#TheStaubBernasconiMatrix

#TheStaubBernasconiMatrix

(0) GRUNDFORMEN SOZIALER PROBLEME
dissent.is/Grundformen

(1) DIE AXIOME: #TheLuh­man­n­Map
dissent.is/TheLuhmannMap

(1.5) DIE TEXTQUELLEN: #TheLuh­man­nRead­er
dissent.is/TheLuhmannReader

(2) VIER MACHTDIMENSIONEN: #TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix
dissent.is/TheStaubBernasconiMatrix

(2.5) Job, Beruf, Pro­fes­sion, Diszi­plin: #SozialeAr­beit
dissent.is/SozialeArbeit

work in progress

Arbeits­stand: 1. Sep­tem­ber 2025/sms ;-)

Radikaler Kon­struk­tivis­mus löst den Ref­eren­zial­is­mus auf: Es gibt keine objek­tive Bezug­nahme auf eine Aussen­welt – Beobach­tung basiert auf selb­st­ge­set­zten Axiomen. #TheLuh­man­n­Map bringt die Kontin­genz des Sozialen, #TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix benen­nt zur Gestal­tung der Form vier Para­me­ter: Anord­nung, Zugang, Legit­i­ma­tion, Durch­set­zung.

Die Axiome nach Silvia Staub-Bernasconi aus der Zürcher Schule

Ein Axiom ist eine Grun­dan­nahme, die nicht bewiesen wird, son­dern als Set­zung dient. Es struk­turi­ert ein Denksys­tem und legt fest, worauf weit­ere Aus­sagen auf­bauen. Ohne die Explizierung der eige­nen Axiome bleibt jede Analyse, jede Reflex­ion, jede Kri­tik beliebig und unfal­si­fizier­bar.

#TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix ist eine Konkretisierung sys­temthe­o­retis­ch­er Ansätze für die Soziale Arbeit. Sie fragt nicht nach Inter­ven­tion am Men­schen, son­dern nach der Gestal­tung von For­men, die soziale Räume ermöglichen.

Die vier Parameter, welche wir parametrisch modellieren:

Dimen­sionPos­i­tive WerteZer­falls­for­menZiel
Anord­nung (Arrange­ment)Hier­ar­chie (Struk­tur und Effizienz), Egal­i­taris­mus (Gle­ichrangigkeit und Beteili­gung)Autori­taris­mus (rigide Kon­trolle), Chaos (Auflö­sung von Ord­nungs­bezü­gen)Anar­chie
Zugang (Access)Beschränk­ter Zugang (Schutz gemein­schaftlich­er Ressourcen), Uni­verseller Zugang (Offen­heit und geteilte Nutzung)Exk­lu­siv­ität (struk­tureller Auss­chluss), Über­nutzung (unkon­trol­lierte Aus­beu­tung)Com­mons
Legit­i­ma­tionRecht­fer­ti­gung (Begrün­dung und Trans­parenz), Skep­sis (Prü­fung und Dis­tanz)Willkür (intrans­par­ente Set­zung), Paral­yse (Entschei­dung­sun­fähigkeit)Inklu­sion
Durch­set­zung (Enforce­ment)Autori­ta­tive Durch­set­zung (klare Erwartungssicher­heit), Frei­willigkeit (Selb­st­bindung und Autonomie)Repres­sion (Zwang und Diszi­plin­ierung), Anomie (Ver­lust von Erwart­barkeit)Paz­i­fis­mus

Ergänzun­gen und Erk­lärun­gen:

Anord­nung (Arrange­ment)
– Def­i­n­i­tion: Wie wird Ord­nung im Sozialen gebildet?
– Bewe­gungslogik: Zwis­chen Hier­ar­chie (Struk­tur, Effizienz) und Egal­i­taris­mus (Beteili­gung, Gle­ichrangigkeit) beste­ht eine Span­nung. Kip­pen die Kräfte, erstar­rt Ord­nung in Autori­taris­mus oder zer­fällt in Chaos. Anar­chie eröffnet den Möglichkeit­sraum ein­er Ord­nung ohne Zen­trum – Vielfalt und Dif­ferenz wer­den tragfähig organ­isiert, ohne Herrschaft.
– Bezug Soziale Arbeit: Soziale Prob­leme entste­hen dort, wo Ord­nung zu starr oder zu dif­fus ist. Gestal­tung bedeutet, Räume für Anord­nung zu öff­nen, in denen wed­er Zwang noch Auflö­sung dominiert, son­dern selb­st­tra­gende For­men der Koop­er­a­tion.

Zugang (Access)
– Def­i­n­i­tion: Wer darf teil­haben, wer hat Zugang zu Ressourcen?
– Bewe­gungslogik: Zwis­chen beschränk­tem Zugang (Schutz, Nach­haltigkeit) und uni­versellem Zugang (Offen­heit, Teil­habe) braucht es Bal­ance. Exk­lu­siv­ität pro­duziert Auss­chluss, Über­nutzung entwertet Ressourcen. Com­mons markieren den Möglichkeit­sraum, in dem Regeln Offen­heit und Schutz zugle­ich sich­ern – nicht durch Gle­ich­heit, son­dern durch geteilte Ver­ant­wor­tung.
– Bezug Soziale Arbeit: Soziale Prob­leme sind oft Zugang­sprob­leme: Bil­dung, Gesund­heit, Wohn­raum, Kom­mu­nika­tion. Gestal­tung bedeutet, Com­mons-Struk­turen aufzubauen, die wed­er auss­chliessen noch entwerten, son­dern tragfähige Teil­habe ermöglichen.

Legit­i­ma­tion
– Def­i­n­i­tion: Wie wird fest­gelegt, was gilt?
– Bewe­gungslogik: Zwis­chen Recht­fer­ti­gung (Begrün­dung, Trans­parenz) und Skep­sis (Prü­fung, Dis­tanz) entste­ht Span­nung. Ohne Prü­fung kippt Legit­i­ma­tion in Willkür, bei totaler Skep­sis block­iert sie in Paral­yse. Inklu­sion eröffnet den Möglichkeit­sraum, in dem Recht­fer­ti­gung und Zweifel einan­der begren­zen – Sinn bleibt anschlussfähig, Beteili­gung wird ermöglicht.
– Bezug Soziale Arbeit: Soziale Prob­leme entste­hen dort, wo Entschei­dun­gen nicht nachvol­lziehbar oder gar nicht mehr möglich sind. Gestal­tung bedeutet, Legit­i­ma­tion so zu organ­isieren, dass Men­schen ein­be­zo­gen sind, ohne dass Entschei­dun­gen block­ieren.

Durch­set­zung (Enforce­ment)
– Def­i­n­i­tion: Wie wer­den Erwartun­gen gesichert, ohne Gewalt?
– Bewe­gungslogik: Zwis­chen autori­ta­tiv­er Durch­set­zung (Erwartungssicher­heit) und Frei­willigkeit (Selb­st­bindung, Autonomie) braucht es ein Gle­ichgewicht. Repres­sion führt zu Abhängigkeit von Zwang, Anomie zum Ver­lust von Bindungskraft. Paz­i­fis­mus eröffnet den Möglichkeit­sraum, in dem Erwartun­gen ver­lässlich bleiben, ohne Gewalt – durch Gegen­seit­igkeit statt Dro­hung.
– Bezug Soziale Arbeit: Soziale Prob­leme entste­hen dort, wo Regeln nur durch Gewalt oder gar nicht mehr durchge­set­zt wer­den. Gestal­tung bedeutet, For­men der Durch­set­zung zu entwick­eln, die auf Gegen­seit­igkeit beruhen – Erwartungssicher­heit ohne Repres­sion.


📌 Erk­lärung:

Macht ist nicht an sich das Prob­lem. Jede soziale Ord­nung braucht Macht, um Erwartun­gen zu sta­bil­isieren, Unter­schiede sicht­bar zu hal­ten und Han­deln zu koor­dinieren. Entschei­dend ist die Unter­schei­dung zwis­chen begren­zen­der und behin­dern­der Macht:

  • Begren­zungs­macht wirkt ermöglichend. Sie schafft Struk­tur, schützt Ressourcen, sichert Beteili­gung, hält Dif­ferenz offen. Sie begren­zt, damit Vielfalt beste­hen kann.
  • Behin­derungs­macht wirkt block­ierend. Sie gren­zt aus, diskri­m­iniert, monop­o­lisiert, schliesst ab. Sie ver­hin­dert Teil­habe und repro­duziert soziale Prob­leme.

Sozial prob­lema­tisch ist also nicht Macht an sich, son­dern die Form ihrer Real­i­sa­tion. Die Matrix eröffnet hier den Beobach­tungsraum: Jede Dimen­sion zeigt, wie sich Macht entwed­er als Begren­zung ent­fal­tet – oder in Behin­derung kippt.


Paraphrasierung – was #TheStaubBernasconiMatrix ermöglicht

Sie macht sicht­bar, dass soziale Prob­leme nicht durch „Helfen“ gelöst wer­den, son­dern durch die Gestal­tung von Struk­turen. Sie über­set­zt die Frage „Wie kann ein gutes Leben gelin­gen?“ in vier sys­tem­a­tis­che Dimen­sio­nen der Macht. Jede Dimen­sion öffnet einen Möglichkeit­sraum: Anar­chie statt Herrschaft, Com­mons statt Auss­chluss, Inklu­sion statt Willkür, Paz­i­fis­mus statt Gewalt.

[/h]ARCHIV[/h]

(genese des eintrages ;-)

Die Tradition der sogenannten “Zürcher Schule” (Peter Heintz …)

LEGITIMATION (Legit­i­ma­tion)

  • wahrheit ohne anspruch auf deu­tung­shoheit

DURCHSETZUNG (Enforce­ment)

  • keine gewalt. keine

ANORDNUNG (Arrange­ment)

  • kein pater­nal­is­mus. auch kein lib­eraler

ZUGANG (Access)

  • com­mons. weil dat­en, infor­ma­tion, wis­sen sich mehren, wenn sie geteilt wer­den…

DIE ZÜRCHER SCHULE, seit 500 jahren (so?)

Anwendungsbeispiel von #TheStaubBernasconiMatrix

note­bookLM von google, fasst den aktuellen stand des blo­gein­trags am 1. mai 2025 ohne jede prompt-sci­ence so zusam­men. da ist einiges drin, was ich so nicht sagen würde. aber… eieiei… #TaaS vom fein­sten…

Arbeits­stand: 27. April 2025/sms ;-)

Meta-Überblick:

  1. Radikaler Kon­struk­tivis­mus löst den Ref­eren­zial­is­mus auf: Es gibt keine objek­tive Bezug­nahme auf eine Aussen­welt – Beobach­tung basiert auf selb­st­ge­set­zten Axiomen.
  2. #TheLuh­man­n­Map bringt die Kontin­genz des Sozialen und die Idee der Kon­stel­la­tion von Kul­tur­for­men.
  3. Kul­tur­for­men entste­hen als Trans­for­ma­tio­nen von ((Wandel)Wechsel) – sie sind Antworten auf die Kontin­genz des Sozialen.
  4. Soziale Arbeit fragt nach der Form sozialer Räume, die soziale Prob­leme zum Ver­schwinden brin­gen kön­nen (vgl. Wittgen­stein: „Form ist Möglichkeit der Struk­tur“ und „Lösun­gen erken­nt man am Ver­schwinden des Prob­lems“).
  5. #TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix benen­nt zur Gestal­tung der Form vier Para­me­ter: Anord­nung, Zugang, Legit­i­ma­tion, Durch­set­zung.
Die Axiome nach Sil­via Staub-Bernasconi aus der Zürcher Schule

Was ist ein Axiom?
Ein Axiom ist eine Grun­dan­nahme, die nicht bewiesen wird, son­dern als Set­zung dient. Es struk­turi­ert ein Denksys­tem und legt fest, worauf weit­ere Aus­sagen auf­bauen.

Warum ist die Explizierung der eige­nen Axiome so wichtig?
Axiome bes­tim­men, was beobachtet wer­den kann, und ohne ihre Explizierung bleibt jede Analyse, jede Reflek­tion, jede Kri­tik beliebig und unfal­si­fizier­bar.

Was wir von der #TheLuh­man­n­Map mit­brin­gen:
Das Soziale ist eines von 4 autopoi­etis­chen Sys­te­men, real­isiert und erhal­ten durch Kom­mu­nika­tion – nicht durch Men­schen. Es ist voll­ständig kontin­gent: “Alles kön­nte auch anders sein…”

“Kul­tur­for­men fall­en nicht vom Him­mel, wie Äpfel von den Bäu­men.” (sms)

  • Kul­tur­for­men entste­hen als spez­i­fis­che Antworten auf die offene Kontin­genz des Sozialen.
  • Kul­tur­for­men sind geronnene For­men, welche im Muse­um aus­gestellt und bewun­dert wer­den kön­nen.
  • Kul­tur­for­men kön­nen ganz im Arbeitsmodus der Kul­tur­form der Mod­erne analysiert — reflek­tiert — kri­tisiert wer­den.

Die Kul­tur — all das, was Men­schen und Grup­pen von Men­schen als “nor­mal” erscheint — ist stets im Wan­del: Mod­en kom­men und gehen. Aber irgend­wann lassen sich dann eben doch sta­bile Muster erken­nen, welche sich von anderen klar abgren­zen lassen. Oder noch mehr: Es baut sich ein #Kul­turekel so auf, dass sich Kul­tur­for­men gegen andere Durch­set­zen kön­nen…

Das Antike, gegen das Trib­ale.
Die Mod­erne, gegen den Pater­nal­is­mus der Pater und der Blaublüti­gen.

Bei uns in der Sur­sel­va:
Das Katholis­che gegen die Kel­ten. (Bischof Cam­i­na­da: Die verza­uberten Täler)
Die Spät­mod­erne gegen den Alpin­barock.

#TheLuh­man­n­Map kon­stel­liert diese Beobacht­barkeit und wieder­holt, was die radikalen Kon­struk­tivis­ten mit Paul Wat­zlaw­ick in seinem berühmten 6. Axiom for­muliert haben: “Trans­for­ma­tion­sprozesse fol­gt der Logik von ((Wandel)Wechsel).”

Die Per­spek­tive von (Job, Beruf, Pro­fes­sion und) Diszi­plin Sozialer Arbeit ist die Arbeit am Sozialen. Sie stellt im Wesentlichen die Frage, welche auch bei den Benedik­tin­ern im Zen­trum ste­ht: “Wie kann ein gutes Leben gelin­gen?” Aber “als Kind der Kul­tur­form Mod­erne”, kann Soziale Arbeit freilich — und aus guten Grün­den! — nicht mehr die Antwort des Alpin­barocks repetieren. Sie for­muliert es anders. Zum Beispiel als ethis­chen Imper­a­tiv in Drei Geboten ;-)

Die soge­nan­nte “Zürcher-Schule” (Peter Heintz, Sil­via Staub-Beransconi etc.) hat wie #Biele­feld (Niklas Luh­mann, Dirk Baeck­er, Heiko Kleve etc.) auf und gegen #Frankurt (Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Jür­gen Haber­mas etc.) mit einem Sys­temis­chen Ansatz reagiert. Und alle bei­den haben auf Max Weber reagiert mit der Unter­schei­dung: Gesin­nungsethik vs Ver­ant­wor­tungsethik (Poli­tik als Beruf, 1919): „Man muss die Kon­se­quen­zen seines Han­delns ver­ant­worten kön­nen.“

Hier set­zt die #TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix an:
Sie benen­nt vier Para­me­ter, die darüber entschei­den, wie gelin­gen­des soziales Leben struk­turi­ert wer­den kann: Anord­nung, Zugang, Legit­i­ma­tion und Durch­set­zung.

Wie #TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix aufge­baut ist:
Soziale Arbeit fokussiert auf Soziale Prob­leme. Prob­leme wer­den hier eher als Her­aus­forderun­gen, Fra­gen, Prob­lema­tisierun­gen ver­standen. Im Bewusst­sein, dass Helfen nicht möglich ist. Weil Soziale Arbeit ja eben nicht an Kör­pern und/oder Psy­chen arbeit­et. Soziale Arbeit arbeit­et an For­men, welche (andere) Struk­turen ermöglichen. Wittgen­stein sagte nicht nur: “Die Form ist die Möglichkeit der Struk­tur”, son­dern eben auch: “Lösun­gen erkennst du am ver­schwinden des Prob­lems.”

Deshalb fragt #TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix: Welche Grund­pa­ra­me­ter müssen gestal­tet wer­den, damit soziale Räume gerecht, offen, legit­imiert und sta­bil bleiben kön­nen?

Daraus ergeben sich vier sys­tem­a­tis­che Para­me­ter:

Para­me­terLeit­frage zur Struk­turierung sozialer Räume
Anord­nungWie wer­den Ord­nun­gen gebildet, sodass Struk­tur und Vielfalt zugle­ich möglich sind?
ZugangWie wird geregelt, wer teil­haben und Ressourcen nutzen darf?
Legit­i­ma­tionWie wird entsch­ieden, welche Regeln und Ord­nun­gen als gerecht­fer­tigt gel­ten?
Durch­set­zungWie wird sichergestellt, dass Vere­in­barun­gen verbindlich bleiben, ohne auf Gewalt angewiesen zu sein?

👉 „Macht ist die Ressource das Soziale zu gestal­ten. Diese Ressource kann behin­dernd oder begren­zend einge­set­zt wer­den.“

#TheS­taub­Ber­nascon­i­Ma­trix
(orig­i­nal abgetippt nach staub-bernasconi, dis­ser­ta­tion)

Die Abschrift zeigt die zen­trale Unter­schei­dung, die Sil­via Staub-Bernasconi set­zt:

  1. Begren­zungs­macht
    – begren­zt unge­hin­derte Bemäch­ti­gung
    – begren­zt hier­ar­chis­che Fix­ierun­gen
    – begren­zt kul­turelle Homogen­ität und soziostruk­turelle Het­ero­gen­ität
    – sank­tion­iert ohne Anse­hen des Sta­tus ein­er Per­son
  2. Behin­derungs­macht
    – behin­dert Grup­pen mit unverän­der­baren Merk­malen
    – behin­dert soziale Rota­tion
    – behin­dert kul­turelle Het­ero­gen­ität (oder unter­schei­det diesen Unter­schied nicht)
    – sank­tion­iert nur bes­timmte Men­schen und Grup­pen

Und der entschei­dende Satz: Sozial prob­lema­tisch ist die Behin­derungs­macht. Das heisst: Macht an sich ist nicht das Prob­lem. Entschei­dend ist, ob sie begren­zend (und damit struk­tur­ermöglichend, gerecht, dif­feren­zwahrend) wirkt – oder behin­dernd (aus­gren­zend, diskri­m­inierend, exk­lu­siv).

  1. Wort­stamm Macht
    – „Macht“ hängt direkt mit „mögen“ und „ver­mö­gen“ zusam­men.
    – Gemeint ist also: Möglichkeit, Fähigkeit, Ver­mö­gen.
    – Erst sekundär: Durch­set­zung, Herrschaft, Gewalt.
  2. Im Lichte dein­er Paare
    – Sünde/Gnade (Barock): Ob etwas in Gottes Netz einge­flocht­en ist oder her­aus­fällt.
    – Freiheit/Verantwortung (Mod­erne): Ob das Indi­vidu­um kann, darf, soll.
    – Macht als Möglichkeit: Die Brücke dazwis­chen. Nicht: „jeman­den nieder­hal­ten“, son­dern: „etwas ver­mö­gen, möglich machen oder eben hin­dern“.
  3. Matrix-Logik
    Sil­via Staub-Bernasconi nimmt genau diesen Wort­stamm ernst:
    – Begren­zungs­macht = Möglichkeit so einge­set­zt, dass Ungle­ichgewicht einge­hegt, Vielfalt ermöglicht wird.
    – Behin­derungs­macht = Möglichkeit so einge­set­zt, dass andere aus­geschlossen, block­iert, ent­mächtigt wer­den.

Macht ist nicht das Gegen­teil von Res­o­nanz, son­dern Res­o­nanz ist eine Gestalt von Macht – die Möglichkeit, dass etwas trägt. Oder für die Kultuform der Mod­erne: Macht ist nicht das Gegen­teil von “Frei­heit oder Sol­i­dar­ität”, son­dern bei­de sind Gestal­ten von Macht – die Möglichkeit, dass ein Indi­vidu­um ver­mag: allein oder durch die anderen.

/sms ;-)

Die 4 Dimensionen der Macht:

1. Anordnung (Arrangement)

  • Pos­i­tive Werte:
    • Hier­ar­chie (Struk­tur und Effizienz)
    • Egal­i­taris­mus (Gle­ichrangigkeit und Beteili­gung)
  • Zer­falls­for­men:
    • Autori­taris­mus (rigide Kon­trolle)
    • Chaos (Auflö­sung von Ord­nungs­bezü­gen)
  • Ziel: Anar­chie

Über­prü­fung:
Anord­nung bet­rifft die Form­bil­dung sozialer Ord­nung. Wird Dif­feren­zierung durch starre Hier­ar­chien über­s­teuert, erstar­rt das Soziale in Autori­taris­mus. Wird sie durch egal­itäre Gle­ich­set­zung aufgelöst, zer­fällt Ord­nung in Chaos. Zwis­chen bei­den Extremen eröffnet sich Anar­chie – nicht als Regel­losigkeit, son­dern als herrschafts­freie Form­struk­tur, in der Ord­nung ohne Zen­trum möglich wird.


2. Zugang (Access)

  • Pos­i­tive Werte:
    • Beschränk­ter Zugang (Schutz gemein­schaftlich­er Ressourcen)
    • Uni­verseller Zugang (Offen­heit und geteilte Nutzung)
  • Zer­falls­for­men:
    • Exk­lu­siv­ität (struk­tureller Auss­chluss)
    • Über­nutzung (unkon­trol­lierte Aus­beu­tung)
  • Ziel: Com­mons

Über­prü­fung:
Zugang beschreibt im Sozialen die Bedin­gun­gen, unter denen Kom­mu­nika­tion an Ressourcen gekop­pelt wird. Wird Zugang zu stark reg­uliert, zeigt sich Exk­lu­siv­ität – das Soziale verengt sich auf priv­i­legierte Teil­nehmende. Wird Zugang gren­zen­los geöffnet, dro­ht Über­nutzung – Anschlussfähigkeit wird beliebig und Ressourcen wer­den entwertet. Zwis­chen diesen Polen ent­fal­ten sich Com­mons: Struk­turen, in denen kollek­tive Regeln sowohl Offen­heit ermöglichen als auch Schutz gewährleis­ten – nicht durch Gle­ich­heit aller, son­dern durch geteilte Ver­ant­wortlichkeit.


3. Legitimation (Legitimation)

  • Pos­i­tive Werte:
    • Recht­fer­ti­gung (Begrün­dung und Trans­parenz)
    • Skep­sis (Prü­fung und Dis­tanz)
  • Zer­falls­for­men:
    • Willkür (Intrans­par­ente Set­zung)
    • Paral­yse (Entschei­dung­sun­fähigkeit)
  • Ziel: Inklu­sion

Über­prü­fung:
Legit­i­ma­tion bet­rifft die Gel­tungs­be­din­gun­gen im Sozialen. Wird Recht­fer­ti­gung ohne Infragestel­lung geset­zt, ver­liert sie an Akzep­tanz – Willkür wird anschlussfähig. Wird Skep­sis abso­lut, block­iert sie jede Entschei­dung – Paral­yse ver­hin­dert Bewe­gung. Inklu­sion entste­ht dort, wo Recht­fer­ti­gung und Zweifel sich wech­sel­seit­ig begren­zen: Sinn wird anschlussfähig, ohne verord­net zu sein – Beteili­gung wird möglich, ohne voraus­ge­set­zt zu wer­den.


4. Durchsetzung (Enforcement)

  • Pos­i­tive Werte:
    • Autori­ta­tive Durch­set­zung (klare Erwartungssicher­heit)
    • Frei­willigkeit (Selb­st­bindung und Autonomie)
  • Zer­falls­for­men:
    • Repres­sion (Zwang und Diszi­plin­ierung)
    • Anomie (Ver­lust von Erwart­barkeit)
  • Ziel: Paz­i­fis­mus

Über­prü­fung:
Durch­set­zung beschreibt im Sozialen die Bedin­gun­gen, unter denen Erwartun­gen sta­bil­isiert wer­den. Wird Ord­nung repres­siv gesichert, entste­ht Abhängigkeit von Zwang – Kom­mu­nika­tion reduziert sich auf Kon­trolle. Wird Durch­set­zung voll­ständig der Frei­willigkeit über­lassen, entste­ht Anomie – Regeln ver­lieren Bindungskraft. Paz­i­fis­mus zeigt sich als Form, in der Erwartun­gen anschlussfähig bleiben, ohne Gewalt zu benöti­gen – eine Ord­nung, die auf Gegen­seit­igkeit statt auf Dro­hung beruht.


Ein fiktives Gespräch zwischen Prof. Dr. Jeffrey Sachs und Prof. Dr. Silvia Staub-Bernasconi by #chatGPT (auch das bild ;-)))

1. Anord­nung
Staub-Bernasconi:
„Wenn wir soziale Arbeit ernst nehmen, müssen wir die Frage nach der Herrschaft stellen. Wer ord­net an? Wer prof­i­tiert? Wer bleibt aus­geschlossen? Eine gerechte Ord­nung kann keine Hier­ar­chie natür­lich­er oder gottge­woll­ter Macht dulden.“

Sachs:
„Ich ver­ste­he. Aber wir brauchen glob­ale Insti­tu­tio­nen, die hand­lungs­fähig sind. Ich bin für gerechte Ord­nun­gen, nicht für herrschaft­slose Räume. Die Alter­na­tive zu schlechter Staatlichkeit ist oft noch schlim­mer. Die UN, die WHO, auch der IWF – sie brauchen Reform, nicht Auflö­sung.“

Staub-Bernasconi:
„Xerokratie meint nicht Chaos, son­dern funk­tionale Macht­be­gren­zung. Nicht die Abwe­sen­heit von Struk­tur – son­dern die Abwe­sen­heit von struk­tureller Dom­i­nanz.“

Sachs:
„Dann sind wir näher beieinan­der, als ich dachte.“


2. Zugang
Staub-Bernasconi:
„Zugang ist keine Gnade, son­dern eine Struk­turfrage. Com­mons sind keine Güter, son­dern soziale Bedin­gun­gen für gle­ich­berechtigte Teil­habe.“

Sachs:
„Genau das ist meine Arbeit seit Jahrzehn­ten. Zugang zu Wass­er, Bil­dung, Energie – das ist Entwick­lungsökonomie im Kern. Ich rechne mit Zahlen, Sie mit Würde. Aber wir meinen das­selbe.“

Staub-Bernasconi:
„Nur wenn Zugang unab­hängig von Sta­tus, Herkun­ft oder Markt ist, wird Teil­habe real.“

Sachs:
„Das ist der Unter­schied zwis­chen Mark­t­logik und Gerechtigkeit­slogik. Ich ste­he auf Ihrer Seite.“


3. Legit­i­ma­tion
Staub-Bernasconi:
„Was legit­im ist, ergibt sich nicht aus Macht, son­dern aus Anerken­nung des anderen. Inklu­sion meint nicht Beteili­gung an beste­hen­den Ver­fahren, son­dern die Möglichkeit, Argu­mente einzubrin­gen, die vorher aus­geschlossen waren.“

Sachs:
„Darum spreche ich so oft über die Notwendigkeit, den glob­alen Süden an den Tisch zu holen – nicht nur als Empfänger von Hil­fe, son­dern als Sub­jekt von Entschei­dun­gen.“

Staub-Bernasconi:
„Dann müsste soziale Arbeit weltweit neu gedacht wer­den: nicht als Inter­ven­tion, son­dern als Ko-Kon­sti­tu­tion.“

Sachs:
„Genau. Glob­ale Part­ner­schaft, nicht glob­ale Anleitung.“


4. Durch­set­zung
Staub-Bernasconi:
„Soziale Arbeit darf sich nicht auf Ver­mit­tlung beschränken, wenn Struk­turen Gewalt erzeu­gen. Gewalt­frei­heit ist nicht moralis­ch­er Luxus, son­dern struk­turelle Notwendigkeit.“

Sachs:
„Ich habe zu viele Bomben gese­hen, zu viele zer­störte Schulen. Mil­itärische Lösun­gen erzeu­gen keinen Frieden. Sie unter­brechen nur. Dann begin­nt der Hunger, der Zer­fall, der Hass.“

Staub-Bernasconi:
„Dann müssten wir Frieden­spoli­tik als Infra­struk­tu­rar­beit ver­ste­hen.“

Sachs:
„Ja. Frieden begin­nt mit Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit begin­nt mit Zuhören.“


Schluss­bild:
Bei­de ste­hen vor ein­er Tafel mit vier Begrif­f­en:
Ord­nung – Zugang – Legit­i­ma­tion – Durch­set­zung
Sachs nimmt Krei­de, schreibt daneben:
Ethik – Struk­tur – Stimme – Frieden

Staub-Bernasconi nickt.

„Wenn das soziale Prob­leme sind, ist soziale Arbeit Weltar­beit.“

Fallbeispiele

Historische Verortung

1. Jesus – die anar­cho-paz­i­fistis­che Lehre (um 30 n. Chr.)
– Anord­nung: keine Titel, keine Macht, letzte*r soll der/die Erste sein
– Zugang: Armen gehört das Him­mel­re­ich, Kinder zuerst
– Legit­i­ma­tion: allein durch das Tun des Wil­lens Gottes
– Durch­set­zung: Gewaltverzicht, Fein­desliebe, Kreuz als Kon­se­quenz

2. Mon­tanis­ten & Ari­an­er – frühe radikale Bewe­gun­gen (2.–4. Jh.)
– Anord­nung: prophetis­che Gle­ich­heit, keine Priesterkaste
– Zugang: Offen­heit für Vision, Beru­fung statt Herkun­ft
– Legit­i­ma­tion: Geist­bezug statt Insti­tu­tion
– Durch­set­zung: Askese, Mar­tyrien, kein Zugriff auf Gewalt­monopol

3. Machter­grei­fung – Staats- & Machtkirche (ab 4. Jh.)
– Anord­nung: Bischof­shier­ar­chie, zen­trale Kon­trolle
– Zugang: Kinder­taufe, Sakra­mente als Zugangs­bar­riere
– Legit­i­ma­tion: Amt­skirche, Konzile, Dog­men
– Durch­set­zung: Exkom­mu­nika­tion, Ket­zerver­fol­gung, Staats­ge­walt

4. Täufer – die radikale Erin­nerung (ab 1525)

Anord­nung: Brüder­lichkeit, Kreis­struk­tur, Laien­predigt
beson­ders betont von:
Amis­che, Hut­ter­er (mit Rota­tion von Ämtern), Zürcher Brüder (Basisentschei­de, keine Priesterkaste)

Zugang: Güterge­mein­schaft, Kinder­taufe abgelehnt, Frei­willigkeit betont
beson­ders betont von:
Hut­ter­er (radikale Güterge­mein­schaft), Zürcher Brüder (Taufverzicht als Zugangskri­tik), später Inten­tion­al Com­mu­ni­ties

Legit­i­ma­tion: Bibel, Gewis­sen, Chris­tus­nach­folge – kein Amt
beson­ders betont von:
Men­non­iten (Schrift + Gewis­sensethik), Quäk­er (innere Stimme, „light with­in“, ohne Bibel-Exk­lu­siv­ität)

Durch­set­zung: Wehrlosigkeit, Mar­tyri­um – statt Kon­trolle
beson­ders betont von:
Men­non­iten, Amis­che, Quäk­er (radikaler Paz­i­fis­mus), Zürcher Brüder (Frei­willigkeit bis zum Tod)

5. Mod­erne – Zer­fall der Ide­ale nach dem Holo­caust (20. Jh.)
– Anord­nung: tech­nokratis­che Eliten, Exper­tokra­tien
– Zugang: Mark­tregeln, Bil­dung­sexk­lu­sion, Nation­al­staats­gren­zen
– Legit­i­ma­tion: ökonomis­ch­er Erfolg erset­zt Sinn und Ethik
– Durch­set­zung: struk­turelle Gewalt, Bürokratie, Auss­chlüsse

6. Zürcher Schule – Sys­temis­che Erin­nerung (seit 1970er)
– Anord­nung: Sozial­räume, Net­zw­erke, kollek­tive Intel­li­genz
– Zugang: offene Infra­struk­turen, par­tizipa­tive Set­tings
– Legit­i­ma­tion: Plau­si­bil­ität, Trans­parenz, Dia­log
– Durch­set­zung: Frei­willigkeit, Selb­streg­u­la­tion, Diskurslogik

7. #NextSo­ci­ety – die radikale Ermöglichung (ab 2025)

Anord­nung:
– flache Struk­turen, dezen­trale Koor­di­na­tion
– keine Chef­posten, son­dern Smart Con­tracts
– Gov­er­nance als Myzel, nicht als Pyra­mide
→ Ziel: Anar­chie als Ord­nung ohne Herrschaft

Zugang:
– freie Infra­struk­tur, keine Ein­trittshür­den
– alles, was geteilt wer­den kann, wird geteilt
– Com­mons nicht nur open, son­dern free by design
→ Ziel: Com­mons als kollek­tive Ermöglichung

Legit­i­ma­tion:
– keine Titel, kein Besitz, kein Ruhm
– nur: über­prüf­bare Rel­e­vanz & kollek­tive Res­o­nanz
– Blockchain statt Herkun­ft, Sinn statt Bilanz
→ Ziel: Inklu­sion durch radikale Trans­parenz

Durch­set­zung:
– Rep­u­ta­tion­ssys­teme statt Polizei
– Ver­trauen durch Rück­ver­fol­gbarkeit
– Pro­tokolle erset­zen Gewalt
→ Ziel: Paz­i­fis­mus durch tech­nol­o­gis­che Ethik

Anwendungsbeispiele

Literatur

(Die soge­nan­nte Zürich­er Schule, par­al­lel zu #Biele­feld arbeit­en, “gegen” die #Kör­per­sozi­olo­gie von #Frank­furt ;-)

  • Heintz, P. (1975). Anar­chis­mus und Gegen­wart: Ver­such ein­er anar­chis­tis­chen Deu­tung der mod­er­nen Welt. Europäis­che Ver­lagsanstalt.
  • Heintz, P. (1979). Anar­chis­mus und Gegen­wart. Europäis­che Ver­lagsanstalt.
  • Staub-Bernasconi, S. (1983). Soziale Prob­leme – Dimen­sio­nen ihrer Artiku­la­tion: Umrisse ein­er The­o­rie Sozialer Prob­leme als Beitrag zu einem the­o­retis­chen Bezugsrah­men Sozialer Arbeit. Rüeg­ger Ver­lag.
  • Brack, B.; Sey­del, S.M. (1990). Macht / Prozes­su­al-sys­temis­che Denk­fig­ur nach Staub-Beransconi, Diplo­mar­beit OSSA, heute: Fach­hochschule Ost, St. Gallen
  • Staub-Bernasconi, S. (2007). Soziale Arbeit als Hand­lungswis­senschaft: Sys­temthe­o­retis­che Grund­la­gen und pro­fes­sionelle Prax­is (2. Aufl.). VS Ver­lag für Sozial­wis­senschaften.
  • Staub-Bernasconi, S. (2009). Human Rights and Their Rel­e­vance for Social Work as The­o­ry and Prac­tice. Research­Gate.
  • Schmock­er, B. (Hrsg.). (2013). Liebe macht Erken­nt­nis: Ein Lese­buch für Sil­via Staub-Bernasconi. Seis­mo Ver­lag.
  • Wikipedia. (n.d.). Peter Heintz. Wikipedia, Die freie Enzyk­lopädie. Abgerufen am 18. Feb­ru­ar 2025, von https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Heintz
  • Wikipedia. (n.d.). Sil­via Staub-Bernasconi. Wikipedia, Die freie Enzyk­lopädie. Abgerufen am 18. Feb­ru­ar 2025, von https://de.wikipedia.org/wiki/Silvia_Staub-Bernasconi
  • Wikipedia. (n.d.). Ste­fan M. Sey­del. Wikipedia, Die freie Enzyk­lopädie. Abgerufen am 18. Feb­ru­ar 2025, von https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_M._Seydel (gelöscht)

DIE SOZIALE FRAGE:

Erläuterungen, Ausführungen, Fragen, Anhang

Universell spannende Spannungsfelder des Sozialen

Obwohl es für das Mod­ell in nicht-west­lichen Kul­turen Kri­tikpunk­te und alter­na­tive Inter­pre­ta­tio­nen gibt, bedeutet das nicht automa­tisch, dass das Konzept „west­lich“ ist. Vielmehr zeigt es, dass jede Gesellschaft auf uni­verselle Fragen—Ordnung, Zugang, Legit­i­ma­tion, Durchsetzung—eigene Antworten entwick­elt hat. Die vier Span­nungs­felder beschreiben grundle­gende Dynamiken sozialer Organ­i­sa­tion, aber ihre konkrete Aus­gestal­tung vari­iert.

Warum ist es nicht ausschließlich westlich?

  1. Uni­verselle Rel­e­vanz: Jede Gesellschaft—ob in Afri­ka, Chi­na oder der ara­bis­chen Welt—muss sich mit diesen vier The­men auseinan­der­set­zen. Sie alle haben Mech­a­nis­men entwick­elt, um Macht­struk­turen zu regeln, Ressourcen zu verteilen, Legit­im­ität zu schaf­fen und Nor­men durchzuset­zen.
  2. Kul­turelle Vari­a­tion statt Konzeptuelle Begren­zung: Das Konzept ist nicht ein­seit­ig nor­ma­tiv, son­dern beschreibend. Während west­liche Kul­turen vielle­icht einen stärk­eren Fokus auf Trans­parenz oder indi­vidu­elle Rechte leg­en, bieten andere Kul­turen alter­na­tive Wege zur Bear­beitung dieser Span­nungs­felder. Die Matrix ist eine ana­lytis­che Struk­tur, die sich an ver­schiedene Kon­texte anpassen lässt.
  3. Res­o­nanz in nicht-west­lichen Denkweisen: Ele­mente des Mod­ells find­en sich in ver­schiede­nen philosophis­chen und sozialen Tra­di­tio­nen wieder. Kon­fuzian­is­che Ethik, afrikanis­che Kon­sen­sori­en­tierung oder islamis­che Recht­sphiloso­phie bieten alle eigen­ständi­ge Inter­pre­ta­tio­nen der vier Dimen­sio­nen.

Aber warum könnte es als „westlich“ gelesen werden?

  1. Begrif­flichkeit und Kat­e­gorisierung: Die Art, wie die Span­nungs­felder for­muliert sind, lehnt sich an eine sys­tem­a­tis­che, begrif­flich scharfe Analyse an, wie sie in west­lichen Wis­senschaft­stra­di­tio­nen üblich ist. Konzepte wie „Autorität vs. Frei­willigkeit“ oder „Legit­i­ma­tion durch Trans­parenz“ kön­nten in anderen Kul­turkreisen anders beschrieben oder gewichtet wer­den.
  2. His­torisch­er Kon­text der The­o­rieen­twick­lung: Das Konzept basiert auf Über­legun­gen von Luh­mann und Staub-Bernasconi, die in ein­er west­lichen akademis­chen Tra­di­tion ste­hen. Diese hat ihre Wurzeln in bes­timmten his­torischen Prozessen (Aufk­lärung, Lib­er­al­is­mus, Demokrati­ethe­o­rie), die in anderen Regio­nen andere Wege genom­men haben.
  3. Fokus auf Abstrak­tion und Sys­tem­atik: In vie­len nicht-west­lichen Gesellschaften wird Wis­sen eher nar­ra­tiv oder rela­tion­al ver­mit­telt als durch schema­tis­che Unter­schei­dun­gen. Die Matrix kön­nte daher als eine „west­liche“ Art der Struk­turierung gele­sen wer­den, auch wenn ihre Inhalte uni­versell sind.

Fazit: Universell, aber kulturell eingebettet

Die vier Span­nungs­felder sind keine rein west­lichen Kon­struk­te, son­dern beschreiben uni­verselle soziale Dynamiken. Ihre west­liche Prä­gung zeigt sich eher in der method­is­chen Darstel­lung und der Begrif­flichkeit. Würde man die Matrix aus ein­er nicht-west­lichen Per­spek­tive denken, kön­nte man sie möglicher­weise anders benen­nen oder anders gewichten—doch die zugrunde liegen­den Fra­gen bleiben beste­hen.

Anstatt das Konzept als „west­lich“ oder „nicht-west­lich“ zu klas­si­fizieren, wäre eine pro­duk­tive Weit­er­en­twick­lung, es so zu öff­nen, dass ver­schiedene kul­turelle Per­spek­tiv­en sich darin wiederfind­en kön­nen.

Zum Beispiel:

Eine Möglichkeit wäre, die vier Span­nungs­felder so zu refor­mulieren, dass sie stärk­er kul­turell anschlussfähig sind. Dazu kön­nte man:

  1. Die Begriffe neu kon­tex­tu­al­isieren
    • Statt „Hier­ar­chie vs. Egal­i­taris­mus“ kön­nte man von „sozialer Ord­nung vs. gemein­schaftlich­er Entschei­dungs­find­ung“ sprechen.
    • Statt „Autori­ta­tive Durch­set­zung vs. Frei­willigkeit“ kön­nte man „soziale Kon­trolle vs. Eigen­ver­ant­wor­tung“ ver­wen­den.
  2. Regionale Beispiele ein­fü­gen
    • Statt von west­lichen Vorstel­lun­gen von Legit­i­ma­tion zu sprechen, kön­nte man Beispiele aus ver­schiede­nen Gesellschaften ein­bauen (z. B. das Man­dat des Him­mels in Chi­na, die Ältesten­räte in afrikanis­chen Gesellschaften oder die Scharia als rechtliche Legit­i­ma­tion in islamis­chen Län­dern).
  3. Mehrere Zugänge par­al­lel anerken­nen
    • Die Matrix kön­nte nicht als ein star­res Raster ver­standen wer­den, son­dern als flex­i­bles Beobach­tungsin­stru­ment, das ver­schiedene kul­turelle Antworten berück­sichtigt.
  4. Erweiterung durch kul­turelle Konzepte
    • Man kön­nte für jede der vier Dimen­sio­nen alter­na­tive kul­turelle Begrif­flichkeit­en ein­führen:
      • Anord­nung: „Har­monie (Kon­fuzian­is­mus) vs. Kon­sens (Ubun­tu) vs. Regel­basierte Organ­i­sa­tion (west­liche Bürokratie)“
      • Zugang: „Fam­i­lien­basierte Sol­i­dar­ität (ara­bis­che Welt) vs. Com­mons (afrikanis­che Dor­fge­mein­schaften) vs. Mark­t­logik (kap­i­tal­is­tis­che Gesellschaften)“
      • Legit­i­ma­tion: „Göt­tliche Ord­nung (religiöse Gesellschaften) vs. Kon­sens und soziale Anerken­nung (indi­gene Kul­turen) vs. Trans­par­ente Insti­tu­tio­nen (west­liche Demokra­tien)“
      • Durch­set­zung: „Ehren­sys­teme (ara­bis­che Stämme) vs. Soziale Kon­trolle durch Net­zw­erke (Chi­na) vs. Rechtssys­teme (west­lich­er Lib­er­al­is­mus)“

Was wäre das Ergebnis?

  • Die vier Span­nungs­felder blieben als ana­lytis­ches Mod­ell erhal­ten, wären aber flex­i­bler inter­pretier­bar.
  • Sie wür­den nicht mehr als eine spez­i­fisch west­liche Kat­e­gorisierung erscheinen, son­dern als ein offenes Instru­ment, das ver­schiedene kul­turelle Ansätze miteinan­der ver­gle­ich­bar macht.
  • Statt einem uni­versellen Set von Def­i­n­i­tio­nen würde es ein Set von Beobach­tungs­fra­gen geben, das je nach kul­turellem Kon­text anders beant­wortet wird.

So kön­nte das Mod­ell auch von Men­schen aus unter­schiedlichen Kul­turkreisen genutzt wer­den, ohne dass es als eine west­liche Brille wahrgenom­men wird.