zürich zog er aber in sein­er zweit­en Leben­shälfte vom Bodensee der Rhein­quelle ent­ge­gen nach Dissentis/Mustér und hat seine Reisetätigkeit fast ganz eingestellt. Dafür macht er umsomehr soge­nan­nte Pas­sadis und #Feed­logs (Orgiastik). Das sind Arbeitsmeet­ings an inten­tionalen Fra­gen in einem Lifestream. (so?) Text sup­port­ed by #TaaS

Aus Band 2 von: Tina Piazzi & Ste­fan M. Sey­del, Junius-Ver­lag Ham­burg | pdf: Band 1, 2009 | Band 2, 2010

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