was? sie haben 2015 die soziale funktion von zeitgenössischer #kunst nicht verstanden? warum sie sich nicht mehr bemühen müssen:

schauen sie. es ist ganz einfach:

das gesellschaftliche treiben zu beschreiben, ist der­art kom­plex — ja! #kom­plex. nicht #kom­pliziert! — dass es zu allen zeit­en sehr ein­fach erk­lärt wer­den musste. und so weit wir die geschichte der men­schheit ken­nen — tausend und eine super ein­fache, schön zu erzäh­lende geschicht­en! — ist das auch möglich. oder bess­er: es ist nicht nur möglich, das kom­plexe treiben des sozialen tuns sehr ein­fach zu beschreiben, es ist und bleibt der königsweg der beschrei­bung.   

ok. abr: warum brauchen wir überhaupt so eine erklärung?

keine ahnung. ich ver­mute: wir men­schen tauchen irgend­wann in unserem bewusst­sein auf. und glauben den geschicht­en von zwei älteren wesen, die behaupten, unsere eltern zu sein. die jüng­sten kinder habens super: die kön­nen vom moment des aus­tritts aus der gebär­mut­ter — manche sog­ar bis zum moment der zeu­gung! — den lück­en­losen stream ihres wer­dens nachguck­en gehen. im weh!weh!weh!, in der cloud, weiss­dergeier wo! wir alten, haben den alten und eini­gen aufwändig ver­ar­beit­eten druck­doku­menten einiger­massen blind zu glauben. ich denke, dass stresst. diese unsicher­heit. und: nicht zu vergessen: wenig bess­er geht es später. irgend­wann hören diese men­schen auf zu sein. nie­mand weiss wohin die gehen. und wenn wer zurück kommt und sagt, er sei von einem hellen licht abge­holt wor­den und der him­mel sei was ganz tolles, denen … naja… in diesem moment, freuen wir uns mit ihm. und dazwis­chen gibts ja auch noch so ein paar unklarheit­en. keine ahnung. will sagen: ich ver­mute, dass wir erk­lärun­gen brauchen, weil wir nix wis­sen. und darum… also…

ja. aber warum jetzt grad #kunst?

naja. warum wir klei­der, ein haus, nahrung, fre­unde um uns haben wollen, das ver­ste­ht sich wohl von selb­st. sog­ar, warum es prak­tis­ch­er ist, geld zu haben, ist ein­fach nachzu­vol­lziehen. aber warum es fab­u­lierende priester, unprak­tis­che herum­forschende pro­fes­soren oder durchgek­nallte kün­stler braucht — und diese teil­weise sen­sa­tionellst bezahlt wer­den -, ist ja nicht so ohne eine gute geschichte zu ver­ste­hen. odr?

ok. nadenn. also. wozu kunst?

kun­st kommt ja bekan­ntlich nicht von kön­nen. son­st hiesse es ja könst.  aber diesem “könst” sehen wir an, dass vor der kun­st, das kön­nen eben doch zen­tral gewe­sen sein muss. wenn etwas, was prak­tisch notwendig war, so gemacht wurde, dass es irgend­wie über­trieben oder unnötig aufwändig gelöst, oder sonst­wie den hart arbei­t­en­den men­schen komisch vorkam, sagten sie: “der tut so kün­stlich.” oder umstand­los: “er hat ein huch!kunstwerk gemacht.” das wurde total abw­er­tend gemeint. und alle lacht­en verächtlich. das änderte sich spätestens im #barock. da ist es gelun­gen, dass baumeis­ter, maler, holzschnitzer, kom­pon­is­ten dieses “gekün­stelte” getue der­art zu machen, dass die men­schen in verzück­ung geri­eten, wenn sie ihre arbeit­en gese­hen haben. so hat sich das kön­ner­ische kun­sthandw­erk ver­wan­delt. und die men­schen waren immer mehr bere­it, diesem son­der­baren tun eine wer­tigkeit und wichtigkeit bei zu messen. es war ja offen­sichtlich, dass so gsch­pin­nerte leut exper­i­mente machen mussten. also: auch mal was ver­suchen mussten, was in die hose gingt. aber, es kon­nte ja nie gewusst wer­den. vielle­icht ent­stand ja grad durch eine solche panne, eine sen­sa­tion.

gab es auch künstlerinnen?

umgekehrt. die treibende kraft waren frauen und kinder. die kinder mit ihrer fan­tasie, welche ein­fach­ste gegen­stände mit ihren geschicht­en zu fabel­we­sen zu machen ver­standen. die frauen, welche das essen, die räume, die klei­der mit kle­in­sten umstel­lun­gen und drap­pierun­gen zu ver­wan­deln wussten. selb­st abfälle — etwa beim holz fällen -, beim auf­beigen von brennholz, beim ver­ar­beit­en von wolle wur­den zu schmuck­stück­en. und wenn ich vorher #barock sagte: vergessen wir nicht die klöster. die kirche war haup­tauf­traggebende für die her­stel­lung von kunst­werken.

die soziale funktion von kunst ist, den menschen zu ermöglichen, fehler zu machen?

ja. kun­st hat das etabliert, was die unternehmer schon immer machen mussten: risiken einge­hen. möglichst hohe. denn je höher das risiko, um so genialer das gewin­npoten­ziel. unternehmer waren — ganz anders als die hirten und die späteren acker­bauern — immer los­gelöst vom wiederkehren­den kreis­lauf der natur. wenn der hirte nicht alle schafe im harten win­ter ver­loren hat, schlüpften bald schon junge schafe nach. wenn dem acker­bauer der hagel nicht alles ver­haut hat, wuch­sen wun­der­same pflanzen mit nähren­den körn­ern nach. eigentliche wun­der. einiger­massen unerk­lär­lich. ver­mut­lich gar göt­tlich. ganz anders der unternehmer. er kon­nte sich auf nichts ver­lassen. er schloss verträge ab, ging ver­sprechen ein, reiste durch unbekan­nte gegen­den, set­zte sich aus. er kon­nte eben ger­ade nicht “von der hand in den mund leben”… er lebte ein “kün­stlich­es” leben. heute wür­den wir wohl das eben­falls falsche wort “virtuelles” leben sagen. ein­fach nicht so ganz ver­bun­den mit dem ganz prak­tisch exis­ten­ziellen…

unternehmer als künstler?

umgekehrt. die kün­stler haben die unternehmer in ihrer exponiertheit erst so richtig zu dem gemacht, was sie heute sind: helden. diese verbindung von unternehmer zu kün­stler ist wohl auch darum noch heute so innig, weil sich die unternehmer eigentlich nur in den kün­stlern so richtig für wahr genom­men empfind­en. in dem unternehmer kün­stler unter­stützen und werke zu gewaltig hohen sum­men kaufen, erhöhen sie sich selb­st. sie kön­nen damit allen zeigen, wie wild, wie wage­mutig, wie exper­i­men­tier­freudig, wie risiko­ge­wohnt, wie “cool” — diedrich diederich­sen kön­nten diesen begriff schön erk­lären! — sie mit der abso­lut ungeschützten posi­tion ihres tuns umzuge­hen ver­ste­hen.

von kunsthanderk zu kunst. und jetzt?

nicht so schnell. es scheint sehr wichtig zu sein, “die funk­tion” der kun­st als eine soziale #kampf­po­si­tion zu ver­ste­hen. während die hirten, bauern (und die klöster) ja streng in ihrem (kirchen)jahreskreislauf einge­bun­den blieben und ger­ade darin ihre enorme sou­veränität zeigten, in dem sie den nor­malzu­s­tand sicherten, brach der unternehmer — mit der vorgeschobe­nen kun­st! — diesen gesellschaftlichen sozialen #ewigkeitsmodus auf. mit dem effekt, welchen wir heute ja prächtig ent­fal­tet sehen: es ist der händler, der unternehmer, der deal­er mit allen un/möglichen dro­gen, welch­er das soziale hick­hack gewon­nen hat. dass es sich dabei um einen sozialen krieg han­delt, kön­nten auch die aktuell­sten erleb­nisse zeigen. noch vor 20 jahren waren men­schen “bürg­er” von staat­en. (lei­der noch immer von nation­al­staat­en. obwohl dieser ja kläglichst ver­sagt hat.) aber es waren noch “bürg­er” mit “unan­tast­baren wür­den” fest­stell­bar. daraus macht­en die sozialdemokratis­chen parteien dann “ich AG’s”. und heute wer­den wir als poten­zielle ter­ror­is­ten dauerüberwacht. der staat wird als papp­fig­ur erken­ntlich, welch­er ins­beson­dere noch sta­bil funk­tion­iert, weil dieser massen­medi­al als lebendig hyper­ven­tiliert wird. die vierte gewalt im staat, legt sich dabei natür­lich nicht unein­gen­nütz gewaltig ins zeug… kurzum: wir ste­hen vor einem grauen­vollen desaster.

daran ist die kunst schuld?

ach, diese olle schuld­frage. die schuld­frage ist ein abstell­gleis. #bah­n­gle­ich­nis @moench­martin die schuld­frage ist derzeit ein stumpf­gleis der monothe­is­tis­chen reli­gio­nen. schuld ist nicht gle­ich schuld. die schuld bei der bank, wird dir niemals vergeben. die schulden, welche die katholis­che kirche abfeiert, ist ein plumpes mit­tel der kun­den­bindung. diese wird aber mit­tler­weile auch abgegeben wie die seg­nun­gen der massen­me­di­en: gratis und an jed­er ecke. nein. lassen wir das the­ma schuld. keine ahnung, wie die spir­ituelle kraft dieser idee je wieder in die gänge zu brin­gen wäre…

dass wir vor einem desaster stehen, hat die kunst ermöglicht?

umgekehrt. die kun­st wurde miss­braucht. als sozialer bag­ger. die etablierung der kun­st, hat ermöglicht, dass neues offen­siv­er gewagt wer­den durfte. die posi­tion der kun­st, hat ermöglicht, auch moralisch ver­w­er­flich­es, in der sprache der kirche “sündi­ges” zu wagen. später haben dann alle — sog­ar die kirche — viele der so gewon­nen errun­gen­schaften gelobt, geheiligt und gar als von gott gegeben abge­seg­net. zum beispiel die medi­zin. es war einst unmöglich, einen toten men­schen zu sezieren und zu schauen, was da drin­nen so abge­ht. heute käme es keinem papst mehr in den sinn, die errun­gen­schaften der mod­er­nen medi­zin zu ver­teufeln. obwohl diese längst abscheulichst und gruseligst gefilmt wer­den kön­nten. das ist wichtig zu ver­ste­hen.

was ist wichtig zu verstehen?

dass das prob­lem der kun­st ist, dass sie zwar die kraft hat, sozial gemachte hier­ar­chien zu unter­laufen. und damit sozialen wan­del zu ermöglichen. aber was uns jet­zt auf­fällt, ist, dass die kun­st dabei mith­il­ft, das neue zu lobpreisen und das alte zu entwerten, bzw. gar nicht mehr in blick zu brin­gen, weil sie so (neu­ro­tisch) auf das neue, das näch­ste und das näch­ste und das näch­ste fix­iert bleibt. bazon brock hat darum schon sehr früh pläne und mod­elle für “kathe­dralen für den müll” her­stellen lassen. weil etwa der atom­are abfall, welche men­schen pro­duzieren, in etwa so ähn­lich lange zu währen ver­mag, wie den in den anderen kirchen verehrte gott: näm­lich ewig. die katas­tro­phe der mod­erne war, dass sie so robust neue mod­en zu insze­nieren ver­mag, dass der müll­berg hin­ter ihr, das gesamte tun der men­schen bedro­ht. will sagen: die kun­st kon­nte einen sozialen prozess in gang brin­gen. gott sei dank. aber die kun­st kann nicht mithelfen, das gesellschaftliche tun zu bändi­gen, zu beruhi­gen, zu besän­fti­gen, zu entschle­u­ni­gen, zu bew­erten… was immer sie wollen… die kun­st kann es nicht…

… aber der #hyperlink?

lachen sie nur. jeden­falls ist dies eine der auf­fäl­lig­sten eigen­schaften des hyper­links: hier­ar­chien zu unter­laufen, ohne eine der bei­den seit­en zu entwerten. das hat höch­ste brisanz.

/end

wenn ihnen solch­es gefällt, gefällt ihnen möglicher­weise auch:
die form der unruhe, band 2, 2010, junius ver­lag, ham­burg

 

 

 


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