#SozialDigital – Warum #Digitalisierung bezeichnet, wovon #Sozialarbeit schon immer geträumt hat? (Stefan M. Seydel/sms ;-)

WORK IN PROGRESS

Vloggen­des Schreiben: Reload für den aktuellen Schreib­stand

Metatags:
Textsorte: Dra­ma
Arbeits­form: Live-Blog­ging, Work in Progress. Danach: Doku­men­ta­tion
Anlass: Input (30min): 16. und 17. Sep­tem­ber 2020, Ilse Arlt Insti­tut für Soziale Inklu­sions­forschung, Arlt Sym­po­sium
TL;DR: #PaulWat­zlaw­ick hätte unter dem Tagungsti­tel “SozialDig­i­tal” spon­tan eine Faschis­muskon­ferenz erwartet (so?)
Bildquelle:  #DataL­it­er­a­cy — Ele­mente ein­er Kul­tur­form der Dig­i­tal­isierung
URL/Hashtag: dissent.is/SozialDigital #SozialDig­i­tal @fh_stpoelten

Mein Schlussfeed­back an das Sym­po­sium | Alle Tweets auf Twit­ter unter #SozialDig­i­tal und dem offiziellen Hash­tag: #ArltSymposium2020 | Offizielle Twit­ter­Wall: https://walls.io/p5jsd

Zur Homepage der Tagung an der FH St. Pölten

DAS INTRO

(Wenn ich am 16. Sep­tem­ber 2020 das Wort im Stream erhal­ten werde, sage ich fol­gen­des:)

  • Vie­len Dank.
  • Mein Input will ich ver­standen haben als eine Wieder­hol­ung des Aufrufs von Sil­via Staub-Bernasconi: Abschied zu nehmen von der Beschei­den­heit.
  • Den Text habe ich in meinem Blog dissent.is entwick­elt: dissent.is Schrägstrich SozialDig­i­tal
  • Auf Grund meines Work­flows beim Schreiben und meinem Arbeits­set­ting hier, werde ich den Input als 10-Minuten Video abspie­len lassen.
  • Ich freue mich auf die anschliessende Q&A‑Session.
  • Darf ich die Mod­er­a­tion bit­ten, das Video abspie­len zu lassen?
  • Her­zlichen Dank.

DER INPUT — Panel 1/3

(Dieser Text vor­ge­tra­gen — Text ohne Recht- und Richtigschreibko­r­rek­tur und nicht zur Über­nahme in dis­tribuierende Medi­en freigegeben. Danke für allfäl­lige Ver­linkun­gen in anderen Blogs.)

«Wel­come to the ger­man-speak­ing Part of Europe»

Danke, Alois Huber, für das Abspie­len des Videos.

dissent.is/SozialDigital

Das 4. Axiom von Paul Wat­zlaw­ick machte 1967 die Set­zung:

«Men­schliche Kom­mu­nika­tion bedi­ent sich analoger und dig­i­taler Modal­itäten.»

“Dig­i­tale Kom­mu­nika­tion” hat in der Denk­tra­di­tion des “Radikalen Kon­struk­tivis­mus” und den darauf auf­bauen Sys­temthe­o­rien unter­schiedlich­er Aus­for­mulierun­gen zunächst nichts mit “Kabeln, Tas­taturen und Bild­schir­men” zu tun.

Paul Wat­zlaw­ick hat 1967 mit Freaks & Nerds zusam­mengear­beit­et, welche an dem Mitwirk­ten was später — und bis heute — “Inter­netz” genan­nt wird.

Er wusste um “Kabeln, Tas­taturen, Bild­schirme”.

Als junger Stu­dent — zuerst in St. Gallen und später bei Sil­via Staub-Bernasconi in Berlin — habe ich meine Sem­i­narar­beit­en am Com­put­er geschrieben. Aber es wäre mir nie in den Sinn gekom­men, dass “Dig­i­tale Kom­mu­nika­tion” etwas mit “Kabeln, Tas­taturen, Bild­schirme” zu tun haben kön­nte.

“Dig­i­tale Kom­mu­nika­tion” ist eine Kom­mu­nika­tion welche präzise Präzi­sion erzwingt.

“Analoge Kom­mu­nika­tion” ist alles Andere.

Dig­i­tal meint: Ja/Nein. Ein/Aus. Null/Eins. “Ein biss­chen schwanger geht nicht.”

(Pause)

Wenn ich den Hash­tag #SozialDig­i­tal sehe, werde ich unruhig. (Das sage ich jet­zt schon seit 3 Jahren diesem hier mitor­gan­isieren­den Team. — Schön, dass ich doch immer noch ein­ge­laden werde ;-)

Wenn das Soziale Dig­i­tal wird, dann denke ich an C. Wolf­gang Müller, wie er in der Pflichtlit­er­atur für das Studi­um der Sozialen Arbeit erzählt “Wie Helfen zum Beruf wurde”.

Wenn das Soziale Dig­i­tal wird, nen­nen wir das “Faschis­mus”. Dann wird so präzis wie maschinell

  1. definiert und diag­nos­tiziert,
  2. aus­ge­gren­zt und aus­geson­dert,
  3. aus­ge­merzt und eingeschläfert.

Wenn das Soziale Dig­i­tal wird, ist das Gegen­teil der Ziele von Sozialer Arbeit eingetrof­fen.

Wenn wir Unter­schei­den, Beobacht­en, Han­deln: Wir hal­ten uns unser Wis­sen über unseren eige­nen “Blind­en Fleck” vor Augen. Wir bemühen uns um die Ein­hol­ung von anderen Per­spek­tiv­en. Wir befra­gen andere Diszi­plinen, welche das ange­blich gle­iche Prob­lem, noch ganz anders erk­lären. Wir üben uns in Ambi­gu­i­tät­stol­er­anz, All­parteilichkeit, behar­ren auf unser Triple-Man­dat und immer so weit­er.

Die let­zten Monat­en waren auch vor diesem Hin­ter­grund ausseror­dentlich belas­tend:

  • Der Staat machte schw­er­wiegen­ste Ein­griffe in die Grun­drechte.
  • Wis­senschaft war entwed­er ganz still oder befeuerte die poli­tis­chen Entschei­de.
  • Massen lei­t­ende Medi­en miss­braucht­en die Tech­nik des “Fram­ings” um knall­harte Gren­zen zu Ver­schwörungs­the­o­rie, Covid­ioten und Wis­senschaft­sleugern einzuziehen.

Bist du dafür? Oder bist du dage­gen?

Schon ein Zögern, ist Beweis: “Du bist ein Arschloch” und du kannst weg gemacht wer­den.

Das Löschen von Accounts, ist kein Löschen von Men­schen.
Hass im Netz, ist nicht Hass am Kör­p­er.
Gewisse Prob­lem­lö­sun­gen, sind das Prob­lem selb­st.

Wäre Soziale Arbeit eine Men­schen­recht­spro­fes­sion, hät­ten wir es in den let­zten Monat­en lau­thals gehört: Wer Ein­griffe in die Grun­drechte macht, hat sich selb­st auf die Anklage­bank geset­zt. Meldet sich sofort im Team mit dem Zwis­chen­fall. Schreibt sofort ein Pro­tokoll. Bucht zusät­zliche Einzel­su­per­vi­sion. Wird freigestellt, bis der Sachver­halt gek­lärt wird. Das ist für Pro­fes­sionelle Soziale Arbeit Stan­dard. (Oder es ist keine pro­fes­sionelle Soziale Arbeit.)

Hätte es kein Inter­net gegeben in den let­zten Monat­en, wären abwe­ichende Mei­n­un­gen, Hin­weise, Argu­mente völ­lig aus­ge­blieben. Ein gesellschaftlich­er Super­GAU.

Das lau­thalse Ver­s­tum­men Sozialer Arbeit, beschäftigte mich seit 30 Jahren. Ein Höhep­unkt war sich­er die For­mulierung der ICH AG um die Jahrtausendwende: Wie lei­den an gesellschaftlichen Ver­hält­nis­sen als ein indi­vidu­eller Fehler im eige­nen Busi­ness­mod­ell “geframed” wurde. Eine totale Ökonomisierung aller men­schlichen Bere­iche, kon­nte vor 20 Jahren an den irri­ta­tions­frei gewählten Worten der Sozialdemokratis­chen Partei von Deutsch­land abge­le­sen wer­den. Es gab kaum Wider­stand. Soziale Arbeit erhielt ger­ade Fach­hochschulehrgänge und uni­ver­sitäre Mas­ter­lehrgänge und war grad recht beschäftigt.

Das ist empörend.
Das ist ver­wirrend.
Das ist deprim­ierend.

Sil­via Staub-Bernasconi nutzte immer wieder die Formel vom “Abschied von der Beschei­den­heit”. Mir scheint, die Zeit wäre gün­stig, dieses Anliegen noch ein­mal in den Blick zu nehmen.

“Dig­i­tal­isierung” — so wie es Poli­tik, drittmit­telfix­ierte und damit auch Feuil­leton-ori­en­tierte Wis­senshaft und Massen lei­t­ende Medi­en nutzen, tut so, als gin­ge es um “Kabeln, Tas­taturen, Bild­schirme”. Tat­säschlich beschreibt Dig­i­tal­isierung aber lediglich das, was Pro­fes­sionelle Soziale Arbeit seit 500 Jahren prak­tiziert und the­o­retisiert.

Für uns in der Schweiz begin­nt pro­fes­sionelle, staatlich zwangs­fi­nanzierte, Soziale Arbeit am Hochfest Mar­iä Empfängis vom 8. Dezem­ber 1524: Die Äbtissin Katha­ri­na von Zim­mern gibt dem inner­städtis­chen Frieden zu Liebe ihre gewaltige Macht über Zürich auf. Spätere Namen muss ich hier nicht erwäh­nen: Jane Addams (1860–1935), Mary Park­er Fol­let (1868–1933), Alice Salomon (1872–1948) und natür­lich “unsere” Ilse Arlt (1876–1960).

Der Grundgedanke ist sehr ein­fach und es gibt dazu ein Nar­ra­tiv, was quer durch unsere Gesellschaft und über weite Teile des Globus aufgerufen wer­den kann. Es heisst:

“Die Vier Industriellen Revolutionen”

Während (1) “Mech­a­nisierung” und (2) “Motorisierung” die Dom­i­nanz von lin­ear-kausalen-deter­min­is­tis­chen Beziehun­gen favorisiert und damit unglaublich wirkungsmächtig gewor­den ist, kommt es mit (3) “Automa­tisierung” und (4) “Dig­i­tal­isierung” zu dem, was unsere Altvorderen “Par­a­dig­men­wech­sel” genan­nt haben: Die Favorisierung der Beobach­tung von prozes­su­al-sys­temis­chen-dynamis­chen Beziehun­gen.

Noch bis in unsere Tage hinein, kon­nten die Inge­nieure, Tech­niker und die Geld-sprechende Poli­tik Sozialer Arbeit ein “Tech­nolo­gie-Defiz­it” (Mar­i­anne Mein­hold) vor­w­er­fen. Heute hat sich das voll­ständig gedreht. Inge­nieure, Tech­niker, selb­st die Poli­tik — arbeit­et in “Agilen Set­tings” und ver­weigert selb­st dann “Wasser­fall­pro­jek­te”, wenn es angemessen wäre, zum Beispiel beim Bau eines Flughafens.

Es ist eine hervorragende Zeit, neue Qualitionen einzugehen.

In einem Text für die NZZ habe ich kür­zlich von “Dick­häutern” gesprochen, welche die Zeit von Coro­na-Virus nutzten, um noch ein­mal ihre gewaltig Macht auszus­pie­len.

Aber es haben sich längst andere Struk­turen her­aus­ge­bildet, welche auf der Ebene agieren, welche wir in der Sozialen Arbeit unter dem Stich­wort “Welt­ge­sellschaft” ver­han­delt haben.

Es sind ganze Rechtssys­teme — zum Beispiel Cre­ative Com­mons — in kol­lab­o­ra­tiv­en Schreib­sys­te­men auf glob­alem Lev­el her­aus­be­bildet wor­den. Com­put­er­sys­teme — zum Beispiel Lin­ux — lassen sich beobacht­en unter dem Aspekt von #Open. Wikipedia/Wikidata unter dem Aspekt von #Free, was heute eine Auf­gabe von Öffentlich-Rechtlich oder #Ser­vi­cePub­lic sein müsste und uralte Konzepte der “All­mende” erin­nert. Und so weit­er:

Ich will damit nur andeuten: Das Feld ist längst offen und bere­it. Und noch ein­mal: Dig­i­tal­isierung hat zunächst nichts mit “Kabeln, Tas­taturen, Bild­schirme” zu schaf­fen, son­dern mit den Kernkom­pe­tenz von Sozialer Arbeit: Umgang mit Prozessen und Dynamiken, mit Beziehun­gen und Kon­stel­la­tio­nen, es geht weit­er­hin um Fra­gen der Macht. Die prob­lema­tisierung von Behin­derungs- und das Rin­gen um Begren­zungs­macht.

Wir ste­hen Mit­ten in einem Sozialen Wan­del, welche so drama­tis­che Fol­gen hat, wie zuvor nur die Ein­führung von Sprache, Schrift, Buch­druck und Com­put­er (Dirk Baeck­er #SznG). Was die “Alpha­betisierung” und die “Demokratie” für die 2. indus­trielle Rev­o­lu­tion war — die Motorisierung — ist #DataL­it­er­a­cy und “Anar­chie” (nicht Anomie!) — ver­mut­lich in der Form von Xerokratie — wie diese bei Tic­Toc leicht zu zeigen wäre und von den Kindern selb­stver­ständlichst in unter­schiedlich­sten Kon­tex­ten gelebt wird.

Wozu bemühte sich Soziale Arbeit vor 30 Jahren um Zugang zu Fach­hochschulen und uni­ver­sitäre Lehrgänge?

Weil wir uns noch nie als Beruf ver­standen haben, son­dern immer auch als Pro­fes­sion und Diszi­plin.

Darum will ich hier schliessen mit: DIGITALISIERT EUCH.

Und im Übri­gen: Julien Assange gehört seit 10 Jahren nicht ins Gefäng­nis.

Nachträge

Archiv 2004

(Aggressiver Thread im Nachgang zur Tagung… ;-)

Notierung und Lesung des 3. Ver­such direkt im Anschluss an den Live-Stream mit Gun­nar Kaiser, mit­ten in der Nacht:

DER INPUT — 2. Versuch

Aus­ge­spielte Fas­sung inkl. allen Tipp-Fehlern… Vielle­icht mache ich später eine Kor­rek­tur­phase. Jet­zt kann ich lei­der nicht mehr am Text arbeit­en :-( Danke für alle Feed­backs. sms@dfdu.org (oder via Social Media, ver­gl. am Ende dieses Ein­trags.)

«Wel­come to the ger­man-speak­ing Part of Europe»

(Das ist ein Meme. Es ist die Begrüs­sungs­formel — seit über 15 Jahren — in meinen täglichen Vlogs. Damals unter rebell.tv — heute bei WikiDienstag.ch) Es geht los: Der Text, das Mak­ing of, viele Links unter:

dissent.is/SozialDigital

Danke Alois Huber.

Den Text würde ich so in kein Buch übergeben wollen. Ich bin am lei­den. Ihr merkt auch gle­ich woran… Ich freue mich, wenn ihr mich kol­le­gial-wohlwol­lend in mein­er Not begleit­en wollt.

Woran hätte Paul Watzlawick gedacht, wenn er den Hashtag #SozialDigital gesehen hätte?

Ich will aus strate­gis­chen Grün­den unter­stellen, Paul Wat­zlaw­ick hätte selb­stver­ständlichst an sein 4. Axiom gedacht:

«Men­schliche Kom­mu­nika­tion bedi­ent sich analoger und dig­i­taler Modal­itäten.»

Wenn das Soziale — was auch immer das sein mag — sich “dig­i­tal­isiert” — sich dig­i­tal zur Darstel­lung bringt — als Dig­i­tal beschrieben wer­den kann, dann ist das die Beze­ich­nung — ein Syn­onym — für “Faschis­mus”.

Unter Faschis­mus will ich in Anlehnung an C. Wolf­gang Müller — “Wie Helfen zum Beruf wurde” — als ein sozialer Vor­gang ver­ste­hen, in welchem

  1. definiert und diag­nos­tiziert
  2. aus­ge­gren­zt und aus­geson­dert
  3. aus­ge­merzt und eingeschläfert wird.

Jed­er einzelne Punkt in diesem symetrischen Prozessver­lauf ver­weist auf das Gegen­teil der Ziele von Sozialer Arbeit.

Und zwar bere­its vom seinem Punkt an: definieren und diagsno­tizieren. Es gab Zeit­en, da hat Kri­tis­che Soziale Arbeit jed­wede Ver­schriftlichung ihrer Arbeit ver­weigert. Von solch radikalen Posi­tio­nen höre ich heute erschüt­ternd wenig. Bin aber umsomehr an Links und Hin­weisen inter­essiert ;-)

Kurzum: Mir scheint es attrak­tiv zu sein, den Begriff “Dig­i­tale Soziale Arbeit” zu skan­dal­isieren, weil damit sehr ein­fach, auf die Ziele von Sozialer Arbeit ver­wiesen wer­den kann und um den Abstand zu aktueller Prax­is zu ver­messen. Darum werde ich zum Schluss dieses Inputs einen Vorschlag machen, wie wir mit dem Begriff “Dig­i­tal­isierung” so umge­hen kön­nen, dass für Such­be­we­gun­gen und die “Arbeit am Sozialen” wiederum ein angemessen­er Raum ver­spun­den ist.

Lasst mich mit dem Anfang begin­nen. (Hans Ulrich Obrist)

Ok. Ich bin ein alter Mann. 55, ist das alt? Ok: Für 25-jährige Studierende der Sozialen Arbeit natür­lich schon. Nadenn: So erzäh­le ich halt als Opa von mein­er Stu­dien­zeit:

Ich wurde von Dozieren­den — teil­weise noch ganz nah an Trä­nen ihres Trau­mas — in Beruf, Pro­fes­sion und Diszi­plin Sozialer Arbeit einge­führt.

In den ganzen Jahren, wie ich meine Grun­daus­bil­dung an der heuti­gen Fach­hochschule St. Gallen und den Mas­ter­lehrgang bei Sil­via Staub-Bernasconi in Berlin machte, war für uns in unseren Fachge­sprächen zu jedem Zeit­punkt klar, was wir beze­ich­nen, wenn wir von “Dig­i­taler Kom­mu­nika­tion” sprechen.

Daran anschliessend kon­nten wir auch die Def­i­n­i­tion aus dem 5. Axiom nutzen und irri­ta­tion­s­los von “sym­metrisch­er Kom­mu­nika­tion” sprechen und erk­lären, wie es zu “kom­mu­nika­tiv­en Eskala­tio­nen” kommt. Aus sich her­aus erk­lärten sich so viele tra­gende Grund­konzepte für Soziale Arbeit. Diese “Arbeit am Sozialen” — und eben nicht an Kör­pern — und eben nicht an Psy­chen:

  • Mul­ti­per­spek­tive
  • All­parteilichkeit
  • Ambigutität­stol­er­anz
  • Trans­diszi­pli­nar­ität
  • Triple-Man­dat
  • Hil­fe zur Selb­sthil­fe
  • Empow­er­ment
  • Anleitung zum mächtig-sein
  • und immer so weit­er…

Dass “Dig­i­tale Kom­mu­nika­tion” irgend etwas mit Kabeln, Tas­taturen, Bild­schir­men zu tun haben kön­nte, wäre uns in kein­er Mil­lisekunde in die Sinne geschossen. Obwohl auch ich schon an Com­put­ern (Atari ST) meine Sem­i­narar­beit­en geschrieben habe. Und selb­st Paul Wat­zlaw­ick 1967 eng mit Freaks und Neards sein­er Zeit zusam­men gear­beit­et hat, welche grad das entwick­elt haben, was wir bis heute Inter-Netz nen­nen.

Ich will meinen Beitrag hier als Wieder­hol­ung des Aufrufs von Sil­via Staub-Beransconi ver­standen wis­sen, dass es darum geht “Abschied von der Beschei­den­heit” zu nehmen.

Und darum mache ich hier einen Vorschlag, dem Begriff Dig­i­tal­isierung einen Ort zu erfind­en, in welchem dieser keinen weit­eren Schaden anrichtet und wir Sozialar­bei­t­ende — wenig­stens wenn wir unter einan­der in Fachge­sprächen sind — wiederum “Analoge und Dig­i­tale Kom­mu­nika­tion” so unter­schei­den kön­nen, wie es uns eben einen prak­tis­chen Unter­schied an unser­er spez­i­fis­chen Arbeit am Sozialen macht.

Die Axiome von Paul Wat­zlaw­ick müssen — und kön­nen — nach 50 Jahren über­ar­beit­et wer­den. Zusam­men mit Tina Piazzi haben wir im Band “Paul Wat­zlaw­ick 4.0″ (Her­aus­gegeben von unserem Mod­er­a­tor in Pan­el 1, Alois Huber) einen Ver­such zur Diskus­sion gestellt. Hier nun aber wie ver­sprochen die Entwick­lung von einem anderen Aspekt.

Noch ein­mal: «Dig­i­tal» meint: ein­deutig, klar, Null oder Eins. Ein oder Aus. Strom oder nicht Strom: «Ein biss­chen schwanger geht nicht.» – Anlaog meint: alles andere. Zum Beispiel: Non-ver­bale Kom­mu­nika­tion.

VOR Paul Wat­zlaw­ick kom­mun­zierten Men­schen, damit sie sich ver­ste­hen kön­nen.

NACH Paul Wat­zlaw­ick kom­mun­zieren Men­schen, weil sie sich nicht ver­ste­hen kön­nen.

Ver­ste­hen ist ein Missver­ständ­nis: Men­schen müssen sich VERSTÄNDIGEN, weil sie sich nicht VERSTEHEN kön­nen. Sich NICHT ver­ste­hen kön­nen. Sich nicht ver­ste­hen KÖNNEN.

Das hat biol­o­gis­che Gründe. Das hat psy­chis­che Gründe. Und darum fokussiert Soziale Arbeit radikal auf die Arbeit AM SOZIALEN. Das heisst, wie beobacht­en Aus­tausch- und Legit­imierung­sprozesse. Wir prob­lema­tisieren Machtver­hält­nisse. Wir gestal­ten Inter­ven­tio­nen. Die Bio-Psy­cho-Soziale Denk­fig­ur, gibt uns dazu ein Set von Unter­schei­dun­gen, welche uns prak­tis­che Unter­schei­dun­gen gener­ieren.

Wer im Kon­text Sozialer Arbeit im Jahr 2020 hin­ter diese “radikalen” Erken­nt­nisse geht, kann dies gerne tun. Hat sich aber begrün­det zu erk­lären.

Es ist nicht so, dass Soziale Arbeit diesen Paul Wat­zlaw­ick für diese Set­zung gebraucht hätte. GANZ IM GEGENTEIL.

Viel mehr tre­f­fen wir hier auf das Prob­lem, wofür Sil­via Staub-Bernasconi ihr ganzes Leben hingegeben hat: Diese unsägliche Ver­weigerung, Abschied von der Beschei­den­heit zu nehmen und die 500-jährige Pro­fes­sion­al­isierungs­geschichte Sozialer Arbeit zu ken­nen und darauf selb­st­be­wusst und expliz­it zu ref­eren­zieren. Ich will wenig­sten die his­torischen Top-Shots genan­nt haben: Jane Addams (1860–1935), Mary Park­er Fol­let (1868–1933), Alice Salomon (1872–1948) und natür­lich “unsere” Ilse Arlt (1876–1960).

Der Clou ist, dass was heute Massen lei­t­ende Medi­en und auch einige Drittmit­telfix­ierte und darum auch feuil­leton-fokussierte Pro­fes­soren­den so gerne «Dig­i­tal­isierung» nen­nen, als das gezeigt wer­den kann, was Soziale Arbeit seit 500 Jahren ver­langt:

Ich entwick­le dieses ein­fache Chart so:

Wir zeich­nen zwei hor­i­zon­tale Lin­ien. Die obere Lin­ie beschriften wir mit “Kom­plex”. Die untere Lin­ie beschriften wir mit “Kom­pliziert”.

Und nun ein schwungvolles “Just-Do-It”.

Jet­zt rufe ich ein Nar­ra­tiv auf, was weit herum — in Wirtschaft und Poli­tik, in Natur- und Geis­teswis­senschaften, in Massen lei­t­en­den Medi­en und selb­st am Stammtisch ver­standen wird:

“Die 4 Industriellen Revolutionen.”

Die erste Rev­o­lu­tion nen­nen wir «Mech­a­nisierung».

Schon Affen haben gel­ernt, dass sie eine Kokos­nuss bess­er mit einem Stein öff­nen, als mit bloss­er Hand…

Die zweite – jet­zt wird deut­lich, warum von «indus­triellen» Rev­o­lu­tio­nen gesprochen wird — nen­nen wir «Motorisierung»:

Die Kraft von Bach und Wind für das Mühlrad — der Esel, das Ross, die Ochsen für Pflug und Kutsche — wer­den durch Maschi­nen erset­zt: Es dampft, zuck­elt und zis­cht.

Die Kle­in­fam­i­lie entste­ht. Die Lohn­ab­hängkeit. Die Massen­hafte Erwerb­slos­gkeit. Drama­tis­che Kriege. Zunächst weit­er­hin Mann gegen Mann, Sohn gegen Sohn, jet­zt aber auch unter Wass­er und hoch droben in den Lüften. (Das ist die Welt, in welche Paul Wat­zlaw­ick als 17-jähriger Junge gewor­fen wor­den ist.)

Zusät­zlich set­zt sich ein näch­ster “Neol­o­gis­mus” durch: Der Begriff der “Umwelt”. Es wird maschinell real­isiert, dass es auch möglich ist, “Men­schliche Bedürfnisse” — Ilse Arlt lässt fre­undlich Grüssen — zu entziehen, um “Über­flüs­sige Men­schen” so zum “ver­duften” zu brin­gen, dass sie nicht ein­mal berührt wer­den müssen: Die Gas-Kam­mern sind das schauer­liche Sym­bol für diese Prax­is unter dem Faschis­mus.

Ob die Geschichte in hun­dert Jahren damit ein­ver­standen sein wird, dass jene Zeit — in welch­er Soziale Arbeit zu einem Beruf gewor­den ist — gle­ichzeit­ig auch der Tief­st­stand unseres Beruf­s­standes war, muss sich erst noch weisen.

Jeden­falls — um eng in unserem Kul­tur­raum zu bleiben — ele­gan­tisierte die DDR diesen Umwelt-Ansatz: Sie nan­nten es “Zer­set­zung”. In der BRD wurde es später möglich, dass die Sozialdemokratis­che Partei Bürg­erin­nen und Bürg­er — grosse Teile unser­er Adres­saten­grup­pen — als ICH AG beze­ich­nen kon­nte: Lei­den an gesellschaftlichen Ver­hält­nisse wird damit als ein “indi­vidu­eller, sub­op­ti­maler Busi­ness­plan” geframt.

#Fram­ing und ist das neue #Umwelt

Die Rolle von Sozialar­beit in dieser Zeit? Gibt es Forschung dazu? Das braucht es gar nicht. Es ist fotografier­bar.

Und: Wie “die Gesellschaft der Gesellschaft” in den let­zten Monat­en mit soge­nan­nten Wis­senschafts- und Coro­naleugn­ern, Covid­ioten, Ver­schwörungs­the­o­retik­ern umge­gan­gen ist, darauf will ich jet­zt hier nicht einge­hen. Obwohl: Staat­en real­isierten mas­sive Grun­drecht­se­in­griffe, Wis­senschaft haben geschwiegen oder befeuert und Massen lei­t­ende Medi­en leis­teten mas­sives Fram­ing. Und Soziale Arbeit?

Rechtsstaatlich­er Fakt bleibt — wenig­stens solange wie gültig ist: DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTABR: Wer Grun­drecht­se­in­griffe durch­führt, hat sich selb­st auf die Anklage­bank geset­zt und hat detail­liertest Rechen­schaft abzule­gen. Das gilt auch für Soziale Arbeit, wo diese die “Notverord­nun­gen” als engagierte, willige Helferin umge­set­zt haben. Der Spruch: “Wir haben von allem nichts gewusst”, gilt nicht. Der Ver­gle­ich ist ille­git­im? — Bist du sich­er? — Ach :-( Schnell weit­er.

Die dritte indus­trielle Rev­o­lu­tion nen­nen wir «Automa­tisierung»:

Die Motoren erhal­ten nun Sen­soren und es sieht von Aussen betra­chtet so aus, als wür­den diese Maschi­nen selb­st “entschei­den”, wann sie den Son­nen­schutz aus- und ein­fahren, die Heizung ab- und anstellen.

Jet­zt aber die Vierte Indus­trielle Rev­o­lu­tion. Wir nen­nen diese «Dig­i­tal­isierung».

Warum? Weil diese Rech­n­er und Com­put­er und ver­net­zten Daten­banken alles in kühlen, kalten, präzis­es­ten Nullen und Ein­sen ver­rech­nen.

Men­schen arbeit­en mit solchen Sys­te­men seit vie­len Jahrzehn­ten selb­stver­ständlichst — viel länger als die 30 Jahre des Weh!Weh!Weh! — zusam­men. Men­schen kom­mun­zieren mit ihren Maschi­nen, als wären sie ganz nor­male, kom­mu­nika­tions­fähige Men­schen. Und sie regen sich auch genau gle­ich über sie auf, wie über ärg­er­liche Nach­barn oder igno­rante Vorge­set­zte.

Der alte Män­ner­traum, mit allem rech­nen zu kön­nen — Rosse, Län­dere­in, Sol­dat­en, Mehlsäck­en, Sklaven und Weibern (wohl auch in dieser Rei­hen­folge) — hat sich erfüllt. “Mit allem rech­nen” (Maren Lehmann). Und auch wir rech­nen mit allem. Soziale Arbeit — aus Erfahrung und aus Grün­den — mit dem Schlimm­sten.

Während die ersten zwei Rev­o­lu­tio­nen noch ganz ihre Energie und Inspi­ra­tion aus lin­ear-kausal-deter­min­is­tisch mech­a­nis­chen, ana­lytis­chen Ver­fahren bezo­gen haben, änderte sich das bere­its mit der “Automa­tisierung”: Nicht mehr die Kom­pliziertheit, son­dern das Kom­plexe ist jet­zt der dom­i­nante Aus­gangspunkt: Das Prozes­suale, Sys­temis­che, Dynamis­che. Inge­nieure und Tech­niker reden heute von “Agilen Set­tings”. Ja, Män­ner mit schön ges­tutzen Bärten und nack­ten Füssen in kurzen Hosen!

Das aber war für unsere hand­lungswis­senschaftlichen Frauen schon immer der Nor­mal­fall. Weil wir es eben NIE mit triv­ialen, kom­plizierten Maschi­nen, son­dern eben IMMER mit kom­plex­en, Maschi­nen — Men­schen und Grup­pen von Men­schen — zu tun hat­ten.

Arme, Wit­twen und Waisen, Säufer und Krüp­pel, Kriegs­versehrte und Vagabun­den kon­nten schon vor 500 Jahren — zur Zeit wie Katha­ri­na von Zim­mer für uns in Zürich, staatlich zwangs­fi­nanzierte, “pro­fes­sionelle Soziale Arbeit” angeschoben hat — nicht ab- und angestellt wer­den wie Wasser­mühlen. Oder später Dampfloko­mo­tiv­en.

Jede mildtätige Sozialar­bei­t­erin in den Ghet­tos der Erwerb­slosen vor 150 Jahren wusste, was später Paul Wat­zlaw­ick selb­st­be­wusster und lustiger zu erzählen wusste:

Über­mäs­siger Alko­holkon­sum — zum Beispiel — kann eine sehr erfol­gre­iche Prob­lem­lö­sung sein, welche das soziale Zusam­men­leben von Fam­i­lien und grossen Grup­pen von Men­schen sehr erfol­gre­ich sta­bil­isiert. Die Erre­ichung indi­vidu­eller Absti­nenz von psy­cho-aktiv­en Sub­stanzen kon­nte nie irri­ta­tions­frei das Ziel von Sozialer Arbeit sein. Aber kollek­tive, struk­turelle, wirtschaftliche, staatliche, inter­na­tionale, glob­ale Inter­ven­tio­nen sehr wohl. Etwa die Ein­führung von Sozialver­sicherun­gen. Oder heute möglicher­weise ein glob­ales Grun­deinkom­men. Und immer so weit­er. Zusam­men­fassend:

Soziale Arbeit hat zunächst rein gar nichts gegen diese 4. indus­trielle Rev­o­lu­tion, welche wir lau­thals “Dig­i­tal­isierung” nen­nen. GANZ IM GEGENTEIL.

Unter der Bedin­gung der 4. Indus­triellen Rev­o­lu­tion — der “Dig­i­tal­isierung” — hat sich der ewige Vor­wurf eines “tech­nolo­gie-defizites” (Mar­i­anne Mein­hold) an Soziale Arbeit in ihr Gegen­teil gewen­det: Wer auch immer heute NICHT aus dynamis­chen, prozes­sualen Sys­tem­logiken her­aus “unter­schei­det, beobachtet, han­delt”, ist umstand­los diskred­i­tiert.

Dig­i­tal­isierung” ermöglicht Sozialer Arbeit die Zusam­men­hänge und Kon­stel­la­tio­nen auf Maso‑, Meso- & Mikroebe­nen — so haben wir noch vor weni­gen Jahren gere­det! — zu beschreiben. Du find­est unter dem Stich­wort: «Welt­ge­sellschaft» in der Fach­bib­lio­thek kilo­me­ter­weise Lit­er­atur. Lei­der nur wenig in der Wikipedia. (Aber das wäre ein anderes Lieblings­the­ma von mir.) Jeden­falls: Dass Men­schen sich hören und sehen — live, com­put­er-ver­mit­telt, telepräsent — und sog­ar mit ihrem Lieblings­baum kom­mun­zieren kön­nen — Das ist nicht die Kri­tik, welche Soziale Arbeit vor­brin­gen kann. GANZ IM GEGENTEIL.

Die aktuellen Her­aus­forderun­gen – die ökol­o­gis­che, die ökonomis­che, die kom­mu­nika­tive – sind glob­ale Her­aus­forderun­gen, welche Soziale Arbeit tra­di­tionell the­ma­tisiert hat — lange vor Inter­net — jet­zt aber unüerse­hbar und bre­it akzep­tiert sind.

Dass unser Beruf­s­tand, unsere Pro­fes­sion, unsere Diszi­plin Sozialer Arbeit jet­zt so hil­f­los tut ob all den Kabeln, Tas­taturen und Bild­schir­men, das ist ein Phänomen, welche wir gerne unseren Adres­sate­grup­pen zuschreiben:

Es kann sehr erfol­gre­ich sein, lau­thals zu jam­mern, Hil­flosigkeit zu demon­stri­eren. Es ist an uns «Abschied zu nehmen von der Beschei­den­heit».

Um uns herum, wird ger­ade #The­GreatRe­set-But­ton gedrückt, wie es das WEF in Davos ein­drück­lich in Stu­di­en, Bildern und Videos umset­zt.

Und Soziale Arbeit tut mit all ihrem Per­son­al an Fach­hochschulen und Uni­ver­sitäten über­fordert, als gäbe es keine Vorstel­lung davon, wie “Gerechtigkeit und Fair­ness” auf glob­alem Lev­el – jen­seits von nation­al­staatlichen oder gewin­n­max­imieren­den Kon­struk­ten – umge­set­zt wer­den kön­nte?

Und um auf Sebas­t­ian Sier­ra-Bar­ra zu reagieren: Demokratie war eine Reak­tion auf die 2. indus­trielle Rev­o­lu­tion. Die Reak­tion auf die 4. indus­trielle Rev­o­lu­tion wird näher an Anar­chie sein. Nicht Anomie. Anar­chie: die Abwe­sen­heit von Herrschaft. Die akzpetanz der Kinder von xerokratis­chen Strate­gien kön­nen bei Tik­Tok leicht gezeigt wer­den. Und der Erfolg von kol­lab­o­ra­tiv­en Schreibpro­jek­ten sind end­los. Wie kön­nten wir telepräsent kom­mu­nizieren, ohne dasss irgend­wo ein Lin­ux-Rech­n­er läuft. Und von Wikipedia und Wiki­da­ta will ich jet­zt nicht mehr anfan­gen. Zum Schluss eine schlechte Nachricht für Drittmit­tel­such­er an Fach­hochschulen und Uni­ver­sitäten: Für Soziale Arbeit hat “Dig­i­tal­isierung” nichts zu schaf­fen mit Kabeln, Tas­taturen und Bild­schir­men:

DIGITALISIERT EUCH (so?)

Im Namen des Ärg­ers, der Wut und des heili­gen Zorns, geht hin in Unruhe.

Im Übri­gen: Julian Assange gehört seit 10 Jahren nicht ins Gefäng­nis.

Ich hoffe auf Stre­it. d!a!n!k!e :-)

Technik- & Ton-Test

1. Lesung (Making of) vom 13. September 2020 ) — 1. Entwurf

Wel­come to the ger­man-speak­ing Part of Europe

Hier noch ein­mal der Link zum Paul Wat­zlaw­ick-Fes­ti­val

Folie 1 (dissent.is/SozialDigital)

dissent.is/PaulWatzlawick

Und der Link zum Text und “Mak­ing Of” von dem was ich jet­zt in aller gebote­nen Kürze vor­trage:

dissent.is/SozialDigital

Geschätzte Kol­legin­nen und Kol­le­gen

Wenn wir Sozialar­bei­t­ende die Unter­schei­dung “Analog:Digital” nutzen, berufen wir uns dabei seit 1967 auf das 4. Axiom von Paul Wat­zlaw­ick:

Folie 2

4. Axiom: “Men­schliche Kom­mu­nika­tion bedi­ent sich analoger und dig­i­taler Modal­itäten.”

Dass “Dig­i­tale Kom­mu­nika­tion” irgen­det­was mit Kabeln, Strom, Bild­schir­men, Tas­taturen zu tun haben kön­nte, das macht dem Hause­lek­trik­er einen prak­tis­chen Unter­schied. Uns Sozialar­bei­t­en­den nicht.

Wenn “Men­schliche Kom­mu­nika­tion” dom­i­nant “Dig­i­tal” ver­laufen würde, ver­stün­den wir darunter, dass wir in end­losen Mul­ti­ple-Choice-For­mu­la­ren rede­ten:

Willst du
a) Kaf­fee, oder
c) Tee

Willst du deinen Tee
a) heiss, oder
b) kalt

Willst du in deinen Tee
a) Honig, oder
b) kalo­rien­armer, kün­stlich­er Zuck­er

Und immer so weit­er.

Folie weg

“Dig­i­tal” meint: ein­deutig, klar, Null/Eins. “Ein biss­chen schwanger geht nicht.” — Anlaog meint: alles andere. Zum Beispiel: Non-ver­bale Kom­mu­nika­tion.

VOR Paul Wat­zlaw­ick kom­mun­zierten Men­schen, damit sie sich ver­ste­hen kön­nen. NACH Paul Wat­zlaw­ick kom­mun­zieren Men­schen, weil sie sich nicht ver­ste­hen kön­nen.

Ver­ste­hen ist ein Missver­ständ­nis.

Men­schen müssen sich ver­ständi­gen, weil sie sich nicht VERSTEHEN kön­nen.
- NICHT ver­ste­hen kön­nen.
- Nicht ver­ste­hen KÖNNEN.

Wer im Kon­text Sozialer Arbeit im Jahr 2020 hin­ter diese Erken­nt­nisse geht, kann dies gerne tun. Hat sich aber zu erk­lären.

Es ist nicht so, dass Soziale Arbeit diesen Paul Wat­zlaw­ick gebraucht hätte. GANZ IM GEGENTEIL.

Viel mehr tre­f­fen wir hier auf das Prob­lem, wofür Sil­via Staub-Bernasconi ihr ganzen Leben hingegeben hat: Diese unsägliche Ver­weigerung, Abschied von der Beschei­den­heit zu nehmen und die 500-jährige Pro­fes­sion­al­isierungs­geschichte Sozialer Arbeit — für uns in der Schweiz begin­nt diese aller spätestens mit Katha­ri­na von Zim­mern — zu ken­nen und darauf zu ref­eren­zieren. Ich will wenig­sten die his­torischen Top-Shot-Namen genan­nt haben: Ilse Arlt, Jane Addams, Mary Park­er Fol­let, Alice Sala­m­on.

Der Clou ist, dass was heute Massen lei­t­ende Medi­en und auch einige Drittmit­telfix­ierte Pro­fes­soren­den so gerne “Dig­i­tal­isierung” nen­nen, ist das, was Soziale Arbeit seit 500 Jahren ver­langt. Ich entwick­le es Ihnen in diesem ein­fachen Chart.

Folie 3

Wir zeich­nen zwei hor­i­zon­tale Lin­ien.

Folie 4

Die obere Beschriften wir mit Kom­plex­ität.

Folie 5

Die untere mit Kom­pliziertheit. Und zeich­nen schwungvoll einen Just-Do-It Hack­en ein.

Und nun bedi­enen wir uns einem Nar­ra­tiv, was weit herum, bei Natur- und Geis­teswis­senschaften, in Wirtschaft und Poli­tik und sog­ar bei Massen lei­t­en­den Medi­en und am Stammtisch ver­standen wird:

Die 4 Indus­triellen Rev­o­lu­tio­nen.

Folie 6

Die ersten Rev­o­lu­tion nen­nen wir “Mech­a­nisierung”.

Schon Affen haben gel­ernt, dass sie eine Kokos­nuss bess­er mit einem Stein öff­nen, als mit bloss­er Hand. Das entwick­elte sich dann vor rund 500 Jahren ras­ant weit­er.

Folie 7

Die zweite — nun eben “indus­trielle” — Rev­o­lu­tion nen­nen wir “Motorisierung”: Die Kraft von Bach und Wind für das Mühlrad, der Esel, das Ross, die Ochsen für Pflug und Kutsche, wer­den erset­zt. Es dampft und zis­cht. Die Kle­in­fam­i­lie entste­ht. Die Lohn­ab­hängkeit. Massen­hafte Erwerb­slos­gkeit. Ich muss ihnen das nicht aus­for­mulieren. Schnell weit­er. die dritte indus­trielle Rev­o­lu­tion nen­nen wir “Automa­tisierung”:

Folie 8

Die Motoren erhal­ten Sen­soren und kön­nen nun selb­st entschei­den, wann sie den Son­nen­schutz aus- und ein­fahren, die Heizung ab- und anstellen.

Und nun also diese vierte indus­trielle Rev­o­lu­tion.

Folie 9

Wir nen­nen es — gerne — “Dig­i­tal­isierung”.

Während die ersten zwei Rev­o­lu­tio­nen noch ganz ihre Energie und Inspi­ra­tion aus lin­ear-kausal-deter­min­is­tisch mech­a­nis­chen, ana­lytis­chen Ver­fahren bezo­gen haben, änderte es sich bere­its mit der Automa­tisierung, dass prozes­suale, sys­temis­che, dynamis­che — heute reden selb­st die Inge­nieure und Tech­niker — jet­zt jet­zt auch die Män­ner! — von “agilen” Set­tings — in den Fokus ger­at­en sind.

Das war aber für unsere hand­lungswis­senschaftlichen Frauen schon immer der Nor­mal­fall. Weil sie es NIE mit Maschi­nen zu tun hat­ten, son­dern eben IMMER mit Men­schen.

Soziale Arbeit, arbeit­et am Sozialen.
- nicht an Kör­pern.
- nicht an Psy­chen.

Arme, Wit­twen und Waisen, Säufer und Krüp­pel, Kriegs­versehrte und Vagabun­den kon­nten schon vor 500 Jahren nicht ab- und angestellt wer­den wie eine Wasser­müh­le oder später eine Dampfloko­mo­tive.

Und jede mildtätige Sozialar­bei­t­erin in den Ghet­tos der Erwerb­slosen vor 150 Jahren wusste, dass der über­mäs­sige Alko­holkon­sum der Fam­i­lien­väter dur­chaus Teil von Lösung sein kon­nte. Und das Prob­lem eher nicht mit der erre­ichung indi­vidu­eller Absti­nenz, son­dern mit kollek­tiv­en, struk­turellen, wirtschaftlichen, staatlichen Inter­ven­tio­nen gelin­dert wer­den kon­nte. Etwa mit der Ein­führung von Sozialver­sicherun­gen. Und immer so weit­er.

Soziale Arbeit hat zunächst rein gar nichts gegen Dig­i­tal­isierung einzuwen­den. GANZ IM GEGENTEIL.

Dig­i­tal­isierung real­isiert das, was Soziale Arbeit unter dem Stich­wort “Welt­ge­sellschaft” ver­han­delt. Die Not der Kaf­fee­bauern in Südameri­ka hat seit den Alt68igern ganz direkt etwas mit uns hier in Zen­traleu­ropa zu tun. Und immer so weit­er.

Die aktuellen Her­aus­forderun­gen — die ökol­o­gis­che, die ökonomis­che, die kom­mu­nika­tive — sind Her­aus­forderun­gen, welche Soziale Arbeit schon sehr lange in ihrer Hand­lungswiss­chaft nach­weisen kon­nte.

Dass unser Beruf­s­tand, unsere Pro­fes­sion, unsere Diszi­plin Sozialer Arbeit jet­zt so hil­f­los tut ob all den Kabeln, Tas­taturen und Bild­schir­men, scheint mir typ­isch zu sein: Es ist ein­fach bess­er zu jam­mern, als — “Abschied zu nehmen von der Beschei­den­heit”.

Um uns herum, wird ger­ade #The­GreatRe­set-But­ton gedrückt. Wie es das WEF in Davos ein­drück­lich in Bildern und Videos umset­zt. Und wir tun über­fordert, als hät­ten wir keine Vorstel­lung davon, wie Gerechtigkeit und Fair­ness auf glob­alem Lev­el — jen­seits von nation­al­staatlichen Kon­struk­ten — umge­set­zt wer­den kön­nte?

Ich freue mich auf ihre spon­ta­nen Reak­tio­nen. Danke.

DIE DISKUSSION

Meine Fra­gen um Teil­gabe an die Teil­nehmenden im Stream:

  • Wie erk­lärt ihr euch, dass das 4. Axiom von #PaulWat­zlaw­ick vergessen gegan­gen wer­den kon­nte?

Anhänge, Links, Entwicklungsgeschichte

Zum aktuellen Schreibpro­jekt: #DataL­it­er­a­cy — Ele­mente ein­er Kul­tur­form der Dig­i­tal­isierung, im Blog von Carl Auer Ver­lag, Hei­del­berg

Archiv — M/Eine Geschichte mit dem Hashtag #SozialDigital (so?)

24. Mai 2019 — Erster Input für die Gruppe #SozialDigital

25. Mai 2018 #SozialDigital

#PaulWat­zlaw­ick #NiklasLuh­mann — Oder: Die von Frauen kul­tivierte Tra­di­tion von 500 Jahren hand­lungswis­senschaftlich berün­de­ter Sozialar­beit. (So?)

Ste­fan M. Sey­del, aka sms, aka sms2sms in «Zürcher Fest­spiel 1901″ (2019):
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Stefan M. Seydel/sms ;-)

(*1965), M.A., Studi­um der Sozialen Arbeit in St. Gallen und Berlin. Unternehmer, Sozialar­beit­er, Kün­stler.

Ausstel­lun­gen und Per­for­mances in der Roy­al Acad­e­my of Arts in Lon­don (Frieze/Swiss Cul­tur­al Fund UK), im Deutsches His­torisches Muse­um Berlin (Kura­tion Bazon Brock), in der Cryp­ta Cabaret Voltaire Zürich (Kura­tion Philipp Meier) uam. Gewin­ner Migros Jubilée Award, Kat­e­gorie Wis­sensver­mit­tlung. Diverse Ehrun­gen mit rocketboom.com durch Web­by Award (2006–2009). Jury-Mit­glied “Next Idea” Prix Ars Elec­tron­i­ca 2010. Pen­delte bis 2010 als Mach­er von rebell.tv zwölf Jahre zwis­chen Bodensee und Berlin. Co-Autor von “Die Form der Unruhe“, Umgang mit Infor­ma­tion auf der Höhe der Zeit, Band 1 und 2, Junius Ver­lag Ham­burg. Ruhen­des Mit­glied im P.E.N.-Club Liecht­en­stein. Er war drei Jahre Mit­glied der Schulleitung Gym­na­si­um Kloster Dis­en­tis. Seit Ende 2018 entwick­elte er in Zürich-Hot­tin­gen in vie­len Live-Streams – u.a. in Zusam­me­nar­beit mit Sta­tis­tik Stadt Zürich und Wiki­me­dia Schweiz – den Work­flow WikiDienstag.ch, pub­lizierte während der Coro­na-Krise in der NZZ einen Text über Wikipedia und schreibt aktuell an: #DataL­it­er­a­cy – Ele­mente ein­er Kul­tur­form der Dig­i­tal­isierung im Carl Auer Ver­lag, Hei­del­berg. Im Juli 2020 kehrt er mit seinem 1997 gegrün­de­ten Unternehmen (Spin-Off mit Aufträ­gen der FH St. Gallen, Gesund­heits­di­rek­tion Kan­ton St. Gallen, Bun­de­samt für Gesund­heit (BAG) und der EU aus ein­er Anstel­lung als Leit­er Impuls- und Pilot­in­ter­ven­tio­nen für die Aids-Hil­fe St. Gallen/Appenzell) zurück nach Dissent.is/Muster, mit­ten in die Schweiz­er Alpen.


Ein Kommentar für “#SozialDigital – Warum #Digitalisierung bezeichnet, wovon #Sozialarbeit schon immer geträumt hat? (Stefan M. Seydel/sms ;-)

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