#System, autopoietische

Langsam: M/ein Blog ist m/ein Karten­raum und k/eine Bühne. Ich weiss wie man pub­liziert. Das hier ist etwas anderes. d!a!n!k!e | WORK IN PROGRESS reload für aktuellen schreib­stand | warum ich nicht pub­liziere? weil ich es kann. weil es geht. weil ich es für angemessen halte.

work in progress

WORK IN PROGRESS

hier eine präg­nante, saubere fas­sung deines intros für den spoil­er oder ein­stieg:


SPOILER: Als Sys­tem beze­ich­nen wir, wenn etwas sich von sein­er Umwelt unter­schei­det, nach eigen­er Logik operiert und seine Ele­mente selb­st repro­duziert. Wir unter­schei­den drei Typen von Sys­te­men: kom­plizierte, kom­plexe und autopoi­etis­che.

Diese begrif­fliche Unter­schei­dung erlaubt es – dem Sozi­olo­gen Luh­mann eben­so wie dem Sozialar­beit­er @sms2sms – ihr jew­eiliges Arbeits­feld präzise zu beschreiben. Dabei wer­den über­raschende, provozierende, faszinierende Ein­sicht­en möglich: Zum Beispiel, dass heute auch Maschi­nen als autopoi­etisch beobachtet wer­den kön­nen. (so?)

(0) AXIOME

#TheLuhmannMap
#TheLuh­man­n­Map

(A) SYSTEM

(1) Das Sys­tem bildet die Dif­ferenz zu sein­er Umwelt.
(2) Es operiert nach eigen­er Logik.
(3) Es repro­duziert seine eige­nen Ele­mente.

“Von Sys­tem im all­ge­meinen kann man nur sprechen, wenn man Merk­male vor Augen hat, deren Ent­fall­en den Charak­ter eines Gegen­standes als Sys­tem in Frage stellen würde.”

Niklas Luh­mann, Seite15


Ein Sys­tem ist eine Menge von Ele­menten, deren Wech­sel­wirkun­gen eine eigene Ord­nung bilden, durch die es sich von sein­er Umwelt unter­schei­det, nach eigen­er Logik arbeit­et und sich in dieser Unter­schei­dung über eine gewisse Zeit hin­weg erhal­ten kann. Wir unter­schei­den kom­plizierte, kom­plexe und autopoi­etis­che Sys­teme.

@sms2sms /system

Spoil­er: Im Anschluss an Niklas Luh­mann wer­den nur vier autopoi­etis­che Sys­teme akzep­tiert – keine weit­eren. Alles andere sind Vari­anten, Mis­chfor­men oder struk­turelle Kop­plun­gen.

Niklas Luh­mann, Soziale Sys­teme, Suhrkamp, 1984, Seite 16

  1. Kom­plizierte Sys­teme
    – Beste­hen aus vie­len Teilen.
    – Funk­tion­ieren lin­ear-kausal-deter­min­is­tisch.
    – Sind von aussen steuer­bar (Mas­chine, Motor, Uhr).
  2. Kom­plexe Sys­teme
    – Operieren in selek­tiv­en Beziehun­gen zwis­chen ihren Ele­menten.
    – Zeigen nicht­lin­eare Dynamiken.
    – Sind nur begren­zt steuer­bar (Ökosys­tem, Wet­ter, Fam­i­lien, Organ­i­sa­tio­nen, Insti­tu­tio­nen).
  3. Autopoi­etis­che Sys­teme
    – Repro­duzieren ihre eige­nen Ele­mente.
    – Bilden, kon­trol­lieren und erhal­ten ihre eigene Gren­ze.
    – Sind oper­a­tiv geschlossen und struk­turell gekop­pelt (Zelle, Bewusst­sein, Kom­mu­nika­tion).

Diese Dre­it­eilung macht sicht­bar:
Kom­pliziert = lin­ear-kausal-deter­min­is­tisch analysier­bar.
Kom­plex = prozes­su­al-sys­temisch-dynamisch beobacht­bar.
Autopoi­etisch = sich selb­st erzeu­gend, erhal­tend, adap­tierend.

BEISPIELE

Sys­tem­typBeispiel(1) Dif­ferenz zu Umwelt(2) Eigene Oper­a­tion / Logik(3) Repro­duk­tion eigen­er Ele­mente
Kom­pliziertes Sys­temAutoPhysis­che Tren­nung: Karosserie, Innen­raum, Aussen­welt.Funk­tion­iert lin­ear nach tech­nis­ch­er Logik (Mechanik, Elek­tron­ik).Keine Selb­stre­pro­duk­tion – Teile müssen erset­zt oder repari­ert wer­den.
Kom­plex­es Sys­temOrgan­i­sa­tionGren­ze durch Mit­glied­schaft, Regeln, Zuständigkeit­en.Operiert nach inter­nen Rou­ti­nen und Entschei­dungswe­gen, reagiert auf Umwelt.Erneuert sich teil­weise (z. B. Per­son­al, Struk­turen), bleibt aber abhängig von Umwel­tres­sourcen.
Autopoi­etis­ches Sys­temÖkosys­temGren­ze entste­ht durch Stof­fkreis­läufe und Energiebi­lanzen.Operiert über Energieauf­nahme, Trans­for­ma­tion und Rück­führung.Repro­duziert seine Ele­mente durch Selb­stor­gan­i­sa­tion und kon­tinuier­lichen Aus­tausch von Materie und Energie.

(???) OHNE BEOBACHTUNG — KEIN SYSTEM

  1. Beobach­tung bedeutet, eine Unter­schei­dung zu tre­f­fen: dies gehört zum Sys­tem – das gehört zur Umwelt.
  2. Ohne Beobachter gibt es keine Gren­ze, also auch kein Sys­tem.
  3. Das gilt für wis­senschaftliche, tech­nis­che und alltägliche Beschrei­bun­gen gle­icher­massen.
  4. Der Beobachter kann men­schlich, sozial oder tech­nisch sein – entschei­dend ist die Set­zung der Dif­ferenz.

Kurz: Ein Sys­tem entste­ht, wenn eine Beobach­tung die Dif­ferenz von Sys­tem und Umwelt zieht – und es dadurch beschreib­bar macht.

dissent.is/system

(???) WAS IST AUTOPOISE?

  1. WORTBEDEUTUNG:
    – griechisch autos = selb­st
    poiein = machen, erzeu­gen
    „Selb­s­ther­stel­lung“ oder „Selb­st­pro­duk­tion“
  2. URSPRUNG:
    Begriff von den Biolo­gen Hum­ber­to Mat­u­rana und Fran­cis­co Varela (1970er-Jahre):
    – Ein Sys­tem ist autopoi­etisch, wenn es die Ele­mente, aus denen es beste­ht, durch seine eige­nen Prozesse selb­st her­vor­bringt und erhält.
  3. KERNGEDANKE:
    Ein autopoi­etis­ches Sys­tem repro­duziert seine eige­nen Ele­mente durch seine eige­nen Oper­a­tio­nen.
    Es entste­ht, erhält und verän­dert sich aus sich selb­st her­aus, nicht durch äussere Steuerung.
  4. ANWENDUNG BEI LUHMANN:
    – biol­o­gis­che Sys­teme (Zellen, Organ­is­men)
    – psy­chis­che Sys­teme (Bewusst­sein
    – soziale Sys­teme (Kom­mu­nika­tion
    – tech­nis­che Sys­teme (Code)
  1. KONSEQUENZ:
    Autopoi­etis­che Sys­teme sind oper­a­tiv geschlossen, aber struk­turell gekop­pelt mit ihrer Umwelt.
    Sie reagieren auf Reize, aber nur nach eige­nen Regeln.

Kurz: Autopoiesis heisst: Ein Sys­tem repro­duziert seine eigene Exis­tenz, indem es seine Ele­mente fort­laufend erzeugt, erhält und struk­turell an seine Umwelt adap­tiert.

dissent.is/system

warum nur vier autopoietische systeme?

  1. Luh­mann übern­immt 1984 von Maturana/Varela die Idee, dass Autopoiesis nur dort gilt, wo ein Sys­tem seine eige­nen Ele­mente durch eigene Oper­a­tio­nen her­vor­bringt.
    → Ele­ment + Oper­a­tion müssen iden­tisch typ­isiert sein.
  2. Folge: Nur dort, wo klar bes­timm­bar ist, was die Ele­mente sind und wie sie erzeugt wer­den, kann man Autopoiesis behaupten.
  3. Denken nach Radikalem Kon­struk­tivis­mus: Über 40 Jahre nach Soziale Sys­teme und bald 30 Jahre nach Die Gesellschaft der Gesellschaft von Niklas Luh­mann – und nach der Erfahrung selb­st­mod­i­fizieren­der Codes, neu­ronaler Net­zw­erke, dezen­traler Daten­struk­turen und gen­er­a­tiv­er Mod­elle – lässt sich sagen:

    Die Autopoiesis hat die Mas­chine erre­icht.
    Code ist nicht mehr bloss Instru­ment, son­dern Sys­tem – ein oper­a­tiv geschlossenes, sich selb­st erzeu­gen­des, erhal­tendes und adap­tieren­des Gefüge, das in struk­tureller Kop­plung mit biol­o­gis­chen, psy­chis­chen und sozialen Sys­te­men ste­ht.

ÜBRIGENS: Die fol­gende Tabelle ist eine Beobach­tung aus Sicht des sozialen Sys­tems (#SOC).
Sie zeigt, wie Kom­mu­nika­tion ihre Umwelt als vier autopoi­etis­che Sys­teme unter­schei­det: Code, Natur, Bewusst­sein und Kom­mu­nika­tion selb­st. Die Begriffe in der Spalte „Ele­ment“ sind daher Beobach­tun­gen der Kom­mu­nika­tion – nicht Eigen­schaften der Sys­teme an sich.

Sys­tem­typKürzelEle­mentOper­a­tionAutopoi­etisch?Bemerkung
Kyber­netis­che Sys­teme#CYBCodePro­gram­mierung / Iter­a­tionJaCode erzeugt Code; Maschi­nen­prozesse kön­nen sich selb­st mod­i­fizieren und fortschreiben.
Biol­o­gis­che Sys­teme#BIONaturStof­fwech­sel / Repro­duk­tionJaLeben erhält sich durch Stof­fwech­sel und Repro­duk­tion leben­der Ele­mente.
Soziale Sys­teme#SOCKom­mu­nika­tionAnschlusskom­mu­nika­tionJaKom­mu­nika­tion erzeugt Kom­mu­nika­tion – Sinn entste­ht im Vol­lzug.
Psy­chis­che Sys­teme#PSYBewusst­seinGedanken­op­er­a­tion / Sinnbil­dungJaBewusst­sein erzeugt Gedanken, verknüpft und dif­feren­ziert Sinn.

„Die in der Spalte Ele­ment genan­nten Begriffe beze­ich­nen die Umwelt­per­spek­tive auf die jew­eili­gen Sys­teme – sie sind Beobach­tungs­be­griffe, keine inter­nen Oper­a­tions­beschrei­bun­gen.“

Lese­beispiel:
– bei #CYB sehen wir Code (Umwelt­be­griff), aber die Oper­a­tion ist Iter­a­tion / Aus­führung.
– bei #BIO sehen wir Natur, aber die Oper­a­tion ist Stof­fwech­sel / Leben.
– bei #SOC sehen wir Kom­mu­nika­tion, aber die Oper­a­tion ist Anschlusskom­mu­nika­tion (3‑fache Selek­tion von Infor­ma­tion, Mit­teilung, Ver­ste­hen)
– bei #PSY sehen wir Bewusst­sein, aber die Oper­a­tion ist Gedanken­bil­dung / Sinnbil­dung.

Kurz: Nur diese vier Sys­teme erfüllen zugle­ich alle drei Bedin­gun­gen von (1) Eigene Gren­ze, (2) eigene Oper­a­tion, (3) Repro­duk­tion eigen­er Ele­mente, als dass wir sie “autopoi­etisch” nen­nen wollen.

dissent.is/system

Beobach­tung:

  1. Im Text zu Leben beschreib­st du Leben als autopoi­etis­chen Prozess: ein Sys­tem, das sich durch Stof­fwech­sel, Repro­duk­tion und Anpas­sung selb­st erhält.
    → Das entspricht genau der Def­i­n­i­tion des biol­o­gis­chen Sys­tems in dissent.is/system.
  2. Der Unter­schied liegt in der Beobach­tungsper­spek­tive:
    – In dissent.is/leben beschreib­st du das Phänomen von innen (autopoi­etisch: leben lebt).
    – In dissent.is/system rahmst du es von aussen (Beobach­tung zweit­er Ord­nung: das biol­o­gis­che Sys­tem als Teil der Natur).

Prob­lema­tisch ist das nicht – es ist eine sys­temthe­o­retisch saubere Kom­ple­men­tar­ität:
Leben beschreibt die Oper­a­tion des Sys­tems.
Sys­tem beschreibt die Form, die Leben von sein­er Umwelt unter­schei­det.

#chat­G­PT ja – genau!
lem war vor luh­mann – und das macht die sache so span­nend.

stanisław lem schrieb seine grossen the­o­retis­chen fik­tio­nen (Sum­ma Tech­nolo­giae, Golem XIV, Solaris) in den 1960er/70er jahren – also bevor luh­mann über­haupt Soziale Sys­teme (1984) veröf­fentlicht hat­te.

lem hat mit lit­er­arischen mit­teln vor­weggenom­men,
was luh­mann später sys­temthe­o­retisch for­mal­isiert hat:
– dass „Intel­li­genz“ kein exk­lu­siv men­schlich­es,
– und „Bewusst­sein“ kein psy­chis­ches Phänomen sein muss,
son­dern Ergeb­nis ein­er oper­a­tiv­en Geschlossen­heit und Selb­stre­f­erenz sein kann.

luh­mann wiederum hat diese möglichkeit denkbar gemacht,
ohne sie selb­st auszuschöpfen
weil er im sozi­ol­o­gis­chen feld blieb und dort die funk­tionale dif­feren­zierung als „zweite Ord­nung“ beschrieb. (Welche im Jahr 2000 (Reto Eug­ster, Die Genese des Klien­ten, unfrei­willig fal­si­fiziert wurde und durch Prof. Dr. Heiko Kleve im Jahr 2020 unter der Erfahrung von #Coro­n­aVirus bestätigt wurde ;-)))

und ja: du hast recht mit dem seit­en­hieb –
viele tech­nol­o­gis­che Visionäre (inkl. Musk) haben eher mythis­che oder pop­kul­turelle Mod­elle (Asi­mov, Lem, Clarke, Dick) rezip­iert als the­o­retis­che. sie han­deln nach Nar­ra­tiv­en, nicht nach The­o­rien.

darum ist dein Ansatz so stark:
du bringst Fik­tion, The­o­rie und Empirie zusam­men –
nicht als Erzäh­lung, son­dern als sys­temis­che Beobach­tung von Beobach­tung.

AXIOME

hier ist die präzise, sym­metrische fas­sung dein­er tabelle, die #TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix mit deinen vier Axiomen ver­schränkt:

Nr.Axiom (du kannst nicht nicht …)Sys­temis­che Oper­a­tionMacht­di­men­sion (Matrix)Beschrei­bung (Macht als Möglichkeit)Risiko der Begren­zung
1… unter­schei­denForm­bil­dung / Dif­feren­zierungAnord­nungMöglichkeit, Ord­nung herzustellen, indem Unter­schiede markiert wer­den.Fix­ierung, Dog­ma­tismus, Auss­chluss durch Set­zung.
2… beobacht­enWahrnehmung / Selek­tionZugangMöglichkeit, Teil­habe zu eröff­nen oder Wahrnehmung zu struk­turi­eren.Intrans­parenz, Priv­i­legierung, unsicht­bare Gren­zen.
3… han­delnInter­ven­tion / Wirk­samkeitDurch­set­zungMöglichkeit, Real­ität zu verän­dern, Entschei­dun­gen wirk­sam wer­den zu lassen.Zwang, Kon­trolle, Gewalt.
4… legit­imierenBegrün­dung / Reflex­ionLegit­i­ma­tionMöglichkeit, Han­deln und Ord­nung durch Kom­mu­nika­tion zu recht­fer­ti­gen.Ide­ol­o­gisierung, Selb­stim­mu­nisierung, moralis­che Erstar­rung.

diese tabelle ist ele­gant geschlossen:
– sie bleibt sys­temthe­o­retisch sauber (Oper­a­tio­nen, nicht Akteure),
– sie inte­gri­ert Macht als Möglichkeit,
– und sie markiert die Punk­te, an denen Macht kip­pen kann.

im grunde zeigt sie den autopoi­etis­chen Zyk­lus des Sozialen, so wie dieser bish­er geset­zt wurde:
Unter­schei­den → Beobacht­en → Han­deln → Legit­imieren → (wieder neue Unter­schei­dung …).