edc = etienne de carouge
edc führte insb. in der zeit von rebell.tv verschiedene gespräche über die arbeit von /sms ;-) edc war 1995 mitbegründerin des 2003 eingestellten intervention.ch/eMotion (my emotional back office), eine systemisch-konstruktivistische begleitung via eMail. vergl. dazu einen hinweis im text: “warum twitter ein sicherer ort ist”. stefan m. seydel hat im anschluss seines grundstudium (1987 — 1990, fhsg.ch) erfahrungen in begleitung von menschen via telefon gesammelt und offensiv die möglichkeiten via eMail erkundet. mit der gründung von intervention gmbh war /eMotion seine eigene plattform, in welchen er eigene erkundungen machte und diese nutzte, in der beratung und begleitung von projekten für seine auftraggebenden. (insb. für das bundesamt für gesundheit). /eMotion bot verschiedene avatare zur kontaktnahme an. edc führte damals eine eigene psychotherapeutische praxis und war im umfeld umtriebigen umfeld von mode und design freiberuflich von berlin aus tätig. auch das hier folgende gespräch wird via eMail geführt und in (leichten) überarbeitungen hier dokumentiert.
edc: gibt es sie noch?
sms: das habe ich mich schon lange nicht mehr gefragt. wissen sie es?
können wir uns — sie scheinen ja “ganz der alte” geblieben zu sein — einmal mehr darauf einigen, dass ich die fragen stellen werde?
antworten sind auch bloss fragen. das erinnert mich daran, dass sie mich nie so richtig ernst genommen haben. ja?
ich habe einfach an sie denken müssen. würde mich freuen, zu hören, wie es ihnen geht…
… es ist zum davon laufen. insofern geht es.
geht es gut?
ja. wieso meinen sie?
sie ziehen also weiterhin kraft aus verunsicherung?
sicher nicht “… aus freude”. sie haben also doch nicht alles vergessen. das freut mich zu lesen ;-)
sie verstecken sich also wirklich seit drei jahren in dissent.is?
verstecken?
disentis/mustér liegt an keiner autobahn!
die datenautobahn über das ganze klostergelände hinaus ist hervorragend. wovon reden sie?
sie sind viel gereist. mit ihrem ü‑Wagen. mit dem auto. mit der bahn. sie waren dort, wo für sie die zukunft ablesebar war… sie würden wohl sagen: “… ablesbar wie trauben an einem weinstock.”
soso. woran sie sich alles erinnern…
… und jetzt sitzen sie in einem kloster fest.
stimmt. das kloster macht ein fest: 1400 jahre ursprung kloster disentis. das war schon immer das ziel: menschen “fest” zu machen. standfest. zum beispiel. aber nicht durch sturheit…
“stabilitas in progressu”
das jahresmotto. ja. aber noch viel mehr…
dissentis. muster im umgang mit dissens.
hehe. sie haben sich ja vorbereitet ;-)))
sie schreiben es ja überall hin. wie sollte ich es übersehen können?
hehe. ich schreiben nicht viel. aber doch noch einiges mehr…
“benediktinsiche pädagogik auf der höhe der zeit”
zum beispiel. ja.
was fasziniert sie daran?
woran?
pädagogik!
hallo? das ist doch DAS thema. unsere kinder sind unsere zukunft. hier entscheidet sich, wie es weiter geht. und der aktuelle präfekt zu sein in einer folge von 1400 jahren erziehung von kindern. hallo?
sie haben also ihr 68er-bashing aufgegeben?
umhimmelswillen: nein. warum?
weil sie doch immer so getan haben, dass eben diese alten die zukunft verbocken…
achso… ja… wow… schöner hinweis. danke. ähm… bin ich schon in den ewigkeitmodus der mönche gefallen? denke ich in grösseren zeiträumen als unter rebell.tv?
könnte sein. unter rebell.tv machten sie ja insbesondere den abgleich mit den letzten 200 jahren.
das elend der demokratie. das ende des liberalen fühlens. die enttäuschung gegenüber der aufklärung. ja. stimmt. vielleicht bin ich an grösserem anlauf holen…
hilft es also doch, so abseitig zu leben?
die regula benedicti, die lehre des politischen jesus, die geschichtschreibung der christen “von unten”, das wohl der schwächsten im blick zu behalten und nicht die stärke der starken zu stärken… ja. stimmt. das ist, was mich — nicht nur als sozialarbeiter, als arbeiter am sozialen — beschäftigt und schon immer interessiert hat.
aber ihre kinder im internat sind ja elite-kinder aus elite-familien…
langsam. wir haben auch bergbauernkinder hier im internat, welche von der schweizerischen berghilfe finanziert werden. wovon reden sie?
sie wissen, was ich meine!
nein. was hätte ich davon, wenn ich so täte, dass ich sie schon lange verstanden habe? (ich muss weg. wir essen pünktlich um 11.45h! bis später!)
sie rannen davon. schon wieder. das ist doch mein verdacht. für diese these musste doch nur ein blick in die letzten presseartikel über das ende von rebell.tv geschaut werden ;-)
nice try. try again! (bis nachher!)
(3 tage später)
wieder besser?
diese fokussierung auf verbesserung… ich komme wieder zu ein paar zeilen.
lassen wir also das thema der massenmedien.
überredet!
sie haben einem lokalen fernsehkanal gesagt, dass sie zu medienrebellen ziehen würden. hatten sie richtig geraten?
sie zweifeln?
sagen sie es mir!
ich bleibe stur. die meisten mönche würden den gedanken wohl nicht verstehen. und wer entscheidet nun?
der abt?
na denn! sicher ist, dass in einem dominant oral kommunierenden tal, es unendlich provokativ gewesen sein muss, sich aus dem gespräch zu nehmen und sich dem schweigen und der schrift — der heiligen schrift! — zu widmen. ähnlich provokativ, wie während einem essen oder einem meeting ständig übers smartphone zu streicheln.
sie vergleichen die gebete der mönche mit…
… nein.
aber…
nein. mich langweilt bloss, dass ich jetzt auch noch ihnen erklären soll, was wir in band 2 von “die form der unruhe” und in diversen anderen texten gesagt haben. ich habe gesagt, was ich dazu zu sagen wusste.
und jetzt?
mich fasziniert hier etwa die erzählungen der kephalophoren. der gründungsmythos des klosters. ein dramatischst aktuellstes gleichnis. eine ermutigung für alle menschen, welche einen kopf kürzer gemacht worden sind. und doch nicht bereit sind zu sterben. oder…
was?
oder wie übersehen werden kann, wie die über hunderte von jahren mit doppel‑s geschrieben ortsbezeichnung — mustér/dissentis — sensationell zu den kephalophoren oder der geschichte der ältesten noch vorhandenen kirche zu ehren der heiligen agathe passt. oder…
was?
oder wie in vielen statuen die mönche ein kind auf einem geöffneten buch sitzend im arm tragen. oder…
was?
oder überhaupt: wie im kontext der kirche das kleinkind eine so hervorragende karriere beginnen konnte. oder…
was?
ja! es gibt tonnenweise andere themen, welche sich hervorragend an unsere arbeiten mit rebell.tv — und auch davor! — anschliessen lassen… mir ist echt nicht langweilig.
sie sind heute abend aber besonders gereizt?
echt?
ja.
nadenn. habe noch bücher auf dem tisch. dann gehe ich lesen, wenn es ihnen beliebt.
was lesen sie denn?
die hexe von dentervals (1674). und jürg jenatsch (1596). und erasmus von rotterdam nach stefan zweig (1467). parallel. eine gute kombi. in der zeit zwischen 1696 und 1712 wurde die “oh du weisse arche nah am gebirge” errichtet…
nach drei jahren sind sie sich also noch immer am einlesen an diesen ort?
ohja. da gäbe es mehr als ein leben lang zu lesen. und wenn sie “dieser ort” sagen, dann meines sie damit hoffentlich nicht das geografisch “disentis/mustér”. es geht um das, was wir “christlich”, “westen”, “demokratie” nennen… es geht um die herkunft der idee der “modern” und “aufklärung”. es geht darum…
ohja… erinnern — gedenken — erneuern… das kenne ich…
okheee. dann kann ich ja jetzt gehen. tschüss.
ähm…
EINTRAG IN ARBEIT