wer über twitter spricht, hat keine ahnung. prinzipiell

ich weiss, dass ich nichts weiss

lass es dir anmerken.

es ist 2016 geworden. konferenzen zu #digitalisierung ohne ende.

wovon reden die?

und woran kann ich erkennen, dass ich #mmenschen lausche, welche mir etwas in die nähe rücken von dem, was mir so viel zu nah auf die pelle rückt?

ich will es mit einem beispiel versuchen. 

es ist vermutlich eine parabel. ich weiss es nicht. ich schreibe vor mir hin. ohne mindmap. ohne klares ziel.

sagen wir:

  • 2009 wären 2,5 mil­lio­nen tweets pro tag abge­set­zt wor­den
  • 2011 250 mil­lion. pro tag. ok?
  • 2013 500 mil­lio­nen. irgend­wie sowas.
  • 2016 … ich will nicht mal rat­en. es ist eh…

…völ­lig wurscht. klar ist: wenn irgend jemand auf der bühne ste­ht und irgend­was von twit­ter schwätzt: er hat mit jed­er garantie keine ahnung. kann er gar nicht. er — auch wenn es eine frau wäre — muss irgend­wie anders über twit­ter reden als das was wir vorher als “expert_in” ver­standen haben.

das wäre mein erster punkt:

die vorstel­lung von dem, was wir “einen experten”, “eine exper­tin” nen­nen, hat sich verän­dert. radikalst. (ich höre dich “big­da­ta” rufen… mir egal. ich bleibe stur. ich behaupte:)

vorher war ein experte ein jemand, welch­er etwas ver­standen hat. etwas durch­drun­gen hat. das parade­beispiel der lin­ear-kausalen-tech­nis­chen welt, wäre freilich der mas­chin­ist, der auto­mechaniker, der inge­nieur.

ich weiss. das ist nix neues. das ist längst vor dem weh!weh!weh! zeig­bar gewe­sen. und auch ganz ohne inter­net. heinz von foer­ster nan­nte es die unter­schei­dung von kom­pliziert und kom­plex.

«kompliziert>komplex<

  • kom­pliziert ist, wenn ein gle­ich­er input in eine “black box” den immer gle­ichen out­put gener­iert.
  • kom­plex ist, wenn der immer gle­iche input in eine “black box” einen anderen out­put gener­iert.

das ist ein­fach zu ver­ste­hen.

was macht das mit der exper­tise, wenn jede exper­tise eine aus­sage über kom­plexe angele­gen­heit­en ist?

jet­zt wird es kom­pliziert.

und das sei mein zweiter punkt:

jene, welche sich experten nen­nen, soll­ten eine trans­parenzbox auf sich tra­gen. sie soll­ten offen­sivst zeigen, was sie denken, wer sie sind. welche art von experte sie sind. zu welch­er welt sie gehören. zur welt der tech­nisch-lin­earen-kausalen, oder ein­er anderen. näch­sten. wer diese trans­parenzbox nicht angibt, ist desavouirt. wer den unter­schied nicht ken­nt, sowieso.

die aus­for­mulierung dieser kom­pliziertheit mache ich hier nicht. das wäre die pflicht ein­er jeden hochschul­pro­fes­sorin. auch wenn es ein mann wäre. ich will schnell weit­er ren­nen.

lernen von der zeitgenössischen kunst.

ich will die unter­schei­dung aus­pro­bieren:

  • werk
  • ausstel­lung
  • muse­um
  • kun­st­szene

ich will so tun, als gäbe es eine sphäre der kun­st. der begriff der szene ist schön unscharf. du gehörst dazu. oder nicht. es gibt szenengänger. affine. wer dazuge­hört ist schein­bar unklar. und doch erstaunlich scharf. sich selb­st als kün­stler zu beze­ich­nen ist eine möglichkeit. hil­ft aber nicht immer. grad in diesen tagen ist könig kras­ka (zürich und bil­bao) ver­stor­ben. er ver­ma­chte seine urne dem kun­sthaus zürich. vielle­icht wird es ihm pos­tum zum sta­tus des anerkan­nten kün­stlers ver­helfen. es bleibt prekär. und es wird prekär­er wer­den. denn wer will im sta­tus des “anerken­nen­den” sein? eine insti­tu­tion? ein samm­ler? ein hoher preis? der nach­weis von vie­len ausstel­lung? die bekan­ntheit von ganz vie­len men­schen? wo gesam­melt? inter­views auf der strasse? im inter­net? keine ahnung. — egal. ich wollte ja bloss sagen:

ich will so tun, als gäbe es eine kun­st­szene. in dieser szene tum­meln sich men­schen, welche sich kün­stler nen­nen und es auch sind: sie MACHEN kun­st. es entste­hen werke.

und damit wäre ein näch­ster punkt gemacht: das beispiel was s/ich hier entwick­eln soll, muss älter sein als 100 jahre. den vor hun­dert jahren waren flüchtlinge in zürich. und sie macht­en eine neue kun­st. sie nan­nten es #DADA. sie nan­nten es #FLUXUS. keine ahnung. in ihrer tra­di­tion — welche höchst het­ero­gen ist — ent­standen kün­stler ohne werke. lassen wir das. wir wollen ein beispiel.

die kun­st­szene enthält kün­stler. kün­stler machen werke. diese wer­den gezeigt. es entste­hen also ausstel­lun­gen. und der etablierteste ort ist weniger die galerie (wo es darum geht, kun­st zu verkaufen) oder die kun­stausstel­lung der kun­stzene (ein offen zugänglich­es bench­mark­ing), son­dern die ausstel­lung im muse­um. was im muse­um hängt, ist zeichen von sozialer verkrus­tung. hat alle sta­tio­nen des flüchti­gen und unsicheren und prekären über­standen. und ist wichtig. ist gewor­den, was vorher irgend­was anderes war. ein szenend­ing halt. jet­zt ist es wirk­lich wirk­lich wirk­lich kun­st.

aus einem höchst quir­rli­gen schaf­fen, ist in einem teil­weise recht durch­sichti­gen prozess, etwas sehr sta­biles ent­standen. trotz­dem ist das beispiel der zeit­genös­sis­chen kun­st sehr geeignet, die aktuellen prob­leme — dochdoch, ich denke noch immer auf twit­ter hin — zu beleucht­en.

unsys­tem­a­tisch gesam­melt und ganz spon­tan:

  • es gibt SEHR viele kunst­werke, welche the­o­retisch und dur­chaus möglich in einem kun­st­mu­se­um aus­gestellt wer­den kön­nen. es ist also inter­es­sant zuzuschauen, wie die ausstel­lungs­mach­er mit diesem prob­lem umge­hen.
  • kunst­werke haben sich verän­dert. so, dass selb­st ein flu­ider, flüchtiger prozess als kun­st anerkan­nt wer­den kann. es ist also inter­es­sant, der szene zuzuschauen, wie sie mit diesem prob­lem umge­gan­gen ist.
  • wir unter­schei­den bis heute “bildende kün­ste”. die machen was. die machen aus steinen, lehm, holz, öl — oft bil­lig­stem mate­r­i­al — teuer­ste und kost­barestes irgend­was. das ist natür­lich extrem span­nend zu ver­ste­hen, wie die so zaubern kön­nen.
  • wir ken­nen die “darstel­len­den kün­ste”. die machen nix. die stellen was dar. sie ver­weisen auf was. etwas anderes. das ist sehr inter­es­sant. sie ver­weisen mit etwas anwe­sen­dem auf etwas (offen­bar) abwe­senden. die kön­nen was präsen­tieren, was gar nicht da ist. das ist natür­lich mega-span­nend und supr-wichtig für uns.
  • toll ist auch, dass heute alle über ihre arbeit reden. die kün­stler. die samm­ler. die kura­toren. die ver­mit­tler. die spon­soren. die rezip­i­en­ten. ein­fach alle. das ist bru­talst­wichtigspan­nend: weil wenn alle schwätzen, wird es für jene, welche sich als experten hal­ten, beson­ders die luft dünn. es kön­nte ja sein, dass irgend ein trot­tel aus dem doofen inter­net ein ganz cle­vere beobach­tung machen würde. das wäre sehr doof. der experte muss also sich so ver­hal­ten, dass er mit dieser möglichkeit, dass ein sehr toller hin­weis um die ecke zu schiessen kommt, umge­hen kann. wie macht der das? das muss beobachtet wer­den. das ist möglicher­weise sog­ar der zen­tral­ste punkt.
  • und immer so weit­er. (lasst uns sam­meln ;-)

(ich weiss jetzt grad nicht, wie weiter hier. darum so:)

wenn der kun­st­pro­fes­sor ins muse­um geht. was denkst du. wie lange hat der, um eine grosse ausstel­lung im haupt­saal des kun­st­mu­se­ums anzuschauen? was denkst du?

  • 5 stun­den?
  • 3 stun­den?
  • 1 stunde?
  • 30 minuten?
  • 15 minuten?

komm. rate doch mal. ich höre eh nix hier… also?

genau. 13,7 minuten. max­i­mal. und das ist eigentlich schon viel zu lange.

selb­stver­ständlich kannst du einen kun­st­pro­fes­sor anrufen und ihn fra­gen, was er von der ausstel­lung in x halte. kura­tor y hätte im musem z — ok. lass es uns ein anständi­ges haus sein, keine dor­fausstel­lung der pin­selschwin­gen­den haus­frauen von uni­ver­sität­spro­fes­soren, ja? — in einem monat vernissage. (am anderen ende: welch­es the­ma? — w!) und dann sprudelt es. (oder es ist kein kein­pro­fes­sor.)

ist das unser­iös?
- nein. eben ger­ade nicht. DAS IST JA DER PUNKT. und darum ist die zeit­genös­sis­che kun­st so inter­es­sant.  

WIE MAN üBER AUSSTELLUNGEN SPRICHT, DIE MAN NICHT GESEHEN HAT (pierre bayard)

wenn du das nächste mal ins museum gehst.

eine anleitung.

geh nicht alleine hin.

(1) bevor ihr in die ausstel­lung geht: set­zt euch ins kaf­fee. und erzählt euch, was ihr wisst.

  • über das muse­um. (hat jemand einen jahres­pass von hier? was war die beste ausstel­lung? das schön­ste erleb­nis… völ­lig egal…) dann weit­er:
  • über das the­ma der ausstel­lung.
  • unbe­d­ingt: über die beschränkung des muse­ums, zu diesem the­ma für dich wertvolle, inspiri­erende, erhel­lende, erfreuliche, erstaunliche, provozierende, oszil­lierende (ach! du kennst doch diese kura­toren­sprache!) aus­sagen machen zu kön­nen.
  • guckt, wer die ausstel­lung konzip­iert hat.
  • fragt euch, ob ihr schon ein­mal eine ausstel­lung von dieser per­son gese­hen habt.
  • etc.

(2) die näch­ste runde ist wichtig: stellt euch am handy einen timer. 15min. in 15min sind alle wieder im kaf­fee. und: geht alleine. und: redet nicht miteinan­der. und: guckt nicht aufeinan­der. und dann los!

  • geh zügig durch.
  • ver­suche ein muster zu erken­nen.
  • wonach wurde gegliedert?
  • wer­den the­men gar benan­nt? welche wort sind das?
  • haben die räume unter­schiedliche far­ben?
  • wie sind die bilder gehängt?
  • wie verän­dert sich die stim­mung? deine eigene, meine ich. wirst fröh­lich­er oder trau­riger oder…
  • fasziniert dich etwas? ein bild? eine instal­la­tion? welche?
  • wenn es klin­gelt, geh ein­fach direkt zum kaf­fee rüber…
  • tauscht euch aus!

(3) kön­nt ihr euch auf ein bild/eine instal­la­tion eini­gen? das wäre genial. dann vergebt euch unter­schiedliche auf­gaben (ver­gl. punk­te unten), das werk zu befra­gen und aus­sagen, beobach­tun­gen darüber zu machen. lasst euch gegen­seit­ig ein paar minuten zeit. und dann begin­nt ein jed­er allen anderen seine per­spek­tive zu erzählen. jed­er mache also bloss einen punkt.

  • foun­da­tion­al quest (was denkst du, sehen alle in dieser arbeit? was nur du? find­est du es schön? warum denkst du, dass genau mit diesen far­ben, mate­ri­alien gear­beit­et wur­den?)
  • exper­i­men­tial quest (woran erin­nert dich diese arbeit? wenn der kün­stler reden würde, was sagte er dir? wenn die kün­st­lerin sin­gen würde, was wäre das für eine melodie? beschreibe die arbeit in einem gedicht. max 4 zeilen…)
  • nar­ra­tiv quest (angenom­men das bild wäre ein film: was passierte als näch­stes? welche gefüh­le löst die arbeit aus? …)
  • aes­thet­ic quest (welche far­ben? welche mate­ri­alen? …)
  • logical/quantitative quest (ist das werk älter oder jünger als du? was hast du zuerst angeschaut? …)

(4) erfrischung nötig? danach noch ein­mal die ganze ausstel­lung. in der gruppe oder alleine. egal. und danach natür­lich wieder kuchen. und sekt. und so. ok?

was das alles mit twitter zu tun hat?

du badest in einem meer von 500 millionen tweets pro tag.

lass es dir anmerken, dass du weisst, dass du keine ahnung hast.

(und beobachte, was das so mit dir macht.)

ist das ein votum für relativismus?

  • nein. ganz im gegenteil. das ist erst die lockerungsübung für einen nächsten gedanken…


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