#LTI #VictorKlemperer #Philologie

#philolog­Wie?
- die blinde liebe an die möglichkeit­en von (sprach-)kritik (so?)

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LTI – Lin­gua Ter­tii Imperii von Vic­tor Klem­per­er (erschienen 1947).

  1. Autor: Vic­tor Klem­per­er (1881–1960), Lit­er­atur­wis­senschaftler und Jude, der die NS-Zeit in Dres­den über­lebte.
  2. Titel: LTI. Notizbuch eines Philolo­gen
  3. The­ma: Analyse der Sprache des Drit­ten Reichs („Lin­gua Ter­tii Imperii“ = Sprache des Drit­ten Reichs).
  4. Inhalt: Klem­per­er zeigt, wie Sprache zu einem Instru­ment der Macht, Manip­u­la­tion und Ent­men­schlichung wurde.
  5. Bedeu­tung: Ein einzi­gar­tiges Zeit­doku­ment und Fun­da­ment für die Sprachkri­tik total­itär­er Sys­teme.

Seine Tage­büch­er (Ich will Zeug­nis able­gen bis zum let­zten) doku­men­tieren par­al­lel das Elend des Unter­gangs in Deutsch­land.

  1. Ja, er über­lebte in Deutsch­land.
    Klem­per­er war jüdis­ch­er Herkun­ft, aber mit ein­er „arischen“ Frau, Eva Schlem­mer, ver­heiratet. Diese Ehe („Mis­chehe“) schützte ihn vor der Depor­ta­tion.
  2. Ort:
    Er lebte während der NS-Zeit in Dres­den, wurde 1940 aus der Uni­ver­sität ent­lassen, musste den Juden­stern tra­gen und Zwangsar­beit leis­ten.
  3. Flucht:
    Nach der Bom­bardierung Dres­dens im Feb­ru­ar 1945 flo­hen er und seine Frau zu Fuss aus der zer­störten Stadt – kurz vor der geplanten Depor­ta­tion.
  4. Nach 1945:
    Er wurde Pro­fes­sor in der DDR, zuerst in Halle, später in Dres­den.
  5. Tod:
    Gestor­ben 1960 in Dres­den.

Seine Noti­zen aus der NS-Zeit (die „LTI“-Grundlage) schrieb er heim­lich auf kleine Zettel – unter Lebens­ge­fahr.

Philolo­gie bedeutet: die wis­senschaftliche Beschäf­ti­gung mit Sprache, Tex­ten und deren Bedeu­tung in his­torischem Zusam­men­hang.

  1. Kern­bere­iche:
    • Sprach­wis­senschaft (Analyse von Gram­matik, Wortbe­deu­tung, Stil)
    • Lit­er­atur­wis­senschaft (Inter­pre­ta­tion, Kon­tex­tu­al­isierung von Tex­ten)
    • Edi­tion­swis­senschaft (kri­tis­che Arbeit an Orig­inal­tex­ten, Hand­schriften)
  2. Ziel:
    • Texte ver­ste­hen, über­liefern, deuten
    • Sprache als Spiegel von Denken, Kul­tur und Macht analysieren
  3. Klem­per­ers Zugang:
    • Er nutzte philol­o­gis­che Meth­o­d­en, um die Sprache des Drit­ten Reichs (LTI) zu unter­suchen
    • Zeigte, wie Wörter, Satzbau und Stil poli­tis­che Ide­olo­gie trans­portieren
    • Beispiel: Wörter wie „fanatisch“, „held­isch“, „opfern“ wur­den pos­i­tiv umgedeutet

Kurz:
Philolo­gie = kri­tis­che Liebe zur Sprache, im Fall Klem­per­ers als Instru­ment der Aufk­lärung gegen Manip­u­la­tion.

Der Begriff Philolo­gie ist heute fast ver­schwun­den.

  1. Erset­zt durch:
    • „Lin­guis­tik“ (Sprach­wis­senschaft)
    • „Lit­er­atur­wis­senschaft“
    • „Kul­tur­wis­senschaft“
    • „Medi­en­wis­senschaft“
  2. Ver­lust:
    • Philolo­gie ver­band Genauigkeit, Kon­text und Ethos: sorgfältiges Lesen, his­torische Ein­bet­tung, moralis­che Ver­ant­wor­tung.
    • Heute oft erset­zt durch The­o­riediskurse oder Date­n­analyse ohne tiefes Textver­ständ­nis.
  3. Gründe:
    • Uni­ver­sitäre Spezial­isierung (Auf­s­pal­tung der Geis­teswis­senschaften)
    • Abw­er­tung des Lesens zugun­sten von Meth­o­d­en, Mod­ellen, Algo­rith­men
    • Dom­i­nanz englis­ch­er Fach­sprache: „lan­guage stud­ies“, „cul­tur­al stud­ies“
  4. Kon­se­quenz:
    • Ver­lust der Sprach­sen­si­bil­ität, die Klem­per­er zen­tral machte
    • Genau das, was „LTI“ warnte: Wenn Sprache unbe­wusst gebraucht wird, wird sie poli­tisch gefährlich

Kurz:
Philolo­gie war einst die Kun­st, die Wahrheit der Sprache zu prüfen. Heute ist sie fast ganz im Rauschen der Kom­mu­nika­tion ver­schwun­den.

Vic­tor Klem­per­er beschrieb „LTI“ selb­st als „Notizbuch eines Philolo­gen“ – und genau so ist es gemeint: kein sys­tem­a­tis­ches Werk, son­dern eine Samm­lung von Beobach­tun­gen, heim­lich aufgeschrieben auf Zettelchen, oft unter Lebens­ge­fahr.

  1. Selb­st­beschrei­bung:
    Er schrieb:
    „Ich notierte mir Worte, Redewen­dun­gen, Satz­for­men, die mir als typ­isch erschienen. Immer auf kleine Zettel, heim­lich, in Angst.“
  2. Motiv:
    • Er wollte die Sprache als Spiegel der Dik­tatur doku­men­tieren.
    • Er nan­nte es „ein philol­o­gis­ches Tage­buch über die Sprache des Drit­ten Reichs“.
    • Er wollte zeigen, wie Ide­olo­gie in die All­t­agssprache ein­sick­ert.
  3. Schreib­si­t­u­a­tion:
    • Unter Zwangsar­beit, ständig bedro­ht, in Dres­den
    • Oft in winziger Schrift auf Rück­seit­en von For­mu­la­ren oder alten Rech­nun­gen
    • Seine Frau Eva ver­steck­te und ret­tete diese Zettel
  4. Nach dem Krieg:
    • Erst danach kon­nte er die Zettel ord­nen und das Buch daraus machen
    • 1947 erschien LTI. Notizbuch eines Philolo­gen bei Reclam in Leipzig
  5. Sein Faz­it:
    „Worte kön­nen sein wie winzige Arsendosen – sie wer­den unbe­merkt ver­schluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“

Das Zettelchen-Schreiben war also eine stille Form des Wider­stands – philol­o­gisch, präzise, leben­sret­tend.

Es geht doch nicht um die Worte

Entschei­dend ist, welche Früchte sie tra­gen: Gehor­sam, Angst, Hass – oder Ver­trauen, Mit­ge­fühl, Frei­heit. Um es relig­ilöse zu sagen:

„An ihren Frücht­en sollt ihr sie erken­nen.“

Matthäus 7,16

Soziale Arbeit als Arbeit am Sozialen:

  1. Soziale Arbeit als Arbeit am Sozialen
    – arbeit­et nicht an Men­schen, son­dern an den Bedin­gun­gen des In-Beziehung-Seins.
  2. Sie arbeit­et nicht an der Behe­bung von Defiziten,
    – son­dern an Struk­turen, die Defizite her­vor­brin­gen oder ver­hin­dern.
  3. Sie hil­ft nicht,
    – son­dern ermöglicht Anschlussfähigkeit – neue For­men von Koop­er­a­tion, Kom­mu­nika­tion, Teil­habe.
  4. Sie arbeit­et an Möglichkeit­sräu­men,
    – das heisst: an Sys­te­men, die andere Zukün­fte zulassen.

Kurz­form:
Soziale Arbeit heilt nicht – sie gestal­tet Bedin­gun­gen, unter denen Heilung, Gerechtigkeit oder Frei­heit über­haupt denkbar wer­den.