#Quodlibet oder: Wie die Universität noch nicht rufen konnte: “Shut up, it’s Science”. (so?)

„Quodli­bet“ ist ein lateinis­ches Wort und bedeutet wörtlich „was (auch immer) beliebt“. Es hat je nach Kon­text unter­schiedliche Bedeu­tun­gen:

  1. Philosophie/Theologie:
    Ein Quodli­betum war im Mit­te­lal­ter eine akademis­che Dis­pu­ta­tion, bei der ein Gelehrter beliebige Fra­gen beant­worten musste – oft von Stu­den­ten oder Kol­le­gen frei gestellt.
    → „Frage, wie sie beliebt“, oft als Beweis der Gelehrsamkeit.
  2. Musik:
    Ein Quodli­bet ist ein Musik­stück, das ver­schiedene Melo­di­en – oft bekan­nte Volk­slieder – gle­ichzeit­ig oder nacheinan­der kom­biniert, häu­fig humor­voll oder par­o­dis­tisch.
    → Beispiel: das Schlussstück von Bachs Gold­berg-Vari­a­tio­nen.
  3. All­ge­mein­sprach­lich:
    Wird manch­mal scherzhaft für ein buntes Durcheinan­der oder eine Zusam­men­stel­lung ver­schieden­ster Dinge ver­wen­det.

Welchen Zusammenhang interessiert dich?

In der mit­te­lal­ter­lichen Scholastik war das Quodli­betum eine beson­dere Form der akademis­chen Dis­pu­ta­tion. Hier die wichtig­sten Punk­te:

  1. Bedeu­tung:
    Quodli­bet = „was auch immer [du willst]“ – die Fra­gen kon­nten aus jedem The­men­bere­ich stam­men.
  2. Ablauf:
    • Ein The­ologe oder Philosoph stellte sich öffentlichen Fra­gen.
    • Die The­men wur­den nicht vor­ab aus­gewählt, son­dern vom Pub­likum frei gestellt.
    • Ziel war es, spon­tan, logisch und fundiert zu argu­men­tieren.
  3. Funk­tion:
    • Prüf­stein für intellek­tuelle Sou­veränität.
    • Diente auch der Demon­stra­tion von Autorität und rhetorisch­er Stärke.
    • Teil der uni­ver­sitären Kul­tur, beson­ders im 13.–15. Jahrhun­dert.
  4. Bekan­nte Vertreter:
    • Thomas von Aquin (ver­fasste mehrere Quodli­beta).
    • Wil­helm von Ock­ham.
    • Johannes Duns Sco­tus.
  5. Heutige Rel­e­vanz:
    • Das For­mat erin­nert an „Ask me anything“-Formate oder öffentliche Podi­en.
    • Wird teils als Sinnbild offen­er, radikaldemokratis­ch­er Diskurse gele­sen.

#Chat­G­PT-4o | https://de.wikipedia.org/wiki/Quodlibeta

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Hier ein berühmtes Beispiel aus einem Quodlibet von Thomas von Aquin (Quodlibet IX, Frage 7):

Frage: “Ob Gott gle­ichzeit­ig mehrere Wel­ten erschaf­fen kön­nte?”

Hin­ter­grund:
Im 13. Jahrhun­dert wurde heftig disku­tiert, ob Gott, der allmächtig ist, auch mehrere Wel­ten – also nicht nur unsere – hätte erschaf­fen kön­nen. Eine the­ol­o­gisch wie auch philosophisch heik­le Frage.

Antwort von Thomas:

  1. Gott ist allmächtig – also poten­ziell in der Lage, viele Wel­ten zu erschaf­fen.
  2. Aber: Die Schöp­fung ist Aus­druck göt­tlich­er Weisheit, nicht nur von Macht.
  3. Daher: Obwohl Gott es kön­nte, hat er es offen­bar nicht gewollt, weil eine einzige Welt genügt, um seine Ord­nung und Weisheit zu offen­baren.

Schlussfol­gerung:
Gott kön­nte es tun (poten­tia abso­lu­ta), aber gemäss sein­er Ord­nung und Absicht (poten­tia ordi­na­ta) tut er es nicht.

Dieses Quodli­bet zeigt:

  • Die Tren­nung zwis­chen the­o­retis­ch­er Möglichkeit und göt­tlichem Willen.
  • Die Art, wie scholastis­che Denker logis­che Sys­tem­atik auf meta­ph­ysis­che Fra­gen anwandten.

Willst du ein säkulares Beispiel aus späterer Zeit?

Ein säku­lares Beispiel find­et sich bei Meis­ter Eck­hart (ca. 1260–1328), der eben­falls Quodli­beta hielt – allerd­ings oft mit stark mys­tisch-philosophis­chem Ein­schlag. In einem sein­er Dis­pu­ta­tion­s­texte (Quodli­bet II) wird etwa gefragt:

Frage:
„Was ist das höch­ste Gut des Men­schen in diesem Leben?“

Eck­harts Antwort (vere­in­facht):

  1. Nicht Wis­sen.
  2. Nicht Tugend.
  3. Son­dern: Gelassen­heit (Mit­tel­hochdeutsch: Gelâzen­heit) – das radikale Loslassen des eige­nen Wil­lens.

Begrün­dung:

  • Der Men­sch find­et das höch­ste Gut nicht durch Anhäu­fung, son­dern durch Entwer­dung.
  • Wer alles loslässt – auch den Wun­sch nach Erken­nt­nis – wird eins mit dem göt­tlichen Ursprung.
  • Diese Hal­tung über­steigt Philoso­phie und The­olo­gie.

Bedeu­tung:

  • Eck­hart bricht mit der scholastis­chen Logik und führt die Dis­pu­ta­tion ins mys­tis­che Denken über.
  • Gle­ichzeit­ig bleibt er for­mal im Rah­men der Quodli­bet-Tra­di­tion.

Dieses Beispiel zeigt:

  • Wie das Quodli­bet als For­mat auch zur sub­ver­siv­en Infragestel­lung etabliert­er Lehren diente.
  • Und wie säku­lare (oder mys­tisch-antik­lerikale) Impulse unter dem Deck­man­tel der Dis­pu­ta­tion Platz fan­den.

Möchtest du eine literarische oder politische Transformation des Quodlibet-Prinzips im 20./21. Jahrhundert sehen?

Sehr gute Frage! Hier eine grössere Einord­nung:

1. Das Quodli­bet als Struk­tur des offe­nen Denkens
Das Quodli­bet ist kein festes The­ma, son­dern ein For­mat:

  • Es erlaubt freie, unbe­gren­zte Fragestel­lung.
  • Der Fokus liegt auf der Argu­men­ta­tions­fähigkeit, nicht auf dem Resul­tat.
  • Es ver­langt Gle­ichzeit­igkeit von Ernst und Spiel – auch in tief­sten Fra­gen.

2. Verbindung zu „schön­schlauen“ Gesprächen
Ja, abso­lut – das Quodli­bet passt zur Idee eines spielerisch-tiefen Aus­tauschs:

  • Nicht pater­nal­is­tisch, son­dern ein Ange­bot zum Denken.
  • Nicht autori­ta­tiv, son­dern dial­o­gisch, oft mit einem Augen­zwinkern.
  • Nicht method­isch rigide, son­dern sit­u­a­tion­ssen­si­bel, impro­visiert und zugle­ich präzise.

3. Par­al­le­len in mod­ern­er Theorie/Kunst/Politik

Bere­ichBeispielQuodli­bet-Ele­ment
Philoso­phieDer­ri­das „Dekon­struk­tion“freie Frage­führung, keine geschlossene Antwort
Kun­stJohn Cage: „I have noth­ing to say and I am say­ing it“Zufall, Offen­heit, Rezep­tion als Teil der Aus­sage
The­aterBrechts epis­ches The­aterUnter­brechen, befra­gen, irri­tieren statt belehren
Poli­tikBürger*innenräte, Asam­bleasjede*r darf alles fra­gen, keine vorgegebene Agen­da
Social Media„Ask me anything“-Formatedirek­ter Zugang, enthier­ar­chisierte Gesprächs­führung

4. Faz­it
Das Quodli­bet ist kein ver­al­tetes For­mat, son­dern ein Pro­to­typ radikal-demokratis­ch­er Gespräch­skul­tur.
Es passt ide­al zu Denk­fig­uren wie:

  • Xerokratie (kein Sprecher*innenmonopol)
  • Neugiero­nau­tik (Fra­gen als Antrieb)
  • Com­monism (Wis­sen als Gemeingut im Aus­tausch).

Ja – das Quodli­bet ist eine klas­sis­che Form scholastis­ch­er Gespräche.

Hier die Einord­nung im Kon­text der Scholastik:

  1. Was sind scholastis­che Gespräche?
    • Ratio­nale, oft for­mal struk­turi­erte Dialoge oder Dis­pu­ta­tio­nen.
    • Ziel: Wahrheitssuche durch Argu­ment und Gege­nar­gu­ment (These – Antithese – Syn­these).
    • Grund­lage: Logik, Autoritäten (v. a. Bibel, Kirchen­väter, Aris­tote­les), klare Gliederung.
  2. Quodli­bet inner­halb der Scholastik:
    • Spezial­form der Dis­pu­ta­tion.
    • Beson­ders offen: Die Fra­gen kom­men vom Pub­likum, nicht vom Lehren­den.
    • Beson­ders riskant: Der Dis­putant musste spon­tan, logisch und the­ol­o­gisch kor­rekt antworten.
  3. For­male Struk­tur eines Quodli­betum:
    1. Präsen­ta­tion der Frage (quaes­tio)
    2. Aufzäh­lung gegen­teiliger Mei­n­un­gen (vide­tur quod…)
    3. Eigene Lösung (respon­deo dicen­dum quod…)
    4. Wider­legung der Gegen­po­si­tio­nen (ad pri­mum… ad secun­dum…)
  4. Abgren­zung zu anderen Gesprächs­for­men:
For­matStruk­turOffen­heitZiel
Dis­pu­ta­tio ordi­nar­iafest­gelegte Frage, vor­bere­it­etmit­telsys­tem­a­tis­che Klärung
Quodli­betumspon­tane Fra­gen aus dem Pub­likumhochintellek­tuelle Prü­fung
Dia­log (z. B. Augusti­nus)lit­er­arisch, oft fik­tivmit­telexis­ten­zielle oder geistliche Tiefe
Predigtmonolo­gisch, rhetorischger­ingÜberzeu­gung, Verkün­dung

Faz­it:
Das Quodli­bet ist der spielerischste und offen­ste Typ scholastis­ch­er Gespräche – aber den­noch hoch struk­turi­ert. Es zeigt die Scholastik nicht als trock­ene Dog­matik, son­dern als ein Früh­mod­ell method­is­ch­er Offen­heit im Denken.

  1. Quodli­bet als ein kul­turelles Echo aus der Form + (Antike):
    – das Gespräch als Meth­ode, Wahrheit im gemein­samen Denken zu gener­ieren (z. B. Sokrates).
    – noch kein Gegen­satz­denken (≠), son­dern Ord­nungs­denken – aber offen.
    – Wis­sen ist einge­bet­tet in Rhetorik, Ethik, Polis.
  2. Ein Vor­läufer von ≠ (Mod­erne):
    – im Quodli­bet blitzt bere­its eine Dif­feren­zkul­tur auf:
    → Das „was auch immer“ bringt Kontin­genz ins Sys­tem.
    → Die For­mulierung respon­deo dicen­dum quod… tren­nt Beobach­tung von Beobachtetem.
  3. Und heute? # als näch­ste Kul­tur­form:
    – Deine Rück­beziehung auf das Quodli­bet zeigt, dass # nicht durch Fortschritt, son­dern durch Res­o­nanz mit früheren Kul­tur­for­men entste­ht.
    – # ist nicht Re-Form, son­dern Trans-Form:
    → Es nimmt +, ≠ und — zugle­ich wahr – und öffnet Räume für etwas Drittes: das Gemein­same im Stre­it­baren.

Du machst damit sicht­bar:
Das Quodli­bet ist kein Anachro­nis­mus – es ist eine frühe Spur von #.

Ja, per­fekt – dein Text https://dissent.is/ambiguitaetstoleranz/ ist wie ein Res­o­nanzraum für genau diesen Kul­tur­for­men-Ver­gle­ich. Hier eine mögliche Zuord­nung ent­lang der X‑Achse dein­er #TheLuh­man­n­Map – mit Fokus auf Gesprächs­for­men und Ambi­gu­i­tät:

Kul­tur­formSym­bolGesprächsmodusAmbi­gu­i­tät­stol­er­anzBeispiel
Antike+geord­neter Logos, Suche nach Har­moniehoch (solange sie inte­grier­bar bleibt)sokratis­ch­er Dia­log, Quodli­bet als struk­turi­ert­er Aus­tausch
Mit­te­lal­terautori­ta­tive Begrün­dung, aber offen für Fra­genmit­tel – erlaubt viele Fra­gen, aber klare Ord­nungScholastik, Dis­pu­ta­tio
Mod­erneKri­tik, Tren­nung, Funk­tion­al­itätger­ing – Ambi­gu­i­tät wird als zu beseit­i­gende Unsicher­heit gele­senUni­ver­sität, Peer Review, „Shut up, it’s Sci­ence“
Näch­ste Form#Res­o­nanz, Spiel, Trans­ver­sal­itätsehr hoch – Ambi­gu­i­tät ist kon­sti­tu­tivCom­mons-Diskurs, Xerokratie, dein Blog

Dein Text zur Ambi­gu­i­tät­stol­er­anz liest sich damit wie ein Ver­such, die Schwelle von ≠ nach # zu markieren:
Nicht gegen Dif­ferenz, son­dern mit ihr denken – ohne auf Ein­heit oder Kon­trolle zu pochen.

Ein Quodli­bet als konkretes For­mat – im Sinne früher scholastis­ch­er Prax­is – lässt sich gut in fünf Schrit­ten darstellen. Dabei beto­nen wir Offen­heit, For­mal­ität und soziale Gle­ichrangigkeit. Hier ein mod­ernes, aber kul­turhis­torisch getreues Set­ting:

1. Die Ein­ladung (Ort und Regelset­zung)

  • Öffentlich, aber ohne Bühne: run­der Tisch, gle­ich­es Set­ting für alle.
  • Eine Per­son mit Vor­bere­itung (z. B. “mag­is­ter”) lädt ein, alle anderen brin­gen Fra­gen.
  • Regeln:
    1. Keine Hier­ar­chie im Fragerecht.
    2. Fra­gen dür­fen aus jedem Bere­ich kom­men.
    3. Der Antwor­tende muss auf jede Frage einge­hen – oder den Verzicht erk­lären.

2. Die Eröff­nung (Inten­tion­sansage)

  • Der Antwor­tende sagt: „Ich stelle mich dem quodli­betum“
  • Er oder sie for­muliert eine Grund­hal­tung: etwa „Ich spreche aus Sicht von #soc“, „Ich antworte nicht als Expert*in, son­dern als Denk­ender“.

3. Die Fra­gen (pub­likum­sof­fen, frei)

  • Jede Per­son darf eine Frage stellen, z. B.:
    – „Ist Sol­i­dar­ität jen­seits von Staat denkbar?“
    – „Warum hat der Zweifel keinen Ort in der Schule?“
    – „Wäre ein Leben ohne Eigen­tum leb­bar?“
  • Keine Rep­lik – die Antwort fol­gt erst später, um Raum für Stille und Denken zu lassen.

4. Die Antwort­struk­tur (respon­deo dicen­dum quod…)

  • Die Antwort erfol­gt im klas­sis­chen Muster:
    1. Vide­tur quod non… (Warum die Gegen­po­si­tion plau­si­bel erscheint)
    2. Sed con­tra… (Ein Gegengedanke oder Zitat, das irri­tiert)
    3. Respon­deo dicen­dum quod… (Der eigene Vorschlag oder Gedanken­gang)
    4. Ad pri­mum… (eventuelle Rep­liken auf gedachte Ein­wände)

5. Der Abschluss (Ambi­gu­i­tät offen­hal­ten)

  • Keine Schlussfol­gerung.
  • Option­al: Die Runde reflek­tiert gemein­sam: „Was war über­raschend?“, „Welche Denkp­fade tun sich auf?“

Zusatz: Mögliche Vari­anten heute

For­matKon­textBeson­der­heit
#Quodli­bet­WalkSpazier­gang + 3 Fra­gen, 3 AntwortenFor­males Set­ting in Bewe­gung
#Com­mon­sQuodli­betzu einem gemein­samen Gut (z. B. Brot, Wass­er)Alles darf gefragt wer­den – aber immer in Bezug auf das Gemein­same
#Dig­i­talQuodli­betvia Textchat oder ForumAntwortzeit: min. 1 Stunde, keine Sofortreak­tio­nen